Erbrecht – aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung Teil I

05.09.2015, Autor: Herr Michael Wemmer / Lesedauer ca. 4 Min. (833 mal gelesen)
Diese Übersicht enthält einige Entscheidungen, die aus unserer Sicht für die Praxis und die Entwicklung des Rechts von Bedeutung sind. Auf Anfrage stellen wir Ihnen gerne den vollständigen Urteilstext, soweit vorhanden, zur Verfügung.

Kein Anspruch der Banken auf Vorlage eines Erbscheines oder Testamentsvollstreckerzeugnisses

Die dem Muster von Nr. 5 Abs. 1 AGB-Sparkassen nachgebildete Klausel einer Sparkasse „Nach dem Tode des Kunden kann die Sparkasse zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheines, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlich gerichteter Zeugnisse verlangen; fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Sparkasse mit deutscher Übersetzung vorzulegen. Die Sparkasse kann auf die Vorlegung eines Erbscheines oder eines Testamentsvollsteckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie der Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wird“ ist im Verkehr mit Verbrauchern nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

BGH, Urteil vom 08.10.2013, IX ZR 401/12



Keine steuerfreie Zuwendung einer Zweit- oder Ferienwohnung zwischen Ehegatten

Ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Gebäude, in dem sich nicht der Mittelpunkt des familiären Lebens befindet, ist kein steuerbegünstigtes Familienwohnheim im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4 a ErbStG. Nicht begünstigt sind deshalb Zweit- oder Ferienwohnungen.

BFH, Urteil vom 18.07.2013, II R 35/11



Auslegung einer Schlusserbeneinsetzung für den Fall „gleichzeitigen Versterbens“ bei Einräumung einer Abänderungsbefugnis

Die Kombination einer „Schlusserbeneinsetzung“ mit Einräumung einer Abänderungsbefugnis zugunsten des überlebenden Ehegatten bei ausdrücklicher Anordnung der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen können Anhaltspunkte dafür sein, dass die Ehegatten die Formulierung „für den Fall gleichzeitigen Versterbens“ nicht im Wortsinn verwendet haben, sondern den Fall des zeitlich Nacheinanderversterbens geregelt haben.

OLG München, Beschluss vom 24.10.2013, 31 Wx 139/13



Vollstreckung wegen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs in das durch Schenkung vereinigte Alleineigentum an einem Grundstück

Der Pflichtteilsberechtigte kann wegen eines Anspruchs nach § 2329 Abs. 1 BGB auch dann in den vom Erblasser verschenkten Miteigentumsanteil an einem Grundstück vollstrecken, wenn infolge einer Vereinigung aller Miteigentumsanteile in der Hand des Beschenkten Alleineigentum entstanden ist. Der Miteigentumsanteil wird insoweit für den Zweck der Vollstreckung als fortbestehend fingiert.

Grundlage für die Eintragung einer Zwangshypothek sind nicht nur unmittelbar auf Zahlung, sondern auch auf Duldung der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung lautende Titel.

Die Sicherungsvollstreckung kann auch aus Urteilen betrieben werden, durch die der Schuldner zur Duldung der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung verurteilt worden ist.

BGH, Beschluss vom 04.07.2013, V ZB 151/12



Untauglicher Behindertenschutz bei Pflichtteilssanktionsklauseln

Wenn Eltern in einer gemeinschaftlich errichteten letztwilligen Verfügung ihre Kinder gleichmäßig als Schlusserben eingesetzt haben ohne ausdrückliche Regelungen im Sinne eines sogenannten Behindertentestaments zu treffen und bestimmt haben, dass dasjenige ihrer Kinder, das nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils seinen Pflichtteil fordert, auch nach dem Tod des später versterbenden Elternteils auf den Pflichtteil beschränkt sein soll, dann greift diese „Pflichtteilsstrafklauseln“ auch ein, wenn nicht das (behinderte) Kind selbst, sondern der Träger der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht die Pflichtteilsansprüche geltend macht.

OLG Hamm, Urteil vom 28.02.2013, 10 U 71/12



Wann bietet der Inhalt einer notariellen Testamentsurkunde im Erbscheinverfahren dem Nachlassgericht Anlass, in die Tatsachenermittlung zur Testierfähigkeit des Erblassers einzutreten?

Es besteht dann hinreichender Anlass für Ermittlungen des Nachlassgerichts bezüglich der Testierfähigkeit des Erblassers, wenn die Feststellungen des Notars zur Testierfähigkeit zumindest Zweifel an dieser begründen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Erblasser einen Eindruck vermittelte, der es dem beurkundenden Notar geraten sein ließ, zu versuchen, eine Stellungnahme der Stationsärztin zur Geschäftsfähigkeit des Erblassers einzuholen.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.01.2013, 3 Wx 27/12



Lichter Moment bei der Errichtung eines Testaments durch einen Demenzkranken

Liegt aufgrund einer chronisch-progredienten Demenz Testierunfähigkeit vor, ist ein „luzides Intervall“ (lichter Moment) praktisch ausgeschlossen.

OLG München, Beschluss vom 01.07.2013, 31 Wx 266/12



Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen gegenüber dem testierunfähige Ehegatten

Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament kann auch gegenüber einem testierunfähigen Ehegatten erklärt werden. Es genügt der Zugang der notariell beurkundeten Willenserklärungen an einen für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellten Ersatzbetreuer, auch wenn dieser ein Abkömmling des Erblassers ist.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.06.2013, 5-15 W 764/13



Herausgabe eines Geschenkes von Dritten bei einer den Vertragserben beeinträchtigenden Schenkung

Bei einer den Vertragserben beeinträchtigenden Schenkung kann die Herausgabe des Geschenks gemäß § 2287 BGB auch von einem Dritten, der den Gegenstand unentgeltlich vom Beschenkten erlangt hat, unter den Voraussetzungen des §§ 822 BGB verlangt werden.

BGH, Urteil vom 20.11.2013, IV ZR 54/13



Zur Wechselbezüglichkeit von Verfügungen von Todes wegen

Bei einem gemeinschaftlichen Testament steht die jeweilige Erbeinsetzung der Kinder des Erblassers als Schlusserben und jeweilige Einsetzung des Ehepartners zum Alleinerben nach dem Erstversterbenden im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit.

Die Wechselbezüglichkeit entfällt nicht dadurch, dass im gemeinschaftlichen Testament ausgeführt ist, der Überlebende soll berechtigt sein, „frei und unbeschränkt über den Nachlass zu verfügen“. Durch eine solche Formulierung wird lediglich der Wille der Testierenden bekräftigt, dass der Längstlebende bei Verfügungen über das Nachlassvermögen unter Lebenden nicht beeinträchtigt sein soll.

OLG Köln, Beschluss vom 09.08.2013, 2 Wx 198/13



Folgen der Ausschlagung des überlebenden Ehegatten für die Erbeinsetzungen von einseitigen Verwandten im gemeinschaftlichen Testament

Setzen Ehegatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben sowie jeweils einseitig mit ihnen verwandte Personen gemeinsam als Erben des Letztversterbenden ein und schlägt der überlebende Ehegatte nach dem Tode des Erstversterbenden aus, kann die Schlusserbeneinsetzung regelmäßig nicht als Ersatzerbeneinsetzung auf den Nachlass des Erstversterbenden ausgelegt werden; für seinen Nachlass tritt dann gesetzliche Erbfolge ein.

OLG Hamm, Beschluss vom 14.03.2014, I-15 W 136/13