Darf eine Wärmedämmung die Grundstücksgrenze überschreiten?

14.06.2017, Autor: Frau Esther Maria Czasch / Lesedauer ca. 2 Min. (177 mal gelesen)
Wärmedämmung und Nachbarrechte - das ist ein stark diskutiertes Thema, bei dem viel Aufklärungsbedarf herrscht. Nachfolgend geht es um die Frage, ob eine nachträglich angebrachte Wärmedämmung über die Grundstücksgrenze angebracht werden kann.

Das Thema Wärmedämmung ist seit Jahren in aller Munde und davon sind sowohl Eigentümer bzw. Vermieter als auch Mieter beiderseits betroffen. Am 01. Oktober 2009 trat die neue Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung – EnEV 2009) in Kraft und hat die bisher geltende Wärmeschutzverordnung sowie die Heizungsanlagenverordnung abgelöst. In der EnEV ist u.a. geregelt, dass bei Neubauten hohe Energiestandards eingehalten werden müssen. Dies wird insb. in der Praxis durch das Anbringen einer Wärmedämmung realisiert. Auch Bestandsimmobilien müssen gedämmt werden.

In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob ein ursprünglich nicht mit Wärmedämmung gebautes Gebäude nachträglich gedämmt werden kann und dabei der Nachbar das Aufbringen der Dämmung über die Grenze hinaus dulden muss. Das klare Urteil: Die Grundstücksgrenze ist zwingend einzuhalten! (BGH, Urteil vom 02.06.2017, V ZR 296/16)

In dem genannten Fall hatte ein Bauträger an ein bereits stehendes Reihenendhaus ein Mehrfamilienhaus angebaut. Ein Jahr später, im Jahr 2005, wurde Dämmmaterial angebracht an die Gebäudehülle, welches jedoch nicht verputzt und nicht gestrichen wurde. Das Gebäude wurde sodann in Wohnungseigentum umgewandelt. Nunmehr wollten die Wohnungseigentümer Putz und Anstrich mit einer Stärke von maximal 0,5 cm anbringen. Sie begründen ihren Anspruch mit einer Duldungspflicht nach Nachbarrechtsgesetz.

Die Klage der Wohnungseigentümer wurde abgewiesen. Die Duldungspflicht nach dem Nachbarrechtsgesetz gelte nicht für eine die Grundstücksgrenze überschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand, mit der der benachbarte Grundstückseigentümer erstmals die Anforderungen der bei der Errichtung des Gebäudes bereits geltenden EnEV erfüllen will. Der Bauträger hat bei Errichtung des Gebäudes 2004/2005 die EnEV nicht beachtet. Er habe trotz der in der EnEV geltenden Wärmeschutzanforderungen das ungedämmte Mehrfamilienhaus unmittelbar an die Grenze zum Grundstück des Nachbarn gebaut. In dieser Situation gelte die Duldungspflicht des Nachbarn nicht, nachträglich eine Wärmedämmung anbringen zu können.

Grundsätzlich dient die Duldungspflicht der leichteren Sanierung von Altbauten. Diese seien bei Gebäuden, die auf der Grundstücksgrenze stünden, häufig dadurch erschwert worden, dass der Nachbar die notwendige Zustimmung zu dem durch die Verkleidung der Grenzwand mit einem Wärmeverbundsystem entstehenden Überbau verweigerte oder von unverhältnismäßigen finanziellen Forderungen abhängig machte. Dem habe der Gesetzgeber durch die Einführung einer Duldungspflicht begegnen wollen.

Jedoch ist bei Neubauten zu beachten, dass hier sogleich korrekt zu planen ist. Eine Duldungsverpflichtung besteht nur bei Bestandsbauten und nicht bei Neubauten, weil den Wärmeschutzanforderungen durch eine entsprechende Planung Rechnung getragen werden kann. Für Neubauten bleibe es somit bei dem Grundsatz, dass sie so zu planen sind, dass sich die Wärmedämmung in den Grenzen des eigenen Grundstücks befindet.