Impfschaden: Haben Geimpfte Anspruch auf Entschädigung?

15.03.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 6 Min. (4657 mal gelesen)
Impfung,Impfschaden,Entschädigung Welche Rechte haben von Impfschäden Betroffene? © - freepik

Im Zuge der Corona-Impfungen kam und kommt es mit den verschiedenen Impfstoffen zu unterschiedlichen Komplikationen. Welche Rechte haben Geimpfte, die von einem Impfschaden betroffen sind?

Für Impfungen gilt generell: Negative gesundheitliche Auswirkungen sind zwar relativ selten, aber nicht ausgeschlossen. Zwar beschränken sich die Nebenwirkungen bei den neuen Impfstoffen gegen COVID-19 meist auf ein leichtes Brennen der Haut an der Einstichstelle, Kopfschmerzen, leichtes Fieber oder Grippesymptome, die bald wieder vergehen. Im Vergleich zu herkömmlichen Impfstoffen werden aber relativ viele Fälle von schweren Nebenwirkungen in Form von Autoimmunerkrankungen, dem Guillain-Barre-Syndrom, Thrombosen, Allergien, Herzerkrankungen bis hin zum Tod beobachtet.

Lesen Sie speziell mit Blick auf die Problematik zu Impfschäden nach einer COVID-19-Impfung auch unseren Rechtstipp Corona-Impfschäden: Wann haftet der Staat für Impfnebenwirkungen?

In Deutschland verfolgt das Paul-Ehrlich-Institut solche Entwicklungen. Es hat vom Corona-Impfstart an bis Ende Februar 2021 insgesamt 67 Fälle von Anaphylaxie gezählt, also einen allergischen Schock als Impfreaktion, bei dem es zu Herz-Kreislauf-Problemen kommen kann. Beim Wirkstoff Astra-Zeneca gibt es nun Berichte über Blutgerinnsel im Hirn nach der Impfung. Auch hier handelt es sich um sehr wenige Fälle, allerdings haben diese in verschiedenen Ländern und - Stand 15.03.2021 - nun auch in Deutschland zu einem vorläufigen Impfstopp mit diesem Impfstoff bis zur genaueren Klärung geführt.

In den Jahren 2009 bis 2011 wurde gegen die Schweinegrippe geimpft. Diese Impfung kann die Schlafkrankheit auslösen. In Deutschland zählte das Paul-Ehrlich-Institut 86 Verdachtsfälle, einige davon landeten vor Gericht.

Was gilt als Impfschaden?


Das ist in § 2 Nr. 11 IfSG (Infektionsschutzgesetz) definiert: "Die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung; ein Impfschaden liegt auch vor, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde."

Welche Ansprüche stehen Betroffenen gegen den Staat zu?


Für Impfschäden, welche die nachfolgend genannten Voraussetzungen erfüllen, besteht gegen den Staat ein Anspruch auf verschuldensunabhängige Entschädigung in Form von Versorgungsleistungen. Diese können unter anderem die Kosten einer Heilbehandlung bzw. Krankenbehandlung umfassen, aber auch eine Beschädigtenrente, Versorgungskrankengeld, Pflegezulage, Bestattungsgeld, Hinterbliebenenrente bedeuten. Die Regelung dazu findet sich in § 60 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).

Eine solche Versorgungsleistung gibt es, wenn eine Impfung

1. von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde,
2. auf Grund des Infektionsschutzgesetzes angeordnet wurde,
3. gesetzlich vorgeschrieben war oder
4. auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist.

Bei der von staatlichen Stellen empfohlenen und organisierten COVID-19-Impfung sind diese Voraussetzungen erfüllt.

Welche Entschädigung bekomme ich bei einem Impfschaden?


Wer einen Impfschaden erlitten hat, kann "wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung" einen Antrag auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz stellen, das hier entsprechend angewandt wird.

