Was gilt als Stalking und welche Strafen drohen?

12.10.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice / Lesedauer ca. 7 Min. (26599 mal gelesen)
Frau,Computer,Laptop Was meint Stalking und wann ist es strafbar? © - freepik

Wer aufdringlich immer wieder die Nähe und den Kontakt zu jemandem sucht, der mit ihm nichts zu tun haben will, gilt rechtlich als Stalker. Durch eine Gesetzesänderung ist nun auch Cyberstalking strafbar.

Der Begriff „stalking“ wird vom englischen Verb „to stalk“ abgeleitet, das soviel wie „sich anschleichen“ heißt. Heute benutzt man den Begriff für das absichtliche, wiederholte Verfolgen und Belästigen einer anderen Person, durch das deren freie Lebensgestaltung beeinträchtigt und deren persönliche Sicherheit bedroht wird. Dieses Phänomen zeigte sich zuerst in den USA im Rahmen der Verfolgung von Prominenten. Ernst genommen wurde es jedoch erst, als gegen Ende der 80er Jahre eine Schauspielerin und zwei andere Frauen von einem Stalker ermordet wurden. Von diesem Zeitpunkt an galt Stalking als kriminelle und möglicherweise gefährliche Verhaltensweise. Heute spielt es sich häufig auch online ab.

Was sagt der Gesetzgeber?


Stalking ist seit 2007 in Deutschland strafbar. Im Strafgesetzbuch (StGB) wird es als „Nachstellung“ bezeichnet. Gemäß § 238 Abs. 1 StGB liegt dieser Straftatbestand vor, wenn jemand einer anderen Person unbefugt nachstellt, indem er beharrlich

- deren räumliche Nähe aufsucht,
- über andere Personen oder Kommunikationsmittel (Telefon, SMS, soziale Netzwerke) versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen,
- unter dem Namen der anderen Person Waren oder Dienstleistungen für diese bestellt oder dafür sorgt, dass Dritte mit ihm oder ihr Kontakt aufnehmen,
- der anderen Person droht, sie oder ihn umzubringen, zu verletzen, Gesundheit oder Freiheit des anderen oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht oder
- eine andere vergleichbare Handlung vornimmt.

Wichtig ist: Die Handlungen müssen geeignet sein, die Lebensgestaltung der anderen Person schwerwiegend zu beeinträchtigen. Dem Täter droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Bringt der Stalker die Person, der er nachstellt, in Lebensgefahr oder in die Gefahr schwerer Gesundheitsschäden, beträgt die Mindeststrafe nach § 238 Abs. 2 StGB drei Monate und die Höchststrafe fünf Jahre. Hier ist also die Geldstrafe ausgeschlossen. Diese Regel gilt auch, wenn nahestehende Personen der gestalkten Person betroffen sind.

Falls es im Zusammenhang mit Stalking zu einem Todesfall kommt, hat der Stalker mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Haft und einer Höchststrafe von zehn Jahren zu rechnen. Auch hier gibt es keine Geldstrafe mehr.

Cyberstalking: Was hat sich 2021 geändert?


Die Gesetzesänderung zum Stalking hat am 25.6.2021 den Bundesrat passiert.

Statt eines "beharrlichen" Nachstellens reicht künftig eine "wiederholte" Nachstellung aus. Statt einer "schwerwiegenden" Beeinträchtigung der Lebensgestaltung ist künftig nur eine "nicht unerhebliche" Beeinträchtigung für eine Strafbarkeit ausreichend.

Zwar bleibt der Strafrahmen bestehen, es wird aber eine neue Regelung für besonders schwere Fälle eingeführt, mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Dies betrifft zum Beispiel Nachstellungen über lange Zeiträume oder Gesundheitsgefährdungen von Betroffenen oder ihnen nahestehenden Personen. Als schwere Fälle gelten aber auch die Verwendung von Computerprogrammen zum digitalen Ausspähen anderer Personen ("Stalking-Apps") und das "Stalken" von unter 16-jährigen Personen durch über 21-jährige.

Zum Katalog der strafbaren Stalkinghandlungen kommen hinzu:

- Begehung einer Tat nach § 202a StGB zulasten der betroffenen Person oder ihr nahestehender Personen ("Ausspähen von Daten"),

- Verbreiten oder Veröffentlichen von Abbildungen (Fotos, Videos) der Person, ihrer Angehörigen oder ihr nahestehender Personen,

- Verbreiten oder Veröffentlichen von Inhalten (§ 11 Absatz 3), die geeignet sind, die Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person.

Diese Änderungen berücksichtigen auch das digitale Stalking, zum Beispiel also das Ausspähen durch "Stalking-Apps", das Erstellen von Fake-Profilen auf Sozialen Netzwerken, das Veröffentlichen von Postings unter dem Namen der anderen Person, die deren Ansehen schädigen, das Veröffentlichen von herabsetzenden Bildern oder Videos auf Sozialen Netzwerken. Hier machen sich die Täter also nun ganz klar strafbar.

