Erhöhte Haftung des Linksabbiegers im Straßenverkehr

27.07.2012, Autor: Herr Frank Brüne / Lesedauer ca. 2 Min. (1789 mal gelesen)
Wer mit seinem Fahrzeug an einer Kreuzung links abbiegen möchte und dabei in einen Unfall mit einem entgegenkommenden Fahrzeug verwickelt wird, haftet auch dann, wenn er selbst bei grüner Ampel fuhr und der Entgegenkommende bei spätem Gelb oder sogar bei Rot die Kreuzung querte.

Wer mit seinem Fahrzeug an einer Kreuzung links abbiegen möchte und dabei in einen Unfall mit einem entgegenkommenden Fahrzeug verwickelt wird, haftet auch dann, wenn er selbst bei grüner Ampel fuhr und der Entgegenkommende bei spätem Gelb oder sogar bei Rot die Kreuzung querte. Dies hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe in einem Urteil zu Beginn des Jahres 2012 entschieden (Aktenzeichen VI ZR 133/11).

Wartepflicht gegenüber Gegenverkehr
Im Fall des BGH war es zu einer klassischen Kollision zwischen einem Linksabbieger und dem entgegenkommenden, geradeausfahrendem Verkehrsteilnehmer gekommen. Im gerichtlichen Rechtsstreit hatte der Linksabbieger vor dem Landgericht Darmstadt auf Schadensersatz, Ersatz der Sachverständigenkosten sowie seiner Anwaltskosten geklagt. Diese Klage wurde abgewiesen. In der Berufung jedoch gestand das Oberlandesgericht dem Linksabbieger zumindest anteilige Ansprüche in Höhe von 50% sowie Ersatz der Sachverständigenkosten zu, da beide Unfallbeteiligte gegen Verkehrsvorschriften verstoßen hätten: Der Linksabbieger habe gegen seine gesetzliche Wartepflicht verstoßen, der Geradeausfahrende war erst bei Gelb oder sogar schon bei Rot in die Kreuzung eingefahren, sodass eine Quotelung des Verschuldens anzunehmen sei.

BGH sieht Linksabbieger im Unrecht
Gegen diese Entscheidung wehrten sich der Geradeausfahrende sowie seine Versicherung und gingen in die nächste Instanz zum BGH, um zu erreichen, dass das Urteil des Landgerichtes wiederhergestellt würde. Die Karlsruher Richter sahen den Verschuldensanteil des Linksabbiegers am Unfall als viel schwerwiegender als den des Unfallgegners an: Zunächst sei nicht bewiesen, sondern nur möglich, dass der Unfallgegner bei Rot über die Ampel gefahren sei – zudem wiege die Missachtung der Wartepflicht durch den Linksabbieger schwerer als der Gelblichtverstoß des Unfallgegners, auch dann, wenn der Geradeausfahrende bei beginnender Rotphase in die Kreuzung einfahre. Der BGH verwies den Fall daher wieder an das OLG zurück, um ihn unter Berücksichtigung dieser Aspekte neu zu verhandeln.

Kosten häufiger Streitpunkt beim Unfall

Der BGH-Fall zeigt vor allem zwei Dinge: Zunächst einmal wurde Rechtssicherheit für Unfallkonstellationen mit einem Linksabbieger geschaffen. Fährt der geradeausfahrende Unfallgegner nicht bei Rot über die Ampel, so wiegt der Verstoß gegen die Wartepflicht durch den Linksabbieger schwerer als etwaig überhöhte Geschwindigkeit oder ein Gelblichtverstoß.
Zudem zeigt der Fall aber auch, dass weiterhin die Kosten für Sachverständige, Anwälte und nicht zuletzt der Schadensersatz bei Unfällen immer wieder eine große Rolle spielen. Die gegenläufigen Entscheidungen der Gerichte im aktuellen Fall verdeutlichen die Unsicherheiten, die auch bei der Rechtsprechung bei der Aufteilung der Haftungsanteile bestehen können. Für Unfallbeteiligte kann es sich also durchaus lohnen, ihre Klage bei einem belastendem Urteil in die nächste Instanz zu tragen.

Frank Brüne
Rechtsanwalt,
Steuerberater