Berufsschadensausgleich Impfgeschädigte haben einen Anspruch auf einen Ausgleich ihrer beruflichen Einnahmeausfälle (§ 30 ff. Bundesversorgungsgesetz). Dieser Ausgleich beträgt 42,5 Prozent des nach einer besonderen Formel berechneten Einkommensverlustes. Wenn dies günstiger ist, kann dieser Schadensersatz auch nach einer anderen Vorschrift berechnet werden. Dabei wird dann ein Vergleichseinkommen gebildet, von dem bestimmte Beträge abgezogen werden, wie etwa eine nach dem Bundesversorgungsgesetz gezahlte Ausgleichsrente.

Grundrente Je nach Grad der Schädigung können Betroffene eine monatliche Rente erhalten, die zwischen 156 Euro und 811 Euro im Monat liegt. Bei "schwerbeschädigten" Personen über 65 Jahren kommen je nach Alter 32 bis 48 Euro dazu.

Ausgleichsrente Geschädigte, die infolge des Impfschadens keinen Beruf mehr ausüben können, erhalten je nach Schädigungsgrad eine Rente von 499 bis 811 Euro.

Grundrente, Ausgleichsrente und Berufsschadensausgleich können je nach Fallgestaltung auch zusammen gezahlt werden, unter Umständen kommen noch Zulagen etwa in Form einer Pflegezulage dazu. Hier ist dann in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die jeweilige Leistung vorliegen.

Hinzukommen können auch Leistungen der Heil- und Krankenbehandlung oder Kostenerstattung für Hilfsmittel wie ein Spezialbett.

Wo stellt man den Antrag auf Entschädigung?


Wo der Antrag auf Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz zu stellen ist, richtet sich nach den Regeln des jeweiligen Bundeslandes. In Bayern wäre dies etwa das "Zentrum Bayern Familie und Soziales" (ZBFS), in Sachsen der Kommunale Sozialverband (KSV). Generell ist das Versorgungsamt des jeweiligen Bundeslandes der zuständige Ansprechpartner.

Urteil: Impfschaden nach Hepatitis-Impfung


Das Sozialgericht Dortmund hat sich mit dem Fall eines zweijährigen Jungen befasst, der von seiner Kinderärztin gegen Hepatitis A und B geimpft worden war und danach an den Folgen eines Guillain-Barre-Syndroms mit Restlähmungen in den Beinen und einer Fußfehlstellung litt. Hier ging es um eine staatliche Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz und dem Bundesversorgungsgesetz.

Das Gericht hat das nach einer Hepatitis B – Impfung auftretende Gullian-Barre-Syndrom als Impfschaden anerkannt und den Landschaftsverband Westfalen-Lippe zur Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz verurteilt.

Zuvor hatte der Landschaftsverband die Entschädigung abgelehnt, weil seiner Meinung nach nicht feststand, dass die Impfung die Erkrankung ausgelöst hatte. Das sah das Sozialgericht Dortmund anders: Auf Grund medizinischer Beweiserhebung sei eine Ursächlichkeit der Hepatitis-B-Impfung für das Guillain-Barre-Syndrom zu bejahen. Es handle sich hier um eine von der medizinischen Wissenschaft für möglich gehaltene Impfkomplikation, die sich in diesem Fall mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit realisiert habe. Komplikationen durch eine gleichzeitige Grippeerkrankung des Jungen seien in Hinblick auf seine Laborwerte unwahrscheinlich (Urteil vom 13.11.2013, Az. S 7 VJ 601/09).

Ist Narkolepsie nach Schweinegrippe-Impfung ein Impfschaden


Das Sozialgericht Koblenz hat 2018 entschieden, dass eine nach einer Schweinegerippe-Impfung aufgetretene Narkolepsie (Schlafkrankheit) als Impfschaden anzuerkennen ist. Es bestehen also Entschädigungsansprüche gegen den Staat nach dem Infektionsschutzgesetz (Sozialgericht Koblenz, Urteil vom 5.4.2018, Az. 4 VJ 4/15).

