Pauschalreisen: Wer haftet für Unfälle bei organisierten Ausflügen?

11.08.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice
Jeep,Urlaub Reiseveranstalter haften ungern für organisierte Ausflüge am Urlaubsort. © Ma - Anwalt-Suchservice

Urlauber können bei Pauschalreisen oft zusätzliche Ausflüge und Aktivitäten vor Ort dazu buchen. Aber: Haftet der Reiseveranstalter, wenn auf der Jeep-Safari eines örtlichen Partners etwas schiefläuft?

Pauschalurlauber kennen diese Situation: Kaum ist man am Ferienort im Hotel eingetroffen, wird bereits für eine Vielzahl von Veranstaltungen und Ausflügen Werbung gemacht, für die man sich schnellstmöglich anmelden soll. Die Palette der Angebote reicht dabei von Stadtrundfahrten über Bootstouren, Reitausflüge, geführte Radtouren und Jeep-Safaris durchs Gelände bis hin zum Schnorcheln mit Mantarochen und Walhaien. Für Urlauber sind solche Aktivitäten oft unvergessliche Erlebnisse, die der Reise erst die richtige Würze geben. Nur: Auch hier kann ein Unfall stattfinden, etwa, weil der örtliche Anbieter nicht die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat oder der Urlauber einfach mit einer sportlichen oder fahrerischen Situation überfordert ist. Haftet dann der Reiseveranstalter?

Wer ist eigentlich mein Vertragspartner?


Regelmäßig findet die Buchung von Zusatzangeboten über den örtlichen Reiseleiter des Reiseveranstalters statt. Dieser weist neu angekommene Gäste meist schon bei der üblichen Begrüßung auf die Angebote der örtlichen Vertragspartner seines Unternehmens hin. Meist sind dies kleinere örtliche Anbieter. Hier stellt sich natürlich die Frage, wer nun eigentlich mit wem einen Vertrag abschließt. Viele Reiseveranstalter vertreten den Standpunkt, dass sie eine Reiseleistung lediglich vermitteln. Dann würde im Ernstfall also der örtliche Unternehmer haften. Ob dieser zahlungskräftig oder gut versichert ist, ist dann jedoch eine andere Frage. Besonders bei Personenschäden kann es schnell um große Geldsummen gehen.

Urteil des Bundesgerichtshofes: Busunfall in Ägypten


Schon 2007 beschäftigte sich der Bundesgerichtshof mit der sogenannten Vermittlerfalle bei Touristen-Ausflügen. In diesem Fall ging es um einen von Pauschalreisenden gebuchten Tagesausflug nach Kairo. Dieser endete tragisch: Der schlecht beleuchtete Ausflugsbus fuhr zu schnell und kollidierte mit einem LKW. Dabei wurden der Busfahrer und ein Sicherheitsmann getötet und mehrere Reisende verletzt. Gegenüber den Reisenden berief sich der Reiseveranstalter darauf, nur Vermittler des Ausflugs gewesen zu sein - und zahlte nicht.

Der Bundesgerichtshof erläuterte, dass Reiseveranstalter grundsätzlich nur für ihre eigenen Leistungen haften müssen. Aber: Die Entscheidung, ob im konkreten Fall eine eigene oder fremde Leistung vorliege, sei davon abhängig, wie dies aus der Sicht der Reisenden organisiert sei. Hier sei der Ausflug mit einem Werbeprospekt angepriesen worden, auf dem groß gedruckt stand “nur bei Ihrem Reiseveranstalter buchbar”. Erst im Kleingedruckten war zu lesen, dass der Veranstalter nur Vermittler sei und eine örtliche Agentur die eigentliche Verantwortung trage. Erwecke der Veranstalter nach außen hin den Eindruck, dass er verantwortlich sei, müsse er auch selbst haften – wie bei einer Eigenleistung (Urteil vom 19. Juni 2007, Az. X ZR 61/06).

BGH: Urteil zu Jeep-Safari in Bulgarien


2016 musste sich der Bundesgerichtshof erneut mit dem Thema befassen. Diesmal klagte ein Ehepaar, welches eine Pauschalreise nach Bulgarien gebucht hatte. Am Urlaubsort war ihnen eine Begrüßungsmappe mit dem Logo des Reiseveranstalters und der Überschrift "Ihr Ausflugsprogramm" überreicht worden. Darin fand sich ein Angebot für eine "Berg und Tal: Geländewagen-Tour". Unter der Liste der Ausflüge hieß es, dass der Reiseveranstalter lediglich Vermittler sei und eine örtliche Agentur die Verantwortung trage. Bei dieser seien die Ausflüge direkt per SMS oder E-Mail buchbar. Fettgedruckt stand aber darunter: “Buchen Sie bei Ihrer Reiseleitung!” Das Paar folgte der Anregung und buchte beim Reiseleiter des Reiseveranstalters die Jeep-Safari. Dabei kam es zu einem Unfall, bei dem beide verletzt wurden.

Wie haftet der Reiseveranstalter?


