Rechtliche Rahmenbedingungen des Schutzes vor Verkehrslärm von Bahn und Schiene

16.05.2008, Autor: Herr Wolfgang Baumann / Lesedauer ca. 16 Min. (3986 mal gelesen)




Informationsveranstaltung der
Stadtteilinitiative Unteres Frauenland e. V.
am 20. Juni 2006



Rechtliche Rahmenbedingungen
des Schutzes vor Verkehrslärm von Bahn und Schiene




Rechtsanwältin Simone Link



Referat Stadtteilinitiative Unteres Frauenland

Rechtliche Rahmenbedingungen des Schutzes vor
Verkehrslärm von Bahn und Schiene

Bei der Frage nach einem Anspruch auf Schutz vor Verkehrslärm muss zunächst streng zwischen bereits bestehenden Verkehrswegen einer-seits und neu gebauten oder wesentlich geänderten Verkehrswegen andererseits unterschieden werden. Bei einer wesentlichen Änderung handelt es sich streng genommen um eine wesentliche akustische Ände-rung, verursacht durch einen erheblichen baulichen Eingriff.
Weiter ist zu unterscheiden, ob die Verkehrslärmproblematik auf bauli-chen Veränderungen an der Anliegerstraße basiert oder im Rahmen einer sog. Fernwirkung entsteht. Von der Fernwirkung wird dann gespro-chen, wenn die Lärmzunahme Folge eines Ausweichverkehrs ist, der auf-grund baulicher Maßnahmen an einer anderen Straße entsteht.
I. Gesetzliche Grundlagen
Gesetzliche Grundlagen für den Schutz vor Verkehrslärm von Schie-ne und Straße sind die §§ 41, 43 BImSchG i. V. m. der 16. BImSchV.
Gemäß § 41 Abs. 1 BImSchG ist bei dem Bau oder der wesentli-chen Änderung öffentlicher Straßen sowie von Eisenbahnen, Mag-netschwebebahnen und Straßenbahnen unbeschadet des § 50 BImSchG sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen Um-welteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Nach
§ 43 Abs. 1 S. 1 BImSchG wird die Bundesregierung ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die zur Durchführung von § 41 BImSchG und von § 42 Abs. 1 und 2 BImSchG (Entschädigung für Schallschutzmaßnahmen) erforderlichen Vorschriften zu erlassen, insbesondere über bestimmte Grenzwerte zum Schutz der Nachbar-schaft, über bestimmte technische Anforderungen an den Bau von Straßen und anderen Verkehrswegen sowie über Art und Umfang der zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräu-sche notwendigen Schallschutzmaßnahmen an baulichen Anlagen. Die aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Rechtsverordnung ist die 16. BImSchV zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutz-gesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung).
Von § 41 BImSchG sind nur solche staatlichen Maßnahmen umfasst, die ein Verkehrsaufkommen und als dessen Folge Verkehrsge-räusche in einem bestimmten Gebiet schaffen oder erhöhen; bei allen anderen Problemen schädlicher Verkehrsgeräusche ist § 41 BImSchG nicht einsetzbar, auch wenn der Lärmstandard der Vor-schrift überschritten wird.
Wie sich schon aus § 41 Abs. 1 BImSchG ergibt, greifen die §§ 41 ff. BImSchG nur bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung der Ver-kehrswege ein. Nur dann ist auch die 16. BImSchV anwendbar, wel-che im Folgenden näher dargestellt wird.
Soll der Verkehrslärm an bestehenden Straßen reduziert werden, ohne dass eine wesentliche Änderung erfolgt und damit § 41 BImSchG anwendbar ist, können im Rahmen des Straßenverkehrs-rechts gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO verkehrslenkende Maß-nahmen ergriffen werden.
II. 16. BImSchV
Die 16. BImSchV – die Verkehrslärmschutzverordnung – ist, wie vor-stehend bereits kurz angerissen, maßgebend bei der Frage nach dem Schutz vor Verkehrslärm.
1. Anspruch auf Lärmschutz, wenn an der Anliegerstraße bauliche Veränderungen vorgenommen werden
Nachdem 1980 die Verabschiedung eines Verkehrslärmschutz-gesetzes für alle Verkehrswege (auch die bereits bestehenden) aus Kostengründen gescheitert ist, bildet die 16. BImSchV seit 1990 die maßgebliche lärmtechnische Regelung für den Neu-bau oder die wesentliche Änderung von Verkehrswegen.
