Prozesskostenhilfe und wie man sie beantragt

08.09.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 6 Min. (2986 mal gelesen)
Prozesskostenhilfe,Beratungshilfe,Bedürftigkeit,Unterstützung Menschen mit schmaler Brieftasche hilft der Staat bei den Prozesskosten. © Rh - Anwalt-Suchservice

Viele Menschen haben kein Geld für einen Gerichtsprozess. In diesem Fall können sie jedoch Prozesskostenhilfe beantragen. Unter bestimmten Voraussetzungen trägt dann der Staat die Verfahrenskosten.

Auch Menschen mit geringem Einkommen sollen es sich leisten können, ihre Rechte vor Gericht zu verteidigen. Dafür wurde die Prozesskostenhilfe erfunden. Durch sie sind die Verfahrenskosten für das Gericht abgedeckt sowie die anfallenden Rechtsanwaltsgebühren. Es gibt die Prozesskostenhilfe für Verfahren im Zivilrecht, aber auch vor den Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialgerichten. Im Strafrecht können sie nur Nebenkläger bekommen, keine Angeklagten. Wichtige gesetzliche Regelungen zur Prozesskostenhilfe stehen in den §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO). Für internationale Verfahren innerhalb der Europäischen Union gibt es sogar eine grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe.
In Verfahren aus dem Familienrecht und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, beispielsweise über eine Betreuung, nennt man die Prozesskostenhilfe auch Verfahrenskostenhilfe. Inhalt und Zweck sind jedoch gleich. Bei vielen Vorschriften verweist das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) auf die Regelungen der Zivilprozessordnung.

Wer bezahlt die Rechtsberatung vor dem Prozess?


Häufig ist bereits vor dem eigentlichen Prozess eine Beratung durch einen Rechtsanwalt nötig. Eine vorprozessuale Rechtsberatung ist jedoch nicht von der Prozesskostenhilfe abgedeckt. Dafür gibt es andere Möglichkeiten der Unterstützung. So kann man beim örtlichen Amtsgericht einen Beratungshilfeschein beantragen, mit dem man dann einen Anwalt seiner Wahl aufsuchen kann. In einigen Bundesländern – wie Hamburg – gibt es stattdessen eine öffentliche Rechtsberatung. Diese kann man in Anspruch nehmen, wenn man keine Rechtsschutzversicherung hat und auch nicht von anderen Institutionen (etwa einem Mieterverein) Rechtsrat erhalten kann.

Wer bekommt Prozesskostenhilfe?


Prozesskostenhilfe bekommt jeder, der sich die Kosten eines Gerichtsverfahrens ganz oder teilweise nicht leisten kann – unabhängig davon, ob er klagt oder verklagt wird. Es spielt auch keine Rolle, ob es sich um eine natürliche Person oder um eine juristische (etwa ein Unternehmen) handelt. Auch Ausländer können sie in Anspruch nehmen. Allerdings gibt es besondere Regeln für grenzüberschreitende Verfahren. Die Prozesskostenhilfe muss beantragt werden. Man muss diesen Antrag begründen und erklären, warum man hilfebedürftig ist.

Was deckt die Prozesskostenhilfe ab?


Durch die Prozesskostenhilfe sind die Kosten für das eigentliche Verfahren vor Gericht abgedeckt. Das heißt: Sie umfasst die Gerichtskosten und die Gebühren des eigenen Anwalts, der dem Antragsteller vom Gericht beigeordnet wird. Letzteres muss man gesondert beantragen. Das Gericht stellt dem Betreffenden einen Rechtsanwalt zur Seite, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder erforderlich erscheint.

Wenn man den Prozess verliert, muss man regelmäßig die Kosten für den gegnerischen Rechtsanwalt tragen. Diese Kosten übernimmt die Prozesskostenhilfe nicht. Hier gibt es also unter Umständen ein erhebliches Kostenrisiko.

Das Landesarbeitsgericht Berlin - Brandenburg hat entschieden, dass einem Kläger keine Prozesskostenhilfe zustand, um einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe einzuklagen. Ein Bedürftiger könne sich vor dem Antrag auf Prozesskostenhilfe erst einmal mithilfe der Beratungshilfe über die Erfolgsaussichten beraten lassen (Az. 10 Ta 1848/13).

Muss man die Prozesskostenhilfe zurückzahlen?


