Kein Führerscheinentzug bei fehlenden alkohol- oder BTM-bedingten Ausfallerscheinungen!

04.04.2012, Autor: Herr Sven Skana / Lesedauer ca. 2 Min. (2809 mal gelesen)
Im vorliegenden Fall hatte der Betroffene ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr unter alkoholischer Wirkung (0,95 Promille) und mit 3,8 ng/ml Kokain im Blut geführt. Das Gericht stellte fest, dass das Reaktionsvermögen des Angeklagten aufgrund des Zusammenwirkens von Alkohol und Drogen beeinträchtigt gewesen ist.

Der Betroffene wurde wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von dreißig Tagessätzen zu je 15,- € (insgesamt 450 €) verurteilt. Des Weiteren wurde sein Führerschein eingezogen und es durfte ihm vor Ablauf von sechs Monaten kein neuer Führerschein durch die Behörde erteilt werden.

Nach dem Strafgesetzbuch wäre dies gerechtfertigt, wenn der Fahrer infolge des Genuss alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr sicher zu führen. Dies ist stets immer dann anzunehmen, wenn beim Fahrer zum Zeitpunkt der Fahrt ein Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille oder mehr besteht. Liegt jedoch die alkoholische Beeinflussung unter dem genannten Wert - wie hier - oder beeinflussen den Fahrer „andere berauschende Mittel“, so müssen weitere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die Leistungsfähigkeit des Fahrzeugführers so erheblich eingeschränkt ist, dass ein sicheres Führen des Fahrzeugs über eine längere Strecke sowie beim Auftreten ggf. von unübersichtlichen Verkehrssituationen nicht mehr gewährleistet werden kann.
In so einem Fall muss das Urteil bzgl. einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr stets Angaben zum äußeren Verhalten des Fahrzeugsführers enthalten, die wiederum auf die tatsächliche Fahruntüchtigkeit hinweisen. Solche äußeren Verhaltensweisen sind meist bei einer leichtsinnigen, unbedachten Fahrweise sowie bei einer rauschbedingten Kritiklosigkeit anzunehmen. Allerdings kann auch mangelnde Körperbeherrschung wie z.B. Schwanken etc. ein Anzeichen dafür sein.
Es ist allein nicht ausreichend, wenn das Gericht die Feststellung trifft, dass das Reaktionsvermögen des Angeklagten beeinträchtigt war; er nicht die Fähigkeit besaß, die Verkehrslage konkret einzuschätzen sowie seine Leistungsfähigkeit überschätzte. Dies ist allein nicht ausreichend für den Nachweis der Fahruntüchtigkeit.
Somit stellt z.B. das „Übersehen“ eines Stoppschildes kein alkoholtypischen Fahrfehler dar! Ein solche Fehlverhalten kann nämlich jedem Fahrzeugführer passieren. Zudem liegt der Fahrfehler hier im Nichtbeachten der entsprechenden Beschilderung, sodass nichts darauf hindeutet, dass die Ursache in der alkohol- und betäubungsbedingten Beeinflussung des Betroffenen gelegen hat. Hier war der Betroffene jedoch noch wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit (relativ milde) zu bestrafen.

Hinsichtlich des Strafvorwurfs war das Verfahren jedoch einzustellen (KG Berlin, Beschluss v. 15.09.2011).

Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass das oben geschilderte Urteil nicht verallgemeinerungsfähig ist. Vielmehr bedarf es einer genauen Prüfung des Einzelfalls, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Der Autor Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten im Betäubungsmittelrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Roscher, Johlige & Partner in Berlin, Kurfürstendamm 173-174, 10 707 Berlin, Tel: 030/886 81 505.