Pflegeversicherung / Pflegeleistungen: Wie funktioniert das Pflegesystem?

25.01.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 7 Min. (367 mal gelesen)
Pflege,Pflegeversicherung,Eigenanteil,Pflegeheim,ambulant Die Leistungen der Pflegeversicherung wurden 2024 erhöht. © Bu - Anwalt-Suchservice

Immer stärker wächst die Zahl der pflegebedürftigen Menschen. Das System der Pflege wurde in den letzten Jahren in vielen Punkten geändert. Hier lesen Sie eine Einführung in das deutsche Pflegesystem und seine Leistungen.

Dem Statistischen Bundesamt zufolge waren 2018 fast drei Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig. Im Jahr 2023 waren es fünf Millionen. Rund 70 Prozent davon konnten noch zu Hause gepflegt werden. 2018 wurden 1,3 Millionen Menschen ausschließlich durch ihre Angehörigen betreut, 700.000 Pflegebedürftige durch ambulante Pflegedienste und 783.000 Menschen benötigten ständige Betreuung in einem Pflegeheim. Die Zahl der Menschen, die in der Pflege arbeiten, nimmt ebenfalls ständig zu. Trotzdem gibt es in diesem Bereich einen erheblichen Fachkräftemangel.

Pflegeversicherung: Wer ist versichert und wie viel kostet es?


Die gesetzliche Pflegeversicherung gibt es seit 1995. In ihr sind alle Mitglieder einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung beträgt seit dem 1.7.2023 3,4 Prozent des Bruttoeinkommens, bei Kinderlosen 4 Prozent. Privat Versicherte – also Arbeitnehmer oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze, Freiberufler oder Selbstständige - müssen gemäß § 1 Abs. 2 des elften Sozialgesetzbuches (SGB XI) eine private Pflegeversicherung abschließen.

Wichtig: Die Pflegeversicherung deckt nie alle Kosten ab. Es ist jedoch möglich, private Pflegezusatzversicherungen abzuschließen, um eine Finanzierungslücke zu vermeiden. Pflege im Pflegeheim kostet vierstellige Beträge im Monat.

Wenn die Pflegeversicherung nicht ausreicht, muss privates Vermögen herhalten. Sofern es keines gibt, ist der Sozialhilfeträger gefragt. Bei diesem kann "Hilfe zur Pflege" beantragt werden. Erwachsene Kinder mit einem Einkommen über 100.000 Euro im Jahr müssen damit rechnen, dass sich die Sozialbehörden die für die Pflege ihrer Eltern gezahlten Beträge von ihnen zurückholen.

Was muss man über die Pflege zu Hause wissen?


Pflegebedürftige können im Pflegefall wählen zwischen sogenannten Sachleistungen, beispielsweise Pflegeeinsätzen ambulanter Pflegedienste zu Hause, oder Geldleistungen, wie dem Pflegegeld. Dieses kommt dann pflegewilligen Angehörigen zu Gute. Sachleistungen bezahlt die Pflegeversicherung nur bis zu einem bestimmten Höchstsatz. Zusätzlich können Pflegebedürftige neben der häuslichen Pflege durch Angehörige oder Pflegedienste auch teilstationäre Leistungen der Tages- oder Nachtpflege oder vorübergehend vollstationäre Leistungen der Kurzzeitpflege beanspruchen.

Was versteht man unter Angeboten zur Unterstützung im Alltag?


Diese ergeben sich aus § 45 a Abs. 1 SGB XI. Sie können sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Dabei handelt es sich um Betreuungsangebote (Gruppenbetreuung oder Betreuung im häuslichen Bereich), Angebote der Pflegebegleitung zur Unterstützung pflegender Angehöriger und um Angebote der Alltagsbegleitung und der hauswirtschaftlichen Unterstützung für die Pflegebedürftigen.