Strafantrag und Strafanzeige


Ein Strafantrag ist nicht mit einer bloßen Strafanzeige zu verwechseln. Bei Stalking im Sinne von § 238 Abs. 1 StGB findet eine Strafverfolgung nur auf einen Strafantrag des oder der Betroffenen hin statt. Dies gilt zumindest, solange die Staatsanwaltschaft nicht der Meinung ist, dass ein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung besteht. Aber: Die Strafantragspflicht gilt nur, wenn keine erhebliche Gesundheitsgefährdung oder Lebensgefahr für Betroffene, Angehörige, Partner oder enge Freunde vorliegt und natürlich erst recht nicht bei einem Todesfall. In diesen Fällen werden die Strafverfolgungsbehörden auch ohne Strafantrag tätig.

Was ist die Deeskalationshaft?


§ 112a der Strafprozessordnung ermöglicht es, einen Stalker vorläufig in Haft zu nehmen, wenn die Gefahr besteht, dass er seine Straftaten bis zum Prozess fortsetzt und eine Gefahr für Leben und Gesundheit der betroffenen Personen besteht. Allerdings betrifft dies nur die Fälle des § 238 Abs. 2 und 3 StGB. Das bedeutet: Bringt der Täter die gestalkte Person oder Leute, die ihm/ihr nahe stehen, in Lebensgefahr oder gefährdet ernsthaft deren Gesundheit oder verursacht er gar einen Todesfall, droht ihm vorbeugende Haft bis zum Prozess.

Wie wirkt sich Stalking aus?


Von Stalking betroffene Menschen fühlen sich meist bedroht und belästigt. Nach einer Weile beginnen sie, alltägliche Handlungen abzuwägen, die bisher für sie selbstverständlich gewesen wären. So ändern sie ihren Tagesablauf oder gehen nicht mehr ans Telefon. Zum Teil betrifft das Stalking auch Bekannte und Verwandte, sodass es soziale Beziehungen gefährdet. In jedem Fall bedeutet es eine psychische Dauerbelastung, die zu Depressionen, Schlafstörungen und anderen Erkrankungen führen kann.

Stalking - ein verbreitetes Problem


Etwa jeder Zehnte wird irgendwann in seinem Leben gestalkt. Dies betrifft nicht nur Prominente. Als Stalker fallen oft Expartner auf, die sich nicht mit der Trennung zufriedengeben können. Dies betrifft jedoch nur etwa 50 Prozent der Fälle. Zum Teil steigert sich Stalking bis hin zur körperlichen Gewalt.

Wann beginnt Stalking?


Einzelne unerwünschte Versuche der Kontaktaufnahme gelten nicht als Stalking. Nach neuer Rechtslage können "wiederholte" Handlungen jedoch strafbar sein. Die Belästigung muss tatsächlich Auswirkungen auf die Lebensgestaltung des Betroffenen haben.

Beispiel: Eine Frau hatte zweimal mitbekommen, dass ihr ein Mann über den Fluss Mosel hinweg mit einem Fernglas hinterherschaute. Dieser Mann unterlag bereits einem gerichtlichen Kontaktverbot. Das Gericht betrachtete allerdings das zweimalige Beobachten aus einer Entfernung von 500 Metern über einen Fluss hinweg nicht als ein wiederholtes Nachstellen (Oberlandesgericht Koblenz, Az. 13 WF 1002/09).

Was sagt der Bundesgerichtshof zu Stalking?


Aus einem Urteil des Bundesgerichtshofes geht hervor, was mit einem Eingriff in die Lebensgestaltung des Geschädigten gemeint ist. Demnach bedeutet „Lebensgestaltung“: Die Freiheit der menschlichen Entschlüsse und Handlungen muss beeinträchtigt sein. Dies ist gegeben, wenn durch die Handlungen des Täters eine Veränderung der äußeren Lebensumstände beim Betroffenen erzwungen wird (Beschluss vom 19.12.2012, Az. 4 StR 417/12). Nach neuer Rechtslage muss es sich nicht mehr - wie hier noch vom BGH gefordert - um eine schwer wiegende Beeinträchtigung handeln. Eine "nicht unerhebliche" Beeinträchtigung reicht aus. Zu diesem Begriff werden sich die Gerichte noch genauer äußern müssen.