Mit dem Bau eines Verkehrswegs ist der Neubau an einer Stel-le gemeint, an der bisher kein Verkehrsweg bestand.
Die wesentliche Änderung ist nach § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV definiert als
- die bauliche Erweiterung einer Straße um mindestens ei-nen durchgehenden Fahrstreifen oder eines Schienen-wegs um mindestens ein durchgehendes Gleis oder
- die Erhöhung des Beurteilungspegels des von dem zu än-dernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms unter den in § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 16. BImSchV genannten Be-dingungen, also durch einen erheblichen baulichen Eingriff um mindestens 3 dB(A) oder auf mindestens 70 dB(A) am Tag oder 60 dB(A) in der Nacht.

Die wesentliche Änderung muss baulicher Natur sein und zu einer Erhöhung des Verkehrsaufkommens sowie des da-durch erzeugten Lärms führen. Eine wesentliche Änderung setzt somit zunächst eine bauliche Änderung voraus, so dass generell (bloße) Maßnahmen der Verkehrsregelung oder Ver-kehrslenkung, auch wenn sie mit baulichen Maßnahmen an an-deren Stellen verbunden sind, nicht erfasst sind, auch wenn sie zu einer Lärmerhöhung führen, da es an einer baulichen Maß-nahme fehlt. Der zu verändernde Verkehrsweg ist der Be-reich, in dem ein erheblicher baulicher Eingriff durchgeführt wird; Baumaßnahmen, die zu einer Erhöhung des Verkehrs-lärms an anderer Stelle führen, bspw. durch Verkehrsverlage-rung, lösen bei Vorliegen der Voraussetzungen der 16. BImSchV grundsätzlich nur im Bereich der Baumaßnahme, nicht aber an anderer Stelle den Anspruch auf Lärmschutz-maßnahmen aus.
Die 16. BImSchV enthält Grenzwerte für Verkehrslärmimmissi-onen abgestuft auf die jeweilige Gebietsstruktur für den Tages-zeitraum (6.00 Uhr – 22.00 Uhr) und die Nacht (22.00 Uhr – 6.00 Uhr).
Voraussetzung für einen Anspruch auf Anordnung von Schutz-anlagen ist daher ein adäquater Kausalzusammenhang zwi-schen der Straße und der Gefährdung, deren Abwendung bzw. Vermeidung die Anlage dienen soll. Der Ursachenzusam-menhang ist demnach dahingehend gefordert, dass einerseits die schädlichen Auswirkungen in typischer Weise mit dem Bau oder der Änderung der Straße, mit der Straßenanlage oder mit dem Betrieb der Straße verbunden sind, und dass andererseits die eingetretenen oder zu erwartenden Schädigungen nach ih-rer Art als Folgewirkung der Straße nicht außerhalb aller Erfah-rung liegen, insbesondere nicht ganz überwiegend durch ande-re Umstände bedingt sind. § 41 Abs. 2 BImSchG verlangt au-ßerdem, dass die Kosten des Schallschutzes zu dem ange-strebten Schutzzweck in einem angemessenen Verhältnis ste-hen müssen. Ist dies nicht der Fall, ist an die Betroffenen ledig-lich eine Entschädigung in Geld vorgesehen.
Voraussetzung für die Anwendbarkeit der 16. BImSchV sind somit folgende Alternativen:
1. Neubau einer öffentlichen Straße, eines Schienenweges der Eisenbahn oder Straßenbahnlinie
2. Wesentliche Änderung einer Straße oder eines Schie-nenweges durch bauliche Erweiterung um einen oder mehrere durchgehende Fahrstreifen oder Gleise. Eine Er-höhung des Lärmpegels ist dann nicht notwendig.
3. Wesentliche Änderung einer Straße oder eines Schienen-weges durch einen erheblichen baulichen Eingriff, der den Verkehrslärm
- um mindestens 3 dB(A) erhöht oder
- auf mindestens 70 dB(A) tags oder mindestens 60 dB(A) nachts erhöht oder
- von mindestens 70 dB(A) tags oder mindestens 60 dB(A) nachts erhöht (ausgenommen Gewerbegebie-te).
