Farbige Wände / bunte Tapete: Müssen Mieter Schadensersatz zahlen?

17.05.2019, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (7656 mal gelesen)
Farbige Wände / bunte Tapete: Müssen Mieter Schadensersatz zahlen? © Ma - Anwalt-Suchservice

Schon mehrfach mussten sich Gerichte mit allzu grellen Wandfarben in Mietwohnungen beschäftigen. Denn Geschmäcker sind nun einmal verschieden. Auch bunte Tapeten können für Streit sorgen.

Immer mehr Mieter wollen nicht in einer langweilig weiß gestrichenen Wohnung leben und geben ihren Wänden oder Decken daher einen anderen Farbton. Vermieter sehen dies meist nicht so gerne, denn bei einem Mieterwechsel können bunt bemalte Wände andere Mieter, die vielleicht einen anderen Geschmack haben, leicht abschrecken. In Großstädten und Ballungsräumen wird sich zwar heutzutage kaum ein Mieter finden, der sich von einer farbigen Wand vertreiben lässt, wenn er denn endlich eine freie und bezahlbare Wohnung gefunden hat. Nicht überall herrscht jedoch Wohnungsmangel. Und letztlich hat die Marktlage wenig Einfluss auf die Rechtslage. Wie verhält es sich nun rechtlich – dürfen Mieter eine Wohnung mit farbigen Wänden oder Tapeten zurückgeben?

Streit um bunte Tapeten: Was war passiert?


Zwischen einer Vermieterin und ihren Mietern – Mutter und Tochter – hatte es Streit um Mietrückstände gegeben. Der Mietvertrag wurde gekündigt, allerdings blieb die Mutter auch noch nach Vertragsende in der Wohnung und bezahlte keine Miete. Als sie schließlich ausgezogen war, besichtigte die Vermieterin die Räume und fand im Wohnzimmer dunkelbraune Mustertapeten vor. Im Schlafzimmer war von den Mietern eine gemusterte Bordüre auf die Tapete geklebt worden, die man nicht entfernen konnte, ohne die Tapete zu beschädigen. Im Kinderzimmer dagegen waren die Wände nicht nur orange, sondern auch in schwungvoller Wischtechnik bemalt worden. Die Vermieterin ließ alles von einem Maler weiß streichen und forderte von ihren Ex-Mietern Schadensersatz für die entstandenen Kosten.

Was versteht man unter Schönheitsreparaturen?


Die sogenannten Schönheitsreparaturen von Mietwohnungen beschäftigen oft die Gerichte. Gemeint sind damit eigentlich keine Reparaturen, sondern Renovierungsarbeiten wie beispielsweise das Streichen von Wänden und Decken. Durch diese Arbeiten sollen die normalen Abnutzungserscheinungen beseitigt werden, die an einer Wohnung nun mal entstehen, wenn sie bewohnt wird.
Mietverträge enthalten in der Regel eine Klausel, die dem Mieter die Schönheitsreparaturen auferlegt. Allerdings haben die Gerichte in den letzten Jahren viele derartige Klauseln für unwirksam erklärt, da diese die Mieter unangemessen benachteiligten. Dies betrifft zum Beispiel starre Fristenregelungen, die unabhängig vom Wohnungszustand auf jeden Fall eine Renovierung nach Ablauf bestimmter Fristen für die einzelnen Räume vorgeben, sowie Endrenovierungsklauseln, nach denen der Mieter in jedem Fall bei seinem Auszug die Wohnung renovieren muss. Letztendlich hängt es also vom Mietvertrag ab, ob Mieter renovieren muss. Enthält der Vertrag dazu keine Aussage oder ist die entsprechende Klausel unwirksam, muss er dies nicht.

Welche Farben sind erlaubt?