Die Angebote zur Unterstützung im Alltag werden umgesetzt durch Organisationen wie Caritas, Rotes Kreuz, Arbeiterwohlfahrt, Malteser, Diakonie und weiteren. Sie stehen allen Pflegebedürftigen zur Verfügung. Dies wird finanziert über einen "zusätzlichen Entlastungsbetrag", den die Pflegekassen den Pflegebedürftigen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen bezahlen. Seit dem 1.1.2017 beträgt dieser insgesamt 125 Euro monatlich. Rechtsgrundlage ist § 45b Abs. 1 SGB XI.

Was leistet ein ambulanter Pflegedienst?


Pflegebedürftigen hilft ein ambulanter Pflegedienst, in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben und sich einen gewissen Grad der Selbstständigkeit zu bewahren. Ambulante Pflegedienste bieten körperliche Pflegemaßnahmen wie Körperpflege, Ernährung oder Förderung der Bewegungsfähigkeit an und helfen bei der Gestaltung des Alltags. Sie führen häusliche Krankenpflege wie etwa die Verabreichung von Medikamenten und Injektionen und Verbandswechsel durch und helfen ggf. bei der Haushaltsführung. Die Pflegeversicherung bezahlt für Pflegebedürftige mit mindestens Pflegegrad 2 die Kosten für einen Pflegedienst bei körperbezogenen Pflegemaßnahmen, pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung bis zu einer gesetzlichen Höchstgrenze. Diese ist vom Pflegegrad abhängig.

Welche neuen Wohnformen gibt es in der Pflege?


Der Mensch ist auch im Alter nicht gern alleine. Neue Wohnformen ermöglichen es, Pflegeangebote mit gemeinsamem Wohnen zu kombinieren. Das betreute Wohnen bietet oft Pflegemöglichkeiten bei Bedarf. Beim sogenannten Servicewohnen gibt es einen Mietvertrag, und eingeschränkte Zusatzangebote aus dem Versorgungs- oder Pflegebereich können hinzugebucht werden. Aber: Die genannten Begriffe sind nicht geschützt oder fest definiert. Pflegebedürftige sollten genau darauf achten, was im Angebot eingeschlossen ist und welche Leistungen die Pflegeversicherung trägt.

Es gibt auch Pflege-Wohngemeinschaften, in denen pflegebedürftige Senioren mit Gleichaltrigen zusammenleben. Jeder hat sein eigenes Zimmer und es gibt Gemeinschaftsräume. Durch einen Pflegedienst ambulant betreute Wohngruppen können von der Pflegeversicherung eine besondere Förderung erhalten, den sogenannten Wohngruppenzuschlag.

Wie hoch ist der Eigenanteil beim Wohnen im Pflegeheim?


Die Pflegeversicherung zahlt bei einer vollstationären Pflege pauschale Beträge für pflegebedingte Aufwendungen, einschließlich der Aufwendungen für Betreuung und für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Seit 1. Januar 2017 ist in jeder vollstationären Pflegeeinrichtung ein einrichtungseinheitlicher Eigenanteil für die Pflegegrade 2 bis 5 vom Pflegebedürftigen selbst zu entrichten. Die frühere Ungleichbehandlung der Pflegegrade ist damit entfallen. Betroffene mit Pflegegrad 5 haben den gleichen Eigenanteil wie solche mit Pflegegrad 2. Der Eigenanteil bleibt bei einem steigenden Pflegegrad gleich. Allerdings kann der Eigenanteil von Einrichtung zu Einrichtung unterschiedlich hoch sein. Bei vollstationärer Pflege können zusätzlich zum Pflege-Eigenanteil noch andere selbst zu zahlende Kosten anfallen: zum Beispiel für Unterbringung und Verpflegung. Pflegebedürftige sollten sich über diese Zusatzkosten vor der Wahl des Pflegeheims genau informieren.

Wer gilt als pflegebedürftig?