Beispiele für „erhebliche bauliche Eingriffe“ sind: Bau von Ein- und Ausfädelungsstreifen sowie Abbiegestreifen, Bau von Radwegen. Nicht hierzu zählen Ummarkierungen und hier-durch Schaffung zusätzlicher Fahrstreifen, Erneuerung der Fahrbahnoberfläche, Bau von Verkehrsinseln oder Haltebuch-ten.
Die Lärmpegel sind Mittelungspegel (d.h. Spitzenpegel wer-den zwar in gewisser Weise stärker berücksichtigt, aber eben doch gemittelt) und dürfen nicht gemessen, sondern müssen berechnet werden für Straßen entsprechend Anlage 1 der Ver-ordnung bzw. nach der RLS 90 (Richtlinie Lärmschutz 1990 für den Straßenbau) und für Schienenwege nach Anlage 2 und der Schall 03. Die Pegel sind auf ganze dB(A)–Werte aufzurunden, z.B. von 49,1 dB(A) auf 50 dB(A). Beim Schienenverkehr ist ein Schienenbonus von 5 dB(A) abzuziehen. Begründet wird dies mit der geringeren Lästigkeit des Bahnlärmes gegenüber ande-ren Verkehrsarten, d.h. den Anwohnern wird hier eine höhere Toleranz unterstellt.
Die Berechnungsmethoden haben sich als überwiegend zutref-fend bzw. günstiger für die Anwohner als Messmethoden her-ausgestellt.
2. Schutz vor Fernwirkungen anderer Verkehrsanlagen auf die bestehende Straße
Die 16. BImSchV ist allein anwendbar auf Verkehrslärm, der von der zu bauenden oder zu ändernden Straße ausgeht. Lärm, der auf einer anderen Strecke entsteht, wird nicht be-rücksichtigt. Aus einer Zusammenschau der §§ 41 Abs. 1 und 43 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ergibt sich, dass der Schutz vor Lärm, der infolge eines neuen oder geänderten Verkehrswegs ent-steht, auf dessen Nachbarschaft beschränkt sein soll.
§ 41 Abs. 1 BImSchG gebietet nur Lärmschutz an der öffentli-chen Straße, die gebaut oder wesentlich verändert wird. Die Vorschrift gibt den Anwohnern von bestehenden, baulich un-veränderten Straßen, die von Lärm als einer Fernwirkung einer neu gebauten oder baulich veränderten Straße betroffen sind, keinen Anspruch auf Abwehr dieser Immissionen.
Die Frage ist, wie Folgewirkungen von Eingriffen in Straßen, deren eigentliche Emissionsquellen – zumindest auch – jenseits eines neu geplanten Straßenabschnitts liegen, Ansprüche auf Lärmschutzmaßnahmen begründen können. Das BVerwG geht in seiner Rechtsprechung den Weg über § 17 Abs. 1 Satz 1 FStrG. Nimmt als Folge des Straßenbauvorhabens der Verkehr auf einer anderen, vorhandenen Straße zu, ist der von ihr aus-gehende Lärmzuwachs im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG zu berücksichtigen, wenn er mehr als unerheblich ist und ein eindeutiger Ursachenzusammen-hang zwischen dem planfestgestellten Straßenbauvorha-ben und der zu erwartenden Verkehrszunahme auf der an-deren Straße besteht.
Gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwä-gung zu berücksichtigen.
Die Schutzwirkung des Abwägungsgebots geht weiter als die der §§ 41 Abs. 1 und 43 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und ist nicht nur auf die Nachbarschaft beschränkt. Zweck des Abwägungsge-bots ist, dass der Kreis der von dem Vorhaben berührten öffent-lichen und privaten Belange nicht zu eng gezogen wird. Von dem Abwägungsgebot umfasst werden auch solche Belange, auf die sich das Straßenbauvorhaben als eine in hohem Maße raumbedeutsame Maßnahme auch nur mittelbar auswirkt. Ei-ne mittelbare Auswirkung ist u.a. dann gegeben, wenn ein ein-deutiger Ursachenzusammenhang zwischen dem planfestge-stellten Straßenbauvorhaben und der zu erwartenden Ver-kehrszunahme auf der anderen Straße besteht.