Muss der Impfschaden für eine Entschädigung nachgewiesen werden


Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat im Januar 2021 die Klage eines Soldaten, der vor dem Hintergrund eines Auslandeinsatzes gegen Gelbfieber geimpft wurde und anschließend über eine Verlangsamung der Augenbewegungen, Schwindel, Sprachprobleme und Unbeweglichkeit geklagt hatte, abgewiesen. Die Richter argumentierten, das Vorliegen eines Impfschadens sei nach gesicherten medizinischen Forschungsergebnissen zu beurteilen. Die bloße Möglichkeit einer Schädigung durch den Impfstoff reiche dafür nicht aus. Mehrere ausführliche Gutachten hatten im konkreten Fall ergeben, dass ein Zusammenhang mit der Gelbfieberimpfung unwahrscheinlich ist (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.01.2021, Az. L 10 VE 11/16).

Was zahlen Versicherungen bei Impfschäden?


Die reinen Behandlungskosten werden offenbar von manchen gesetzlichen Krankenkassen übernommen. So haben etwa die Techniker Krankenkasse und der AOK Bundesverband bestätigt, dass sie Behandlungskosten für Impfschäden infolge einer Corona-Impfung übernehmen. Insoweit geht es aber nur um die reinen Behandlungskosten, nicht um Folgekosten oder Schadensersatz.

Ansprüche auf Versicherungsleistungen können sich auch aus einer privaten Unfallversicherung, einer Berufsunfähigkeitsversicherung oder bei Tod des Geimpften aus einer Lebensversicherung ergeben. Insoweit kommt es darauf an, ob Impfschäden vom Versicherungsvertrag umfasst sind und ob es Ausschlüsse für bestimmte Impfungen gibt. Hier heißt es genau hinzuschauen!

Kann ich wegen eines Impfschadens auf Schadensersatz klagen?


Natürlich gibt es auch die Möglichkeit einer Schadensersatzklage. Diese setzt voraus, dass jemand nachweislich einen Fehler gemacht hat.

Impfstoffhersteller haften grundsätzlich nach dem Produkthaftungsgesetz. Für die Corona-Impfstoffe sind die Hersteller durch den Staat von der Haftung freigestellt worden. Als weitere Anspruchsgrundlagen können aber auch das Arzneimittelgesetz und das allgemeine Schadensersatzrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches herangezogen werden (§ 823 BGB).

Ärzte oder Impfpersonal haften, wenn sie schuldhaft einen Fehler begehen und dadurch der Geimpfte geschädigt wurde (sogenannte Arzthaftung). Ein solcher Fehler könnte zum Beispiel vorliegen, wenn sich das Impfpersonal nicht nach Vorerkrankungen oder Allergien erkundigt und deswegen dann Komplikationen auftreten. Hier kommt es dann sehr auf den Einzelfall an. Bei der Arzthaftung spielen medizinische Gutachten meist eine wichtige Rolle.

Wer auf Schadensersatz klagen will, sollte mit einem öffentlich-rechtlichen Entschädigungsantrag gegen den Staat vorsichtig sein: Unter Umständen werden mit der Antragstellung die Schadensersatzansprüche des Betreffenden gegen Dritte an den Staat abgetreten. Hier sollte man sich unbedingt zunächst über die Folgen der Antragstellung informieren.

Zur Frage, ob Betroffene mit einem Impfschaden einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Staat haben, lesen Sie bitte unseren Artikel Corona-Impfschäden: Wann haftet der Staat für Impfnebenwirkungen?

Praxistipp zur Entschädigung bei Imfpschäden


Entschädigungsansprüche nach einem Impfschaden können sich kompliziert gestalten. In den meisten Fällen sind staatliche Stellen zur Zahlung von Versorgungsleistungen nach dem Infektionsschutzgesetz nicht bereit. Auch die Impfstoffhersteller und Versicherungen werden einen Anspruch in aller Regel bestreiten. Ein Fachanwalt für Medizinrecht kann prüfen, welche Ansprüche im Einzelfall bestehen und zum sinnvollsten Vorgehen raten.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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