Chefarzt muss bei Wahlleistungsvereinbarung selbst an den Tisch

08.04.2019, Autor: Frau Almuth Arendt-Boellert / Lesedauer ca. 2 Min. (148 mal gelesen)
BGH Urteil vom 19. Juli 2016, VI ZR 75/15 - Streit um Wahlleistungsvereinbarung - Wenn ein Patient in Ausübung seiner Grundrechte erklärt, eine bestimmte Behandlung nur von einem bestimmten Arzt erhalten zu wollen, dann dürfe kein anderer Arzt diesen Eingriff vornehmen.

Wenn ein Patient eine Leistung wählt, die über den Umfang der normalen Krankenhausleitungen hinausgeht und medizinisch nicht notwendig ist, nennt man dies eine Wahlleistung. Die Einzelbettunterbringung gehört ebenso dazu wie neuartige Operationsmethoden oder – wie im hier besprochenen Fall – die Behandlung durch einen bestimmten Arzt.

 
Der Fall: Oberarzt operiert statt des Chefarztes

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nun einen Fall zu entscheiden, in dem der Kläger eine Wahlleistungsvereinbarung mit der beklagten Klinik getroffen hatte, die eine Chefarztbehandlung vorsah. Entgegen der Vereinbarung war er jedoch seine linke Hand jedoch von einem Oberarzt operiert worden. Weil sich nach der Operation beim Kläger erhebliche Gesundheitsprobleme an der operierten Hand einstellten, zog er vor Gericht und verlangte vom Krankenhaus, vom Oberarzt und vom Chefarzt unter anderem Schmerzensgeld.

Bundesgerichtshof: Rechtswidriger Eingriff

In erster und zweiter Instanz wiesen die Gerichte seine Klage jedoch ab. Erst der BGH beurteilte die Rechtslage in seinem Sinn: Zwar hatten die Beklagten eingewandt, dass der Schaden auch dann entstanden wäre, wenn der Chefarzt selbst operiert hätte, es also ein rechtmäßiges Alternativverhalten gegeben hätte, doch wurden sie damit beim BGH nicht gehört: Alleine dadurch entfalle der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Eingriff und den Beschwerden nicht. Es sei schon kein Raum für einen solchen Einwand, da dies dem Schutzweck des Einwilligungserfordernisses bei einem medizinischen Eingriff widerspreche.

Verstoß gegen die Menschenwürde

Zweck dieses Erfordernisses der Einwilligung in eine Heilbehandlung sei es nämlich, dem Grundrecht des Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung als Ausfluss der Menschenwürde gerecht zu werden. Weil eine solche Einwilligung zu einem Verzicht auf den ansonsten absoluten rechtlichen Schutz des Körpers vor Verletzungen führe und insofern der Patient alle Risiken auf sich nehme, die mit dem operativen Eingriff verbunden seien, müsse der Rahmen, den dieser gesteckt habe, beachtet werden. Wenn ein Patient in Ausübung seiner Grundrechte erklärt, eine bestimmte Behandlung nur von einem bestimmten Arzt erhalten zu wollen, dann dürfe kein anderer Arzt diesen Eingriff vornehmen. Dies sei der einzige Weg das Vertrauen wirksam zu schützen, dass der Patient in die Verhaltenspflichten des Arztes gesetzt habe.

 
Chefarzt haftet auch sorgfaltsgemäß durchgeführter Operation des Oberarztes

Folglich ist ein Wahlarzt zur persönlichen und eigenhändigen seine Disziplin prägende Kernleistung, insbesondere der Operation, verpflichtet, wenn der Patient eine entsprechende Wahlleistungsvereinbarung trifft und dabei auf die besondere Kompetenz und Erfahrung des von ihm ausgewählten Mediziners vertraut und hierfür ein zusätzliches Honorar bezahlt, weil er sich um seine Gesundheit sorgt. Wenn die Operation nicht von diesem Arzt ausgeführt werden kann, muss er laut BGH rechtzeitig hierüber aufgeklärt werden. Erfolgt dies nicht, entfällt die Einwilligung. Folglich kann dann in der Konsequenz eine Haftung beim Verstoß gegen die Wahlleistungsvereinbarung auch dann bestehen, wenn die Operation ansonsten nachweislich de lege artis, also nach den Regeln der ärztlichen Kunst – vollzogen wurde. Der BGH stärkt somit die Rechte der Patienten erheblich.