Somit steht die Frage im Raum, wann das Abwägungsge-bot einen Rechtsanspruch auf die Anordnung von Lärm-schutzmaßnahmen vermittelt.

Sind nicht oder nicht ausschließlich kommunale Einrichtungen von dem Lärmzuwachs betroffen, ist das Interesse an der Ver-hinderung einer zusätzlichen Verlärmung des Gemeindegebiets dann ein gemeindlicher Belang, sofern die gemeindliche Pla-nungshoheit betroffen ist. Diese ist dann tangiert, wenn sich die Lärmzunahme auf wesentliche Teile von Baugebieten auswirkt, die in Bebauungsplänen ausgewiesen sind. Ein schutzwürdiger kommunaler Belang ist das Interesse an der Bewahrung der in der Bauleitplanung zum Ausdruck gekommenen städtebauli-chen Ordnung vor nachhaltigen Störungen.
Ein Anspruch auf die Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen besteht allerdings nur dann, wenn das Ermessen der Geneh-migungsbehörde auf Null reduziert ist, d. h. jede andere Ent-scheidung als die Gewährung von Lärmschutz abwägungsfeh-lerhaft ist.
Stellvertretend für die nach § 1 Abs. 6 BauGB zu berücksichti-genden städtebaulichen Belange möchte ich hier die Anforde-rungen an die gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse nen-nen. Sind die gesunden Wohnverhältnisse durch die Lärmzu-nahme nicht mehr gewahrt, wäre es abwägungsfehlerhaft, Lärmschutzmaßnahmen zu versagen.
Für die Anforderungen, die an gesunde Wohnverhältnisse ge-stellt werden, bieten wiederum die Immissionsgrenzwerte in
§ 2 Abs. 1 der 16. BImSchV – obwohl tatbestandlich nicht an-wendbar - eine Orientierungshilfe. Erst bei Überschreitung der in § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 16. BImSchV festgelegten Werte für Dorf- und Mischgebiete (64 dB(A) tags und 54 dB(A) nachts) sind in angrenzenden Wohngebieten die gesunden Wohnver-hältnisse regelmäßig nicht mehr gewahrt und es besteht ein durch das Abwägungsgebot vermittelter Anspruch auf die An-ordnung von Lärmschutzmaßnahmen.
III. Art. 75 Abs. 2 BayVwVfG – nachträglicher Lärmschutz – Lärm-sanierung
Von der Lärmvorsorge ist der nachträgliche Lärmschutz, die sog. Lärmsanierung zu unterscheiden. Die Lärmsanierung ist der Lärm-schutz an bestehenden, unveränderten Verkehrswegen, der eine Beeinträchtigung durch unzumutbaren Verkehrslärm beenden soll, und stellt damit das Spiegelbild zur Lärmvorsorge dar.

Das BImSchG enthält keine Anspruchsgrundlage für die Lärm-sanierung. Dies ist damit zu erklären, dass Altverkehrswege oftmals eine andersartige Konfliktsituation aufweisen als neu gebaute Stra-ßen. Zum einen können Lärmpegel über einen längeren Zeitraum hinweg kontinuierlich ansteigen. Andererseits ist auch denkbar, dass die Anlieger die beeinträchtigte Nutzung in Kenntnis der Lärmsituati-on aufgenommen haben und die Beeinträchtigung deshalb nicht un-vorbereitet über die Anlieger gekommen ist.
1. Lärmsanierung im Zuge eines Planfeststellungsverfahrens
Aus den Vorschriften der Lärmvorsorge (§§ 41 ff. BImSchG) lässt sich kein Lärmabwehranspruch der Anlieger von Altstra-ßen gegen von diesen ausgehenden Lärm ableiten. Den Betrof-fenen kann dennoch ein Anspruch auf Schallschutzmaßnah-men oder Zahlung einer Entschädigung im Wege der Planer-gänzung des Planfeststellungsbeschlusses gem. Art. 75 Abs. 2 S. 2 – 5 BayVwVfG gewährt werden. Liegt der Straße, von der der Verkehrslärm ausgeht, ein Planfeststellungsbeschluss zugrunde, dann ist dieser Verkehrslärm eine Wirkung der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen i.S. des Art. 75 Abs. 2 S. 2 BayVwVfG. Sind darüber hinaus auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Planergänzungsanspruchs erfüllt, haben die Betroffenen einen Anspruch auf Vornahme von Lärmschutzmaßnahmen bzw. auf die Zahlung einer Geldentschädigung.
