Hartz IV: Was wird als Einkommen angerechnet?

04.06.2019, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 4 Min. (3490 mal gelesen)
Hartz IV: Was wird als Einkommen angerechnet? © Bu - Anwalt-Suchservice

Hartz IV-Empfänger müssen jeden Euro zweimal umdrehen. Haben sie ein Einkommen, wird ihnen dieses angerechnet und verringert die Leistungen. Welche Einkünfte aber gelten als Einkommen?

Hat ein Empfänger von Arbeitslosengeld II (“Hartz IV”) Einkünfte – zum Beispiel, weil er arbeitet – werden ihm diese als Einkommen angerechnet und verringern die Leistungen des Jobcenters.

Welche Einkünfte werden angerechnet?


Laut § 11 Abs. 1 des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) werden grundsätzlich sämtliche Einnahmen in Geld angerechnet. Dazu gehören zum Beispiel:

- Einnahmen aus Arbeit (selbstständig oder nichtselbstständig),
- Entgeltersatzleistungen (z. B. Elterngeld, Krankengeld, Arbeitslosengeld),
- Kindergeld,
- Leistungen für Auszubildende, Schüler oder Studenten (BAföG, Ausbildungsgeld, Berufsausbildungsbeihilfe),
- Unterhaltszahlungen,
- Zinsen und Kapitalerträge,
- Einnahmen aus Vermietung oder Verpachtung,
- einmalige Einnahmen (etwa eine Erbschaft oder Steuererstattung).

Nicht angerechnet werden nach § 11a SGB II unter anderem:

- Grundrente,
- Renten oder Beihilfen wegen Verletzungen oder körperlichen Schäden bis zur Höhe der Grundrente,
- Entschädigungen wegen eines Schadens, der kein Vermögensschaden ist (Schmerzensgeld).

Welche Einkommensbestandteile werden nicht berücksichtigt?


Vom Einkommen abgezogen werden können:

- Steuern,
- Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung,
- Werbungskosten (also Kosten, die dem Einkommenserwerb dienen, wie Fahrtkosten),
- Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen in angemessener Höhe, soweit diese gesetzlich vorgeschrieben sind,
- steuerlich geförderte Beiträge zur Altersvorsorge,
- Beträge zur Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht.

Diese Beträge können vom anzurechnenden Einkommen abgezogen werden, wodurch sich dieses verringert. Die Kürzung der ALG II-Leistungen fällt dadurch dementsprechend geringer aus.

Übt ein Leistungsempfänger eine Erwerbstätigkeit aus, werden ihm statt Versicherungsbeiträgen, Altersvorsorgekosten und Werbungskosten pauschal 100 Euro im Monat von seinem Erwerbseinkommen abgezogen. Liegt sein Einkommen über 400 Euro, kann er jedoch nachweisen, dass er für diese Punkte höhere Ausgaben hat.

Welche Freibeträge gibt es bei Erwerbseinkünften?


Bei Einnahmen aus einer nichtselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit gibt es nach § 11b SGB II Freibeträge, die Leistungsempfängern nicht angerechnet werden.

Diese belaufen sich
1. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 1.000 Euro beträgt, auf 20 Prozent und
2. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 1.000 Euro übersteigt und nicht mehr als 1.200 Euro beträgt, auf 10 Prozent.
Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die entweder mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft leben oder die mindestens ein minderjähriges Kind haben, werden aus den 1.200 Euro allerdings 1.500 Euro.

Was gilt für einen Glücksspielgewinn?


Ein Leistungsempfänger-Paar hatte in einem Glücksspiel ein Auto gewonnen. Nach einiger Zeit verkauften sie das Fahrzeug. Das Jobcenter war zwar von Anfang an informiert, reagierte aber erst beim Verkauf und sah den Erlös als Einkommen an. Das Jobcenter forderte daher gewährte Leistungen zurück.
Das Sozialgericht Mainz entschied: Grundsätzlich ist ein gewonnenes Auto Einkommen und mindert den Anspruch auf ALG II. Hier müssten die Kläger jedoch nichts zurückzahlen: Der Zahlungsbescheid nach Gewinn des Autos sei rechtswidrig gewesen, da das Auto darin noch nicht berücksichtigt worden sei. Daher durften die Kläger darauf vertrauen, dass ihnen die bewilligten Leistungen zustanden und mussten sie daher auch nicht erstatten (Urteil vom 6.5.2014, Az. S 15 AS 132/11).