Seit der Pflegerechtsreform von 2017 werden Personen als pflegebedürftig angesehen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen ihrer Selbstständigkeit und ihrer Fähigkeiten haben und die daher Hilfe durch andere brauchen. Menschen mit Demenz oder anderen geistigen und psychischen Beeinträchtigungen sind solchen mit körperlichen Beeinträchtigungen gleichgestellt. Bei der Pflegebedürftigkeit kommt es nur noch darauf an, inwieweit eine Person von personeller Hilfe abhängig ist, und zwar nicht nur bei bestimmten Verrichtungen der Grundpflege, sondern in allen relevanten Bereichen der elementaren Lebensführung.

Welche Rolle spielt der Medizinische Dienst?


Ob Pflegebedürftigkeit vorliegt, hat weiterhin ein Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen zu entscheiden. 2017 haben sich allerdings die Kriterien für die Pflegebedürftigkeit geändert. Seitdem kommt es darauf an, inwieweit der Betroffene sein Leben noch selbst bewältigen kann. Entscheidend ist:

- Welche Beeinträchtigungen hat der/die Betroffene?
- Wie hoch ist sein/ihr Bedarf an Beaufsichtigung und Betreuung?
- In welchem Maße nimmt er oder sie noch an sozialen, kulturellen und außerhäuslichen Aktivitäten teil?

Pflegegrade haben Pflegestufen ersetzt


Die altbekannten Pflegestufen wurden 2017 abgeschafft und durch fünf Pflegegrade ersetzt. Der Pflegegrad 1 berücksichtigt auch geringe Einschränkungen in der Selbstständigkeit, die bis 2017 nicht zum Tragen kamen. Er wird nur bei Neueinstufungen angewendet. Wer zuvor Pflegestufe 0 hatte, bekam künftig automatisch Pflegegrad 2.

Früher hing die Pflegestufe in erster Linie davon ab, wie viele Minuten der Betroffene für Waschen oder Essen brauchte bzw. wie viele Minuten ein Angehöriger oder eine Pflegekraft ihm bei den einzelnen Verrichtungen helfen musste. Dies wurde von Gutachtern geprüft. Teilweise mussten pflegende Angehörige ein Pflegetagebuch führen, um jeden Handgriff minutengenau belegen zu können. Dieses System wurde abgeschafft. Nun gibt es ein "Neues Begutachtungsassessment". Gemeint ist damit ein Punktesystem, mit dessen Hilfe der Gutachter in verschiedenen Lebensbereichen beurteilt, wie selbstständig der Betroffene noch seinen Alltag schaffen kann.

Was zahlt die Pflegeversicherung für Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege?


Es kommt vor, dass ein Mensch nur vorübergehend Pflege benötigt – zum Beispiel nach einer schweren Operation oder während einer Erkrankung. Nicht jeder hat dann Angehörige, die sich um ihn kümmern können. Seit 2016 gibt es in solchen Fällen einen Anspruch auf Kurzzeitpflege, die von der Krankenkasse bezahlt wird. Die Kurzzeitpflege steht allen Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5 in gleicher Höhe zur Verfügung. Die Höhe der Leistung liegt bei bis zu 1.774 Euro für bis zu acht Wochen im Kalenderjahr.

Wenn eine private Pflegeperson Urlaub macht oder wegen Krankheit nicht pflegen kann, übernimmt die Pflegeversicherung für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 die nachgewiesenen Kosten einer notwendigen Ersatzpflege. Diese bezeichnet man auch als Verhinderungspflege. Die Kosten werden für längstens sechs Wochen je Kalenderjahr und bis zu einem Höchstbetrag von 1.612 Euro im Jahr übernommen.

Durch das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) werden zum 1.7.2025 die Leistungsbeträge der Verhinderungspflege und der Kurzzeitpflege zu einem Gemeinsamen Jahresbetrag nach dem neuen § 42a SGB XI zusammengefasst. Für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege steht in Zukunft ein kalenderjährlicher Gesamtleistungsbetrag von bis zu 3.539 Euro zur Verfügung. Diesen können Pflegebedürftige nach ihrer Wahl flexibel für beide Leistungsarten verwenden.