Bei Verkehrswegen, die im Zuge eines inzwischen unanfecht-bar gewordenen Planfeststellungsverfahrens errichtet worden sind, kann also nach Art. 75 Abs. 2 Satz 2 – 4 BayVwVfG ein Antrag auf nachträgliche Lärmschutzmaßnahmen (z.B. auf Er-höhung der Lärmschutzwände etc.) bzw. Entschädigung ge-stellt werden. Treten nicht voraussehbare Wirkungen des Vor-habens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anla-gen auf das Recht eines anderen erst nach Unanfechtbarkeit des Planes auf, so kann der Betroffene nach Art. 75 Abs. 2 S. 2 BayVwVfG Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen, welche die nachträglichen Wirkungen ausschließen. Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untun-lich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, so richtet sich der An-spruch auf angemessene Entschädigung in Geld gemäß Art. 75 Abs. 2 S. 4 BayVwVfG.
Voraussetzung hierfür ist also unter anderem, dass eine un-vorhersehbare Wirkung des Verkehrsvorhabens eingetreten ist. Dieses Kriterium wird von den Gerichten streng ausgelegt. Steigerungen z.B. des Verkehrsaufkommens im Rahmen der allgemeinen Verkehrsentwicklung gehören nicht hierzu, son-dern z.B. nur ein außergewöhnlicher Zuwachs. Nicht vorher-sehbar sind z. B. solche Beeinträchtigungen, die auch die Plan-feststellungsbehörde nicht vorhergesehen hat, bspw. weil ihre Annahmen auf Prognosen oder Gutachten beruhten, die sich später als unzutreffend herausstellten; gleiches gilt auch für Steigerungen des Verkehrsaufkommens, die infolge späterer Entwicklungen eintreten und über die Grundannahmen deutlich hinausgehen.
Sind die dargelegten Voraussetzungen des Art. 75 Abs. 2 S. 2 BayVwVfG erfüllt, besteht also ein Anspruch der Betroffenen auf Lärmschutzmaßnahmen, es sei denn, diese Vorkehrun-gen oder Anlagen sind untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar.
Die Planfeststellungsbehörde hat hierbei den Vorrang des ak-tiven Schallschutzes vor dem passiven Schallschutz zu be-achten. Maßnahmen des aktiven Schallschutzes – wie z.B. ge-räuscharme Fahrbahnbeläge oder Lärmschutzwände – sind nicht nur die effektivsten Maßnahmen, sondern schützen zu-dem auch Außenwohnanlagen wie Terrassen oder Balkone. Dieser umfassende Schallschutz kann durch passive Schall-schutzmaßnahmen – wie z.B. durch Schallschutzfenster - nicht erreicht werden und ist dann durch eine Entschädigungszah-lung auszugleichen.
Dem Vorrang aktiver Schallschutzmaßnahmen kann allerdings wiederum die wirtschaftliche Unverhältnismäßigkeit der An-ordnung dieser Maßnahmen entgegenstehen. Erst wenn die Kosten für den aktiven Schallschutz außer Verhältnis zum Schutzzweck stehen würden, also unverhältnismäßig teuer wä-ren, kann auf passive Schallschutzmaßnahmen ausgewichen werden.
2. Lärmsanierung im Rahmen der Aufstellung eines Bebauungs-plans
Bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung einer durch ei-nen Bebauungsplan festgesetzten Straße ist ebenfalls si-cherzustellen, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden. § 41 Abs. 1 BImSchG ist auch hier wieder nur auf Immissionen anwendbar, die auf der neu gebauten und unveränderten Straße entstehen. Anwohnern an bestehenden, baulich unveränderten Straßen, die von Lärm als Fernwirkung einer gebauten oder wesentlich veränderten Straße betroffen sind, gibt diese Norm keinen An-spruch auf Abwehr dieser Immissionen. Insoweit besteht Über-einstimmung zwischen der Regelung von Fernwirkungen im Immissionsschutzrecht und der Regelung von Fernwirkungen im Baurecht.