Einkommensanrechnung des "unechten Stiefvaters”


Seit 2006 gilt: Lebt ein unverheiratetes Kind mit einem Elternteil und dessen neuem Partner in einer Bedarfsgemeinschaft zusammen und erhält ALG II, so ist beim Einkommen der Bedarfsgemeinschaft auch das Einkommen des neuen Partners der Mutter einzurechnen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Eine Verfassungsbeschwerde gegen diese Regelung nahm das Bundesverfassungsgericht gar nicht erst zur Entscheidung an (29.5.2013, Az. 1 BvR 1083/09).

Ist Elterngeld als Einkommen anzurechnen?


Seit 1.1.2011 wird Elterngeld als ein die Leistung minderndes Einkommen bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende angerechnet. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. So entschied das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 12.3.2013, Az. L 6 AS 623/11).
Auch das Bundessozialgericht schloss sich dieser Ansicht an (01.12.2016, Az. B 14 AS 28/15).

Was gilt für Kindergeld?


Wie oben erwähnt, ist Kindergeld anzurechnen. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Die Verfassungsbeschwerde einer Familie wurde abgewiesen (Beschluss vom 11.3.2010, Az. 1 BvR 3163/09).

Ist Taschengeld Einkommen?


Nach einer Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf ist Taschengeld kein Einkommen. Ein Hilfebedürftiger, der monatlich 50 Euro Taschengeld von seiner Großmutter bekam, durfte das Geld ohne Anrechnung auf sein ALG II behalten (Urteil vom 7.6.2017, Az. S 12 AS 3570/15).

Was gilt für Trinkgelder?


Bekommen ALG II-Aufstocker bei ihrer Tätigkeit Trinkgelder, gelten diese als Einkommen und müssen angerechnet werden. So entschied das Sozialgericht Landshut (Urteil vom 27.9.2017, Az. S 11 AS 261/16).
Achtung: Hier ist die Rechtsprechung nicht einheitlich. So hat das Sozialgericht Karlsruhe entschieden, dass die Trinkgeldeinnahmen von Hartz IV-Empfängern nicht auf deren Einkommen angerechnet werden dürfen. Das Geben von Trinkgeld sei nämlich eine freiwillige Leistung und beruhe nicht auf einer rechtlichen oder sittlichen Verpflichtung. Eine Anrechnung habe zu unterbleiben, solange das Trinkgeld etwa zehn Prozent der Hartz IV-Bezüge oder eine Summe von 60 Euro im Monat nicht übersteige (Urteil vom 30.3.2016, Az. S 4 AS 2297/15).

Was gilt für Schadensersatz?


Das Bundessozialgericht hat sich mit dem Fall eines Leistungsempfängers befasst, dem wegen einer vor seiner Hartz IV-Zeit gegen ihn begangenen Unterschlagung von einem Gericht ein Schadensersatz zugesprochen wurde. Der Mann war als Selbstständiger durch Unterschlagung von Baumaterial und Baumaschinen geschädigt worden. Der vom Täter zu leistende Schadensersatz musste laut Bundessozialgericht nicht als Einkommen angerechnet werden. Hier handle es sich vielmehr um Vermögen, das nur bei Überschreitung der gesetzlichen Freibeträge anzurechnen sei (Urteil vom 9.8.2018, Az. B 14 AS 20/17 R).

Ist Schmerzensgeld anzurechnen?


Das Bundessozialgericht hat die Anrechnung von Schmerzensgeld nach einer Körperverletzung abgelehnt: Werde es auf Hartz IV angerechnet, so liege darin eine “besondere Härte” für den Leistungsbezieher (Urteil vom 15.4.2008, Az. B 14/7b AS 6/07 R).

Praxistipp


Die Anrechnung von Einkünften bei Hartz IV sorgt für eine Kürzung von ALG II-Leistungen. Nicht alle möglichen Arten von Einkünften sind klar gesetzlich geregelt. Die Jobcenter versuchen zum Teil offenbar, gesetzlich von der Anrechnung ausgenommene Einkünfte wie Schmerzensgeld trotzdem anzurechnen. Bei entsprechenden Streitigkeiten mit dem Jobcenter kann ein Fachanwalt für Sozialrecht helfen. Menschen mit geringem Einkommen können die staatliche Beratungskostenhilfe bzw. im Klagefall Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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