Rentner stellt Mädchen nach


Das Oberlandesgericht Celle beschäftigte sich mit dem Fall eines wegen Vergewaltigung und Kindesmissbrauch mehrfach vorbestraften Rentners. Dieser hatte hartnäckig einer 14-Jährigen nachgestellt. Gegen den Mann wurde eine Gewaltschutzverfügung erlassen, die es ihm verbot, sich dem Mädchen zu nähern und sich zu bestimmten Tageszeiten an den von ihr üblicherweise besuchten Orten aufzuhalten. Das Gericht bestätigte diese Verfügung. Es beschrieb typisches Stalking so:

„Dazu gehören insbesondere ein demonstratives Verharren in der Nähe des Opfers bei einem - ggf. auch nicht gezielt herbeigeführten - Aufeinandertreffen, einschüchterndes Fixieren und Anstarren sowie demonstrative Umkreisungsgesten wie hier das wiederholte Öffnen und Schließen der Autotüren, die dem hier noch besonders jungen Opfer insgesamt sein hilf- und auswegloses Ausgeliefertsein vor Augen führen sollen. Für die Zielgerichtetheit dieses Verhalten spricht im Streitfall auch, dass er nunmehr noch in unmittelbare Nähe zu der - ihm durch seine früheren Annäherungen bestens bekannten - Wohnung der Antragstellerin gezogen ist.“
(OLG Celle, Beschluss vom 27.08.2014, Az. 10 UF 183/14).

Haftstrafen wegen Stalking


Zu einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde ein Mann, der nach dem Ende einer Beziehung seine Exfreundin durch SMS, Kontaktversuche auf der Arbeit und Klingeln an der Wohnungstür belästigt hatte. Dadurch hatte die Frau Angstzustände und Depressionen bekommen. Auch ein gerichtliches Kontaktverbot brachte ihn nicht zur Einsicht. Schließlich landete er im Gefängnis (Oberlandesgericht Karlsruhe, Az. 2 Ws 142/08).

Mittlerweile werden verstärkt Haftstrafen verhängt - auch längere. Das Landgericht München hat einen Mann zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, der eine Frau sieben Jahre lang ständig mit Telefonanrufen belästigt und auf der Straße verfolgt hatte. Das Amtsgericht München verurteilte 2012 einen Mann zu sechs Monaten Haft, der eine Frau drei Monate lang jeden Tag mit zehn SMS und 20 Anrufen terrorisiert hatte. Hier wirkte sich erschwerend aus, dass der Täter weder nach der Anzeige noch vor Gericht irgendeine Einsicht zeigte.

Heimliche Filmaufnahmen als Beweismittel?


Anders als sonst üblich können beim Stalking heimliche Filmaufnahmen unter Umständen vor Gericht als Beweismittel genutzt werden. Dies hat das Saarländische Oberlandesgericht erklärt. Nach dem Gericht war im konkreten Fall ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Stalkers, der auch am Auto der Betroffenen manipuliert hatte, gerechtfertigt (Az. 9 UF 73/10). Allerdings sei immer im Einzelfall eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter von Täter und Opfer durchzuführen.

Update vom 12.10.2022: Gerichtsprozess unter Künstlernamen und c/o-Adresse zulässig


Das Landgericht Köln hat entschieden, dass bei begründeter Sorge vor Stalking ein Gerichtsprozess durchaus auch unter dem Künstlernamen einer Partei und unter Verwendung einer c/o-Adresse geführt werden kann. Genutzt wurde dabei die Adresse des prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts.
Das Landgericht hat hier eine einstweilige Verfügung erlassen. Die Klägerin ist Künstlerin bzw. Zeichnerin und hatte für die Beklagte Zeichnungen angefertigt und ihr in umstrittenem Umfang Nutzungsrechte abgetreten. In diesem Rechtsstreit gab sie lediglich ihren Künstlernamen an und die Adresse ihres Anwalts.
Das Gericht akzeptierte dies, da keine Zweifel an der Identität der Klägerin bestanden. Auch habe diese an allen Gerichtsterminen persönlich teilgenommen, ohne geladen zu sein. Dadurch habe sie gezeigt, dass sie das Verfahren ernsthaft betreibe. Sie habe eine Zustellungsvollmacht zu Gunsten des Inhabers der c/o-Adresse vorgelegt. Ihre glaubhaft gemachte Erklärung, mit der sie ihre Sorge vor Stalkern wegen entsprechender negativer Erfahrungen in der Vergangenheit geschildert habe, begründe ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse. Dieses wiege schwerer, als das Interesse der Gegenseite, ihre ladungsfähige Wohnanschrift auf dem Gerichtsurteil zu sehen (LG Köln, Urteil vom 3.2.2022, Az. 14 O 392/21).

Praxistipp


Betroffenen rät die Polizeiliche Kriminalprävention, dem Stalker konsequent klarzumachen, dass kein Kontakt erwünscht ist. Das private und berufliche Umfeld sollte zum eigenen Schutz über das Stalking informiert werden. Bei akuten Angriffen oder Bedrohungen ist es anzuraten, sofort die Polizei zu rufen. Zu Beweiszwecken sollte alles dokumentiert werden, was der Stalker tut. Der "Weisse Ring" hat eine "No Stalk"-App entwickelt, die beim Dokumentieren unterstützt. Oft hilft eine Anzeige bei der Polizei, dem Ganzen ein Ende zu machen.
Zu strafrechtlichen Fragen berät Sie ein Fachanwalt für Strafrecht - auch zur Unterstützung des Strafverfahrens als Nebenkläger oder zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im sogenannten Adhäsionsverfahren.

(Wk)


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 Günter Warkowski
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