Betroffene müssen die gewährte finanzielle Unterstützung in gesetzlich festgelegten Raten wieder zurückzahlen. Davon wird nur befreit, wer sich in besonders schlechten finanziellen Verhältnissen befindet. In diesem Fall übernimmt die Staatskasse die Kosten. Ab einem gewissen Streitwert bekommt der Rechtsanwalt des Betroffenen bei einem Prozesskostenhilfe-Verfahren eine geringere Vergütung, als sonst üblich.

Was ist die wichtigste Voraussetzung?


Man erhält nur dann Prozesskostenhilfe, wenn das Verfahren Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig wirkt. Als mutwillig werden Gerichtsverfahren angesehen, wenn ein Kläger, der nicht bedürftig ist, den gleichen Prozess überhaupt nicht oder nicht in dieser Weise anfangen würde. Allerdings beurteilt das Gericht den einzelnen Fall nicht "im Voraus", es prüft nur oberflächlich die Erfolgschancen der Klage.

Wo muss man die Prozesskostenhilfe beantragen?


Der Antrag ist bei dem Gericht zu stellen, das für den Fall zuständig ist und bei dem verhandelt werden soll. Zum Beispiel ist für Fälle aus dem Mietrecht immer das Amtsgericht (Zivilgericht) zuständig, ebenso für andere zivilrechtliche Streitigkeiten (etwa um Kaufverträge oder Gewährleistung) bis zum Wert von 5.000 Euro. Bei Streitigkeiten um höhere Beträge ist das Landgericht zuständig. Für Mietverhältnisse ist das Gericht zuständig, das sich am Ort der Immobilie befindet, ansonsten im Zivilprozess in der Regel das Gericht am Wohnort des Beklagten.

Welche Unterlagen sind erforderlich?


Wer Prozesskostenhilfe bekommen möchte, muss man auf der Geschäftsstelle des Gerichts einen Antrag einreichen oder diesen zu Protokoll geben. Dabei ist auch anzugeben, gegen wen und warum prozessiert werden soll. Vom Antragsteller wird außerdem eine Erklärung verlangt, in der er seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse schildert: Er muss glaubhaft machen, dass er sich den Prozess ohne staatliche Hilfe nicht leisten kann. Dabei geht es beispielsweise um die Familienverhältnisse, den Beruf, das Vermögen, das Einkommen und um Schulden. Der Antragsteller muss auch Belege für seine Angaben beibringen, insbesondere für seine prekäre Finanzlage. Übrigens: Der Prozessgegner erhält keinen Zugang zu all diesen Informationen. Ausnahme: Er hat einen gesetzlichen Anspruch auf Auskunft. Solche Auskunftsansprüche bestehen beispielsweise in Verfahren um die Zahlung von Unterhalt.

Wie schnell geht das?


Die Gerichte sind gehalten, Anträge auf Prozesskostenhilfe schnell zu bearbeiten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München entschied am 12. Januar 2009, dass eine verzögerte Entscheidung über die Prozesskostenhilfe nicht zu Lasten des Antragstellers gehen darf. Es darf also nicht erst dann über die Finanzierung des Verfahrens entschieden werden, wenn im Prozess schon die Beweisaufnahme stattgefunden hat und das Ergebnis so gut wie fest steht. Für die Erfolgsaussichten des Verfahrens reicht es aus, dass überhaupt eine Beweisaufnahme in Betracht kommt (Az. 19 C 08.3012).

Was entschied das Bundesverfassungsgericht zum Unterhalt?


Ein Vater wollte sich gegen die Forderung seiner Tochter auf mehr Unterhalt verteidigen. Dazu wollte er Prozesskostenhilfe beantragen. Zunächst wurde ihm diese mit der Begründung verweigert, dass er ja eine besser dotierte Arbeit annehmen und sich dafür ggf. bundesweit bewerben könne. Der Streit führte schließlich zu einer Verfassungsbeschwerde – die der Vater gewann. Er war schon jahrelang arbeitslos gewesen und hatte gerade eine Stelle als Lagerist gefunden. Für eine bundesweite Bewerbung hätte er von seiner Familie getrennt leben und eine zusätzliche Wohnung mieten müssen – mit entsprechenden Kosten. Aus Sicht des Gerichts konnte man dies nicht von ihm verlangen. Bei der Prozesskostenhilfe seien immer die persönlichen Verhältnisse des Betreffenden zu berücksichtigen (Beschluss vom 14.12.2006, Az. 1 BvR 2236/06).

Wann gibt es internationale Prozesskostenhilfe?