Der Vermieter hat dem Mieter während der Laufzeit des Mietvertrages nicht vorzuschreiben, wie dieser seine Wohnung farblich gestaltet. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Bundesgerichtshofes von 2008 (Az. VIII ZR 224/07). Er kann also nicht in den Mietvertrag hineinschreiben, dass die Wände und Decken der Wohnung während der Mietzeit weiß sein müssen. Entsprechende Vertragsklauseln wären unwirksam.
Genauso kann der Vermieter nicht vom Mieter verlangen, die Wohnung beim Auszug “weiß” gestrichen zurückzugeben (Landgericht Berlin, Az. 64 S 394/05). Auch diese Vertragsklausel ist unwirksam. Bei der Rückgabe muss sich die Wohnung jedoch in einem Zustand befinden, der die Wiedervermietung nicht allzu sehr erschwert. Das bedeutet: Neutrale Farbtöne sind angesagt.

Wie entschied das Landgericht Berlin?


Das Landgericht Berlin gab hier der Vermieterin recht. Das Gericht fand, dass die dunkelbraune Tapete, die Bordüre und die orange Wischmalerei nicht mehr vom normalen Gebrauch einer Mietwohnung abgedeckt waren. Die Farbgebung durch die Mieter war in diesem Fall allzu extrem. Das Gericht sah dies als schuldhafte Beschädigung der Mietwohnung an und verurteilte die Ex-Mieter dazu, die Renovierungskosten von etwa 1.700 Euro zu bezahlen (Urteil vom 30.9.2016, Az. 65 S 63/16).

Wände in blau, rot und gelb


Der Vermieter darf während des laufenden Mietverhältnisses nicht verlangen, dass die Wohnung in "neutralen Farbtönen" gestrichen bleibt. Dies hat der Bundesgerichtshof betont (Az. VIII ZR 166/08).
Aber: Unabhängig von irgendwelchen vertraglichen Absprachen ist der Mieter dazu verpflichtet, die Wohnung in wiedervermietbarem Zustand zurückzugeben – also in einer Farbgebung, die nicht 90 Prozent der Mietinteressenten wieder rückwärts zur Tür hinaustreibt.
Findet der Mieter also seine Wände in grellrot oder schwarz schöner, darf er sie während des Mietverhältnisses so anstreichen. Er muss dies jedoch bei seinem Auszug eben wieder rückgängig machen. Denn dann sind neutrale Farben Pflicht. Dies entschied der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem die Mieter die Wände ihrer Wohnung in knalligem Rot, Blau und Gelb gestrichen hatten. 3.600 Euro kostete es den Vermieter, die ursprünglich weißen Wände wieder weiß zu bekommen: Sie mussten mehrfach gestrichen werden, bis die grellen Farben abgedeckt waren. Auch hier gestand das Gericht dem Vermieter einen Schadensersatz zu (Az. VIII ZR 416/12).

Was bedeutet die Pflicht zur Rücksichtnahme?


Die Vertragspartner eines Mietvertrages sind generell dazu verpflichtet, auf die gegenseitigen Interessen Rücksicht zu nehmen. Die Gerichte sind der Ansicht, dass der Mieter dementsprechend darauf achten muss, auf die geschäftlichen Interessen des Vermieters zumindest soweit Rücksicht zu nehmen, dass diesem kein Schaden entsteht. Das bedeutet, dass er Dekorationen, die nicht den Geschmack der Allgemeinheit treffen und die die Wiedervermietbarkeit erschweren, vor seinem Auszug entfernen muss – dies schließt allzu auffällige Farbtöne ein.

Praxistipp


Mieter sollten beim Auszug gleich darauf achten, farbig gestrichene Wände wieder weiß zu streichen, auch wenn dies nicht vertraglich geregelt ist. Die Gerichte geben hier regelmäßig dem Vermieter recht, und Wände, die neue Mieter nicht abschrecken, helfen, Streit zu vermeiden. Kommt es schließlich doch zur Auseinandersetzung mit dem Vermieter, kann ein Fachanwalt für Mietrecht helfen, die Lage richtig einzuschätzen und die notwendigen Schritte einzuleiten.

(Bu)


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 Stephan Buch
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