Die Anwohner von bestehenden Straßen, welche nicht im Gel-tungsbereich des Bebauungsplans zur neu gebauten/ver-änderten Straße liegen, können jedoch verlangen, dass Fern-wirkungen auf die bestehende Straße in die Abwägung zu diesem Bebauungsplan eingestellt werden. Allerdings haben sie, auch wenn die Abwägung rechtswidrig ist, keinen Anspruch darauf, dass Schallschutzmaßnahmen an der bestehenden Straße ergriffen werden.
IV. Lärmschutz im Rahmen der StVO
Weitere Regelungen zum Schutz vor Verkehrslärm sind in der Stra-ßenverkehrsordnung (StVO) festgelegt. Nach § 45 Abs.1 Satz 2 Nr. 3 StVO können zum Schutz der Anwohner vor Straßenverkehrslärm verkehrsbeschränkende Maßnahmen an bereits bestehenden Straßen beantragt werden. Gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO kann die Straßenverkehrsbehörde die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten.
So können Schutzmaßnahmen wie Geschwindigkeitsbegrenzungen, Fahrbahnverengungen, Durchfahr- oder Nachtfahrverbote für LKW, Parkstreifen, Fahrradwege etc. von den örtlichen Behörden angeord-net werden. Unnötiger Lärm, wie ein lautes Autoradio bei offenem Fenster, laufender Motor oder lautes Türenzuschlagen sind laut StVO verboten. Kontrolliert werden können diese Verbote allerdings kaum. Auch sind keine baulichen Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung des Verkehrslärms vorgesehen.
Bei § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO handelt es sich um eine Ermes-sensvorschrift. Dies hat zur Voraussetzung, dass eine Abwägung der widerstreitenden Interessen, also der Interessen des Schutzes der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen sowie auch vor Er-schütterungen im Gegensatz zur Durchfahrtsmöglichkeit erfolgen muss. Im Rahmen dieser Abwägung sind die Auswirkungen von Verkehrsverboten bzw. –beschränkungen auf andere Straßen zu berücksichtigen und ebenfalls in die Abwägung mit einzustellen. Die Abwägung hat zwischen der Funktion der Straße im Rahmen der Freizügigkeit des Verkehrs einerseits und dem Schutz der Wohnbevölkerung andererseits zu erfolgen. In ihrer Ermessensent-scheidung hat die zuständige Behörde sowohl die Belange des Stra-ßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer zu würdigen als auch die Interessen anderer Anlieger in Rechnung zu stellen, ihrerseits vom übermäßigen Verkehr verschont zu bleiben, der als Folge verkehrs-beruhigender Maßnahmen durch Verlagerung des Verkehrs eintreten kann. Sie darf dabei in Wahrung allgemeiner Verkehrsrücksichten und sonstiger entgegenstehender Belange von derartigen Maß-nahmen umso eher absehen, je geringer der Grad der Lärmbe-einträchtigung ist, dem entgegengewirkt werden soll. Umgekehrt müssen bei erheblichen Lärmbeeinträchtigungen die der Anordnung verkehrsberuhigender oder verkehrslenkender Maßnahmen entge-genstehenden Verkehrsbedürfnisse und Anliegerinteressen von eini-gem Gewicht sein, wenn mit Rücksicht auf diese Belange ein Han-deln der Behörde unterbleibt. Jedenfalls darf die zuständige Behörde auch bei erheblichen Lärmbeeinträchtigungen von verkehrsbe-schränkenden Maßnahmen absehen, wenn ihr dies mit Rücksicht auf die damit verbundenen Nachteile gerechtfertigt erscheint. In der Ab-wägung soll insbesondere auf den Grad der Beeinträchtigung, die Leichtigkeit der Realisierung von Maßnahmen, die Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes und eventuelle Einflüsse auf die Verkehrs-sicherheit, auf den Energieverbrauch der Fahrzeuge, auf Erschwer-nisse bei der Versorgung der Bevölkerung und die Einschränkung der Freizügigkeit des Verkehrs Rücksicht genommen werden. Schließlich sollen auch die Funktionen der Straßen berücksichtigt werden.