Nun verlangten die beiden verletzten Reisenden von ihrem Reiseveranstalter Schmerzensgeld. Dieser aber wies lediglich auf die Vertragsunterlagen hin: Aus diesen ginge hervor, dass er lediglich als Vermittler für die von der örtlichen Agentur organisierten Ausflüge auftrete. Im darauf folgenden Rechtsstreit gaben die ersten Gerichtsinstanzen dem Veranstalter recht. Sie hielten dabei die Buchungsmöglichkeit über die E-Mailadresse der örtlichen Agentur für entscheidend. Der Reiseveranstalter habe durch diesen Hinweis ausreichend deutlich gemacht, dass er nur als Vermittler fungieren wollte.

Der Bundesgerichtshof war jedoch anderer Ansicht (Urteil vom 12.1.2016, Az. X ZR 4/15). Der Reiseveranstalter könne sich nicht durch einen Hinweis im Kleingedruckten von der Haftung befreien. Bei der Frage, wer als Veranstalter von Ausflügen die Verantwortung trage, komme es auf den subjektiven Gesamteindruck des Reisenden selbst an und nicht darauf, ob der jeweilige Pauschalreiseveranstalter an irgendeiner Stelle vermerkt habe, dass er nur als Vermittler auftrete.
Schon das Einfügen des Ausflugsprogramms in eine Begrüßungsmappe mit dem Logo des Reiseveranstalters und die Überschrift "Ihr Ausflugsprogramm" seien Indizien für eine Verantwortung des Reiseveranstalters. Auch die Aufforderung, einen Ausflug bei der Reiseleitung zu buchen, könne von Reisenden so verstanden werden, dass der Reiseveranstalter hier ihr Vertragspartner werden wollte.

Welche Auswirkungen hat der Hinweis auf die fremde Mailadresse?


Der im Kleingedruckten enthaltene Hinweis auf eine Vermittlerrolle des Veranstalters und die Kontaktdaten der örtlichen Agentur war dem BGH zufolge nicht entscheidend. Diese Daten würden wegen der geringen Schriftgröße und ihrer Einbettung in den restlichen Text hinter den auffälliger gedruckten Hinweisen auf den Veranstalter zurücktreten.
Werde für einen Ausflug auf den Infotafeln des Reiseveranstalters im Hotel geworben, werde dieser von der Reiseleitung angeboten und auch bei dieser bezahlt, könne der Reisende davon ausgehen, dass der Reiseveranstalter Veranstalter des Ausflugs sei.

In welchen Fällen haftet der Reiseveranstalter nicht?


Allerdings gibt es auch Ereignisse mit Sach- oder Personenschaden auf Ausflügen, bei denen der Reiseveranstalter allenfalls eingeschränkt oder gar nicht haftet. Ein solcher Fall kann zum Beispiel vorliegen, wenn auch der örtlichen Agentur kein Vorwurf zu machen ist – etwa bei Vorkommnissen im Rahmen höherer Gewalt wie bei einem plötzlichen Unwetter. Und natürlich haftet der Veranstalter auch dann nicht, wenn er selbst den Schadensfall verursacht hat - etwa durch einen Fahrfehler oder Alkoholeinfluss.

Urteil: Unfall beim Hoteltransfer


Auch der Transfer zwischen Flughafen und Hotel wird durch örtliche Unternehmer durchgeführt. Hier kommen jedoch meist keine Diskussionen um die Vermittlerfrage auf, da der Bustransfer in der Regel eine Leistung ist, die zum Leistungspaket der gebuchten Reise gehört und von Anfang an mitgebucht und mitbezahlt ist. In einem vor dem Bundesgerichtshof verhandelten Fall ging es um eine Türkeireise mit inbegriffenem Flughafentransfer. Der Transferbus wurde auf der eigenen Fahrspur von einem Geisterfahrer gerammt. Die Reisenden wurden teilweise schwer verletzt. Sie verlangten anschließend unter anderem die Rückzahlung des Reisepreises, da sie den Unfall – durch den der Urlaub zum Krankenhausaufenthalt wurde – als Reisemangel ansahen, für den der Reiseveranstalter einstehen müsse.

Das Landgericht Düsseldorf hatte noch eine Haftung des Veranstalters abgelehnt: Der alleine von dem Geisterfahrer verschuldete Unfall sei nicht die Schuld des Reiseveranstalters, sondern gehöre zum "allgemeinen Lebensrisiko". Der Bundesgerichtshof sah das jedoch anders. Die Reiseleistung sei mangelhaft gewesen, da es dem Reiseveranstalter nicht gelungen sei, die Reisenden unversehrt ins Hotel zu bringen. Sie hätten daher keine der gebuchten Leistungen in Anspruch nehmen können. Auf ein Verschulden komme es bei der Erstattung des Reisepreises nicht an. Der Reiseveranstalter trage das Risiko, den vereinbarten Preis nicht zu erhalten, auch dann, wenn die Reise durch Umstände außerhalb seines Einflussbereiches vereitelt werde. Beide Klagen in diesem Fall waren erfolgreich (Urteile vom 6.12.2016, Az. X ZR 117/15 und X ZR 118/15).

Praxistipp


Reiseveranstalter versuchen oft, über Hinweise im Kleingedruckten um eine Haftung für Veranstaltungen vor Ort herumzukommen. Viele Kunden müssen ihr Recht dann gerichtlich einklagen. Dabei kann Ihnen ein auf das Zivilrecht und speziell auf das Reiserecht spezialisierter Rechtsanwalt behilflich sein.

(Bu)


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 Stephan Buch
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