Für grenzüberschreitende Prozesse im Zivilrecht, Handelsrecht und Zwangsvollstreckungsrecht kann auch innerhalb der EU Prozesskostenhilfe beantragt werden. Der Antrag ist auf einem EU-einheitlichen Formular einzureichen. Er kann beim Amtsgericht am Wohnort des Antragstellers eingereicht werden. Dieses gibt den Antrag dann an eine sogenannte Übermittlungsstelle weiter, die sich meist zentral an einem Amtsgericht eines Bezirks befindet. Die eigentliche Entscheidung trifft dann das Gericht, an dem der Prozess stattfinden soll. Hält ein ausländisches Gericht den deutschen Antragsteller wegen geringerer Lebenshaltungskosten im jeweiligen Land nicht für hilfebedürftig, kann die Übermittlungsstelle ihm eine Bescheinigung über seine Bedürftigkeit ausstellen.

Wann wird die Prozesskostenhilfe widerrufen?


Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann nachträglich aufgehoben werden. Dies erfolgt zum Beispiel, wenn sich herausstellt, dass der Antragsteller den Rechtsstreit oder seine Erfolgschancen falsch dargestellt hat, wenn er falsche Angaben über seine finanziellen Verhältnisse gemacht hat oder wenn er länger als drei Monate mit einer Rückzahlungsrate in Verzug kommt.

Das Oberlandesgericht Hamm hielt den Widerruf einer gewährten Prozesskostenhilfe für rechtens. Im betreffenden Fall war dem Kläger die Hilfe für Verfahren in zwei Instanzen vor Gerichten in Münster und Hamm gewährt worden. Er wollte dort einen Unfallgegner nach einem Auffahrunfall auf Schadensersatz verklagen. Nur stellte sich im Nachhinein heraus, dass der Unfall vorgetäuscht und zwecks Versicherungsbetruges abgesprochen worden war (Az. 9 U 165/13).

Eine Mieterin in München war von ihrem Vermieter wegen rückständiger Miete verklagt worden. Sie wollte sich mit dem Argument verteidigen, dass die Wohnung diverse Mängel habe und sie deshalb die Miete mindern durfte. Allerdings stellte sich heraus, dass die Mängel zum Teil erfunden, zum Teil selbst herbeigeführt waren. Auch hier wurde die Prozesskostenhilfe rückwirkend aufgehoben. Die Frau verlor den Prozess (AG München, Az. 461 C 31177/10).

Das Bundesarbeitsgericht hob die Prozesskostenhilfe-Bewilligung für eine Frau auf, weil diese nach der Bewilligung umgezogen war, ohne ihre neue Adresse mitzuteilen. Grundsätzlich sind Prozesskostenhilfe-Empfänger verpflichtet, vier Jahre lang das Gericht über Änderungen ihrer Anschrift und ihrer Finanzlage auf dem Laufenden zu halten. Meist müssen sie in diesem Zeitraum noch Rückzahlungen leisten. Dass der Rechtsanwalt die aktuelle Adresse kennt, ist nicht ausreichend (Beschluss vom 26.1.2017, Az. 9 AZB 46/16).

Kann ich die Prozesskosten selbst berechnen?


Wenn Sie interessiert, welche Kosten für einen Prozess vor Gericht anfallen, können Sie dies mit unserem Prozesskostenrechner berechnen. Daneben bieten wir zwei Rechner an, mit denen Sie die Gerichtskosten und die Anwaltskosten getrennt berechnen können.

Praxistipp zur Prozesskostenhilfe


Für Antragsteller liegt ein Risiko darin, dass sie nach einem Unterliegen vor Gericht immer – auch bei Bewilligung der Prozesskostenhilfe – die Anwaltskosten des Gegners bezahlen müssen. Eine Ausnahme sind Prozesse in der ersten Gerichtsinstanz vor dem Arbeitsgericht. Dort trägt jeder seine Anwaltskosten allein. Ein weiteres Risiko liegt darin, dass Betroffene die Kosten der anwaltlichen Vertretung im Verfahren um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu zahlen haben. Daher ist es besonders wichtig, die Erfolgsaussichten eines Prozesses gut einzuschätzen. Dabei hilft ein auf das jeweilige Gebiet spezialisierter Anwalt, zum Beispiel ein Rechtsanwalt für Zivilrecht, ggf. im Rahmen der Beratungshilfe.

(Bu)


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 Stephan Buch
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