Straßenverkehrsrechtliche Lärmschutzmaßnahmen kommen insbe-sondere dann in Betracht, wenn der vom Straßenverkehr herrühren-de Mittelungspegel am Immissionsort u. a. in reinen und allgemeinen Wohngebieten den Richtwert von 70 dB(A) zwischen 6.00 Uhr und 22.00 Uhr (tags) und 60 dB(A) zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr (nachts) überschreitet, wobei die Richtlinien für den Lärm-schutz an Straßen maßgebend für die Berechnung des Mittelungs-pegels und die Bestimmung des Immissionsortes sind. Ein Anspruch der Straßenanlieger auf bestimmte verkehrslenkende oder –beschränkende Maßnahmen der zuständigen Behörde im Fall der Überschreitung der genannten Richtwerte ist hierdurch jedoch nicht bedingt, jedoch auch nicht der Ausschluss eines straßenverkehrs-rechtlichen Einschreitens bei Verkehrsgeräuschen unterhalb der an-gegebenen Werte. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO ermöglicht und ge-währt Schutz vor Verkehrslärm jedoch nicht erst dann, wenn dieser einen bestimmten Schallpegel überschreitet; es genügt vielmehr, dass der Lärm Beeinträchtigungen mit sich bringt, die jenseits des-sen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen und damit zuge-mutet werden muss.
Lärmgrenzwerte sind also nicht vorgegeben. Früher hatte die Recht-sprechung die Richtwerte der RLS 81 des Bundesverkehrsministeri-ums herangezogen: 75 dB(A) tags/65 dB(A) nachts in Mischgebieten und 70 dB(A) tags/60 dB(A) nachts in reinen und allgemeinen Wohn-gebieten. Inzwischen ist es aber als gefestigte Rechtsprechung an-zusehen, dass die Werte der 16. BImSchV (siehe oben) als Orien-tierungswerte herangezogen werden sollen. Diese gelten zwar unmittelbar nur für den Neubau oder die wesentliche Änderungen ei-nes Verkehrsweges, bringen aber die Wertung des Normgebers zum Ausdruck, von welcher Schwelle an eine nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigung der jeweiligen Gebietsfunktion anzunehmen ist (zu-letzt OVG Münster v. 21.01.2003 – Az 8 A 4230/01). Auch hier ist, wie oben dargestellt, genauestens auf die DTV-Werte, Lkw-Anteile, Ampelzuschläge, Gebietseinstufung etc. zu achten.
Die meisten Verkehrsbehörden berufen sich aber immer noch auf die veralteten RLS 81 – Werte. Werden diese erreicht, kann sich das Auswahlermessen der Behörde zu einer Handlungspflicht verdichten. Bei Erreichen der Orientierungswerte der 16. BImSchV setzt aber bereits die Prüfungspflicht ein, d.h. die Straßenverkehrsbehörde muss prüfen, welche verkehrsbeschränkenden Maßnahmen möglich sind, welche Auswirkungen sie haben (z.B. Verkehrsverlagerungen oder -behinderungen) und diese abwägen mit den Gesundheitsinte-ressen der Anwohner. Hier gilt nach der grundlegenden Entschei-dung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.1986 (BVerwGE 74, 234) das Prinzip der Waagschale, d.h. je stärker die Beeinträch-tigung der Gesundheit bzw. die Gesundheitsgefährdung, desto stär-ker die Pflicht der Verkehrsbehörde, verkehrslenkende oder -beschränkende Maßnahmen anzuordnen.
Stets ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Hierbei ist auch die Vorbelastung anspruchsmindernd zu berücksichtigen, aber wie-derum - wie oben beim Summenpegel dargestellt - nur bis zur Grenze einer Gesundheitsgefährdung. Liegen die Werte darüber, ist die Lärmbelastung nicht mehr zumutbar. Vor allem kann sich die Verkehrsbehörde nicht auf das Argument zurückziehen, es bedürfe eines Gesamtkonzeptes, um den Verkehr in den Griff zu bekommen. Die Gerichte verlangen schon kleinräumige Maßnahmen, z.B. nur in der Straße selbst, wenn dies vertretbar erscheint.
V. Problem des Ausweichverkehrs durch die Maut
Auch die Verkehrslärmproblematik durch den – auf die LKW-Maut zurückzuführenden - zunehmenden Ausweichverkehr lässt sich bis-lang nur über die Vorschriften der StVO regeln. Zwar kommt grund-sätzlich die Ausdehnung der Mautpflicht auf bestimmte genau be-zeichnete Abschnitte von Bundesstraßen nach dem ABMG (Auto-bahnmautgesetz) in Betracht und ist laut dem Luftreinhalteplan für Würzburg auch für den Stadtring Süd langfristig geplant , doch un-terliegt die Umsetzung einem langwierigen Prozess.