Wann gibt es Rentenbeiträge für pflegende Angehörige?


Die Pflegeversicherung zahlt für pflegende Angehörige Rentenbeiträge. Voraussetzung ist, dass die gepflegte Person mindestens den Pflegegrad 2 hat. Außerdem muss die Pflegeperson mindestens zehn Stunden in der Woche mit der Pflege beschäftigt sein. Diese Zeit muss sich auf mindestens zwei Tage verteilen. Die Pflege darf nicht mehr als 30 Stunden pro Woche in Anspruch nehmen. Bei der Pflege und auf dem Weg dorthin sind die privaten Pflegepersonen gesetzlich unfallversichert. Die Pflegeversicherung zahlt für helfende Angehörige unter bestimmten Voraussetzungen auch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.

Das Hessische Landessozialgericht fällte ein Urteil zu Gunsten einer privaten Pflegeperson. Eine Frau hatte ihre Schwiegermutter gepflegt, die nach damaliger Rechtslage Pflegegeld nach Pflegestufe I erhielt. Der Antrag der Frau auf Prüfung ihrer Rentenversicherungspflicht und die Zahlung von Versicherungsbeiträgen durch die Pflegekasse wurde abgelehnt, weil der Medizinische Dienst den Pflegeaufwand für die Schwiegermutter als zu gering ansah. Es waren jedoch nur Pauschalwerte herangezogen worden, ohne den Einzelfall zu prüfen. Das Gericht entschied aufgrund eines Pflegetagebuches der Klägerin zu deren Gunsten (Urteil vom 26.9.2013, Az. L 1 KR 72/11).

Notfall Pflegebedürftigkeit: Bekommen Angehörige frei?


Beschäftigte Angehörige haben das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akuten Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder in dieser Zeit seine pflegerische Versorgung sicherzustellen. § 2 Pflegezeitgesetz bezeichnet dies als kurzzeitige Arbeitsverhinderung. Besteht während dieser Zeit kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung vom Chef, kann auf Antrag für bis zu zehn Arbeitstage pro Jahr Pflegeunterstützungsgeld gezahlt werden. Zuständig ist die jeweilige gesetzliche oder private Pflegeversicherung.

Was hat sich zum 1. Januar 2024 in der Pflege verändert?


Das 2023 beschlossene Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) ist in Kraft getreten. Es sieht verschiedene Leistungsverbesserungen vor, die zum Teil schrittweise erfolgen. So ist das Pflegegeld zum 1. Januar 2024 um 5 Prozent angehoben worden. Die Leistungsbeträge für ambulante Sachleistungen, also häusliche Pflegehilfen durch ambulante Pflege- und Betreuungsdienste, wurden um 5 Prozent erhöht.

Zum 1. Januar 2025 werden alle Leistungsbeträge der Pflegeversicherung um 4,5 Prozent angehoben, sowohl im häuslichen wie auch im teil- und vollstationären Bereich. Das Pflegegeld und die ambulanten Sachleistungen steigen dann erneut um 4,5 Prozent. Zum 1. Januar 2028 soll eine weitere Erhöhung aller Leistungen zum Inflationsausgleich erfolgen.

Außerdem wurden ab 1. Januar 2024 die Leistungszuschläge erhöht, welche die Pflegeversicherung nach § 43c SGB XI für Pflegebedürftige ab dem Pflegegrad 2 in vollstationären Pflegeeinrichtungen übernimmt. Die Höhe der monatlichen Zuschläge hängt von der Verweildauer der Pflegebedürftigen in der vollstationären Pflege ab.

Praxistipp zur Pflege


Vor der Inanspruchnahme von Pflegeleistungen empfiehlt es sich unbedingt, genau zu klären, welche Eigenanteile und Zusatzkosten anfallen und was die Pflegeversicherung übernimmt. Kommt es zu Streitigkeiten mit der Pflegeversicherung, ist ein Fachanwalt für Sozialrecht der beste Ansprechpartner.

(Ma)


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 Ulf Matzen
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