Keine Wohnraumkündigung „im Doppelpack“

17.11.2017, Autor: Herr Anton Bernhard Hilbert / Lesedauer ca. 3 Min. (240 mal gelesen)
Mit einer bewährten Anwaltsmethode bricht das Berliner Landgericht, nämlich mit der neben der fristlosen Kündigung erklärten ordentlichen Kündigung. Es schützt damit den zahlungssäumigen Mieter, allerdings mit fragwürdiger Begründung.

Der Zahlungsverzug des Mieters ist der häufigste Anlass für die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Der Vermieter ist berechtigt, dann von diesem scharfen Schwert Gebrauch zu machen, wenn sich der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Monate mit der Zahlung von mehr als einer Miete in Verzug befindet.

Es liegt auf der Hand, dass in diesem Fall der Mieter seine vertraglichen Pflichten in nicht unerheblichem Umfang verletzt. Das, die nicht unerhebliche schuldhafte Vertragsverletzung, ist Voraussetzung für eine ordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist.

Wer Anlass zur fristlosen Kündigung gibt, darf erst recht ordentlich gekündigt werden. Und natürlich ist es so, dass derjenige, der fristlos kündigt, für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung zumindest die ordentliche Kündigung in aller Regel verwirklicht sehen will. Wer will denn schon ein Dauerschuldverhältnis mit einem pflichtvergessenen Vertragspartner fortsetzen?

Soweit jedenfalls die allgemeine Meinung.

Wegen einer Besonderheit im Mietrecht begnügen sich Vermieter-Anwälte nicht allein mit der fristlosen Kündigung in der Annahme, sie enthalte zugleich mindestens auch die ordentliche Kündigung. Vielmehr sprechen sie auch zusätzlich die ordentliche Kündigung aus. Denn die fristlose Kündigung kann der Mieter pulverisieren, indem er den Mietrückstand in gesetzlicher Frist vollständig bezahlt. Diese Möglichkeit gilt aber bei der ordentlichen Kündigung (bisher) nicht.

Das war die langgewohnte und professionell eingeübte Konstellation, die dem Landgericht Berlin in seiner Entscheidung vom 13.10.2017 (66 S 90/17) zu Grunde lag. Der Mieter geriet mit der Zahlung der Miete für Juni und Juli 2016 in so großen Rückstand, dass die fristlose Kündigung gerechtfertigt war. Deshalb kündigten die Vermieter am 11.07.2016 den Mietvertrag fristlos mit sofortiger Wirkung und hilfsweise mit gesetzlicher Frist wegen nicht unerheblicher Vertragspflichtverletzung.

Nach Zugang des Kündigungsschreibens zahlte der Mieter den Rückstand vollständig. Damit fiel kraft Gesetzes die fristlose Kündigung weg, und zwar mit Rückwirkung.

Die Vermieter hielten jedoch verständlicherweise an der ordentlichen Kündigung fest. Da der Mieter nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist nicht auszog, erhoben die Vermieter Räumungsklage und hatten in erster Instanz erwartungsgemäß Erfolg. Der Mieter gab nicht auf und legte Berufung ein. Damit gewann er zu aller Überraschung dann doch den Prozess.

Das Landgericht Berlin war der Auffassung, mit dem Zugang der fristlosen Kündigung sei der Mietvertrag unmittelbar beendet worden. Deshalb gehe eine zugleich hilfsweise erklärte Kündigung mit ordentlicher Frist ins Leere, sozusagen ins juristische Vakuum.

Sie sei nicht zu berücksichtigen. Maßgebend sei nur die fristlose Kündigung, die aber durch die Nachzahlung des Rückstandes weggefallen sei. Der Wegfall der fristlosen Kündigung führe nicht dazu, dass die ordentliche Kündigung wieder auflebe.

Ob diese Entscheidung so richtig ist, darf bezweifelt werden. Mutig ist sie jedenfalls, stellt sie sich doch offensiv gegen die bisherige einheitliche Rechtsprechung und flickt darüber hinaus dem Bundesgerichtshof am juristischen Zeug. Zumindest hat das Landgericht Berlin die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Das Ende ist damit noch offen.

Richtig ist, dass es sich bei einer Kündigung, die fristlos und hilfsweise mit gesetzlicher Frist ordentlich ausgesprochen wird, nicht um zwei Kündigungserklärungen handelt, sondern nur um eine einheitliche Kündigung. Diese einheitliche Kündigung hat das Gericht zu beurteilen. Ist es der Auffassung, die Pflichtverletzung sei so schwer, dass das Mietverhältnis mit Zugang der fristlosen Kündigung beendet ist, braucht es in der Tat die in der fristlosen Kündigung enthaltene ordentliche Kündigung nicht mehr. Das wirkt sich beispielsweise dann aus, wenn das Gericht meint, die Pflichtverletzung des Mieters reiche nicht für eine fristlose, wohl aber immerhin für eine ordentliche Kündigung. So verhält es sich dann aber auch, wenn die fristlose Kündigung durch Zahlung in ihrer Wirkung wegfällt. Dann bleibt die einheitliche Kündigung als ordentliche Kündigung erhalten.

Ob sich die Auffassung des Landgerichts Berlin durchsetzen wird, bleibt also fraglich. Sollte dies zutreffen, müssten die Vermieter zu einem „Kniff“ greifen. Sie müssten zunächst ordentlich mit gesetzlicher Frist kündigen, diese ordentliche Kündigung muss dem Mieter zu gehen. Anschließend, möglichst am nächsten Tag, erfolgt die fristlose Kündigung. Die ordentliche Kündigung kann dann nicht ins Leere gehen, weil sie nicht auf ein durch fristlose Kündigung beendetes Mietverhältnis trifft, sondern auf ein noch bestehendes Mietverhältnis.

Ob dieser Kniff dann aber anerkannt wird, steht auf einem anderen Blatt. Man sieht jedoch, auch nach über 100-jährigen Mietrecht fallen kreativen Richtern neue Methoden an, Hauptsache, es dient dem Mieterschutz.