Die Möglichkeit der Ausdehnung der Mautpflicht nach dem ABMG besteht nur für Bundesstraßen. Sie ist bis zum 01.01.2006 wegen der noch nicht vollständig erfolgten Inbetriebnahme des Toll-Collect-Mautsystems nicht möglich und erfordert wegen des im ABMG vorgesehenen Rechtsverfahrens (Erstellung einer Rechtsver-ordnung durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Woh-nungswesen, Zustimmung des Bundesrates, Anhörung der EU-Kommission) grundsätzlich eine längere Vorbereitungszeit.
Allerdings besteht die Möglichkeit, eine kurzfristig wirksame Ent-lastung für die von der Zunahme des Lkw-Verkehrs auf mautfreien Straßen betroffenen Bürger durch Benutzungsbeschränkungen für den Schwerlastverkehr nach der StVO zu erzielen. Dies sollte überall dort, wo die noch auszuwertenden Erhebungen eine solche Zunahme belegen, zeitnah erfolgen.
Ob Maßnahmen nach § 45 StVO in Betracht kommen, lässt sich – wie oben bereits dargelegt – nur anhand der Umstände des konkre-ten Einzelfalls beurteilen.
Es müssen die tatbestandlichen Anforderungen erfüllt sein, die auch sonst an den Erlass beschränkender verkehrsrechtlicher An-ordnungen gestellt werden. So müssen im Fall einer Beschränkung aus Gründen des Lärmschutzes die Voraussetzungen der Richtlinien des Bundesministers für Verkehr für straßenverkehrsrechtliche Maß-nahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien StV) erfüllt sein. Stets ist die Regelung des § 45 Abs. 9 StVO zu beachten, wonach Beschränkungen und Verbote des flie-ßenden Verkehrs nur angeordnet werden dürfen, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in § 45 StVO ge-nannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.
Allerdings ist der seit 01.01.2006 neu eingefügte § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO zu beachten, wonach Beschränkungen und Verbote des flie-ßenden Verkehrs auch angeordnet werden dürfen, soweit dadurch erhebliche Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse, die durch die Erhebung der Maut nach dem Autobahnmautgesetz für schwere Nutzfahrzeuge hervorgerufen worden sind, beseitigt o-der abgemildert werden können.
Ungeachtet dessen, ob im Einzelfall die Voraussetzungen für ver-kehrsrechtliche Anordnungen vorliegen, ist auf Folgendes hinzuwei-sen: Von Lkw-Sperrungen wären mit Rücksicht auf den Ziel- und Quellverkehr Anlieger auszunehmen (Zusatzzeichen „Anlieger frei“). Regelungen dieser Art sind nur bedingt wirksam und überdies in der Praxis schwer überwachbar. Zu berücksichtigen ist ferner, dass Maut-Ausweichstrecken teilweise in Bedarfsumleitungen einbe-zogen sein können, sodass sich eine Sperrung für den Lkw-Verkehr auch insoweit als problematisch erweisen könnte. Ein Verbot würde zudem auch den regionalen Lkw-Verkehr treffen, der mautpflichtige Strecken gerade nicht umgehen will. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Gefahr weiterer ungewollter Verkehrsverlagerungen auf das Landes- und Kreisstraßennetz zu verweisen.
VI. PM 10-Problematik (Feinstaub) – 22. BImSchV
Nicht nur die Lärmproblematik und die damit verbundene Beeinträch-tigung der Wohn- und Lebensqualität ist ein zunehmendes Problem des ansteigenden Straßenverkehrs. Damit verbunden ist auch die erhöhte Feinstaubproblematik, die besonders im vergangenen Jahr vermehrt in der Presse Erwähnung gefunden hat. Zu dieser Problematik verweise ich auf den Referenten Herrn Kleiner, der als verantwortlicher Vertreter der Stadt Würzburg eine inhaltliche Stel-lungnahme zu dieser sog. PM 10-Problematik aus Sicht der Stadt Würzburg abgeben wird.





Würzburg, 29.05.2006


gez. S. Link/Rechtsanwältin