Verdeckte Gewinnausschüttung - Die vGA-Klausel in der Satzung der GmbH

27.10.2017, Autor: Herr Jörg Streichert / Lesedauer ca. 6 Min. (181 mal gelesen)
Der Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) ist gesetzlich nicht bestimmt, wird jedoch sowohl im Steuerrecht als auch im Handels- und Gesellschaftsrecht verwendet. Vor allem die Finanzgerichte versuchen, mit diesem Begriff Vermögensverlagerungen zwischen einer Körperschaft und ihren Anteilseignern zu erfassen und sachgemäß zu besteuern.

Im Steuerrecht versteht man unter einer vGA eine Vermögensminderung oder die Verhinderung einer Vermögensmehrung auf Ebene der Kapitalgesellschaft, die

• durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist,
• sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt,
• in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht und
• geeignet ist, beim Gesellschafter einen Beteiligungsertrag zu bewirken.

Demgegenüber liegt im Handels- und Gesellschaftsrecht dann eine vGA vor, wenn die Gesellschaft einzelnen oder allen Gesellschaftern Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen ohne äquivalente Gegenleistung gewährt.

Dieser Unterschied beruht darauf, dass das Steuerrecht mittels der vGA die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft erfassen will, während die vGA im Handels- und Gesellschaftsrecht dazu dient, Gläubiger und Mitgesellschafter zu schützen.


I. Rechtliche Situation

In der Vergangenheit waren in Satzungen häufig sog. vGA-Klauseln enthalten, die einen Rückforderungsanspruch der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern für den Fall einer aufgedeckten vGA vorsahen. Steuerlich zielten die Regelungen darauf, die Folgen der vGA durch eine nachträgliche Rückgewähr der vGA mit steuerlicher Rückwirkung entfallen zu lassen.

Diesem Vorgehen hat der BFH eine Absage erteilt. Die Rückzahlung wird als Einlage behandelt.

Ohne gesellschaftsvertragliche Regelung kann sich somit ein Gerechtigkeitsproblem ergeben: Wird im Rahmen einer Betriebsprüfung eine steuerschädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung nach § 8a KStG festgestellt, führt dies bei der fremdfinanzierten Gesellschaft zu einer vGA, die eine Einkommenserhöhung bewirkt.

Es kann daher interessengerecht sein, die mit der vGA einhergehenden Mehrbelastungen auf Ebene der Gesellschaft dem Gesellschafter zuzuweisen, der die schädliche Fremdfinanzierung zu verantworten hat.

Ohne eine solche Klausel partizipieren die Gesellschafter an dem Mehrbetrag der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer entsprechend der allgemeinen Gewinnbeteiligung.

Aus schenkungsteuerlicher Sicht kann eine Satzungsklausel, die die Rückgewähr einer verdeckten Gewinnausschüttung verpflichtend vorsieht, sinnvoll sein, wenn damit ein ggfs. bestehendes Schenkungsteuerrisiko rückwirkend beseitigt werden kann. Die steuerliche Rückwirkung erlaubt - neben der allgemeinen Vorschrift des § 175 Abs. 1 AO - gerade im Schenkungsteuerrecht die Vorschrift des § 29 ErbStG.

Im Verhältnis zwischen Gesellschafter und nahestehender Person ist nach wie vor unklar, ob eine freigebige Zuwendung im Sinne von § 7 Abs. 1Nr. 1 ErbStG in Betracht kommen kann. Mangels unmittelbarer Vermögensverfügung des Gesellschafters an die nahestehende Person lehnt der Schenkungsteuersenat des BFH in diesem Verhältnis eine freigebige Zuwendung im Sinne von § 7 Abs. 1Nr. 1ErbStG ab. Er deutet in einem Obiter Dictum allerdings an, dass eine Schenkung im Verhältnis der Gesellschaft zur nahestehenden Person gegeben sein könnte.

Ausgehend von diesem Obiter Dictum geht die Finanzverwaltung von einer Schenkung im Verhältnis der Gesellschaft zu nahestehenden Personen aus.

Auch der Gesetzgeber folgt dieser Linie und versucht, mit § 15 Abs. 4 ErbStG die zwischen der Gesellschaft und der nahestehenden Person zu ziehenden schenkungsteuerlichen Konsequenzen abzumildern, indem bezüglich des anwendbaren Freibetrags und des anwendbaren Tarifs davon ausgegangen werden soll, als ob eine Schenkung zwischen Gesellschafter und nahestehender Person gegeben wäre.

Nach der Gesetzesbegründung geht der Gesetzgeber dabei davon aus, dass eine entsprechende „ständige Rechtsprechung des BFH" existiere, obgleich lediglich das erwähnte Obiter Dictum im Raum steht.

Aufgrund der derzeitigen Rechtsprechung kann damit eine vGA-Klausel im Hinblick auf schenkungsteuerliche Rückwirkungsfragen und auch dort nur wegen vGA an nahestehende Personen erwägenswert sein.

Neben diesen steuerlichen Gesichtspunkten kann allerdings eine solche Klausel auch zivilrechtlich sinnvoll sein, insbesondere um einer nicht gewollten Bereicherung einzelner Gesellschafter durch nicht abgestimmte vGA mittels einer Rückzahlungspflicht entgegenwirken zu können.


II. Rechtliche Überlegungen

Im Hinblick auf die Frage, ob eine vGA-Klausel aufgenommen werden soll, sollten nachstehende Überlegungen angestellt werden:

• Verschärft die Finanzverwaltung ihre Anforderungen an eine vGA, könnten plötzlich Zahlungen, die die Gesellschafter bisher als angemessen betrachtet haben, als vGA zu erstatten sein. Es ist daher genau abzuwägen, ob im Einzelfall tatsächlich die Verwendung einer entsprechenden Klausel gewünscht ist.

• Gesellschaftsrechtliche vGA-Klauseln sollten sich daher nicht ausschließlich an den steuerlichen Begriff einer vGA halten und sich nicht stets an steuerlichen Entscheidungen ausrichten, da sonst ggfs. Erstattungen erfolgen müssten, bei denen die Zuwendungen von allen Gesellschaftern gewollt waren und beschlossen wurden. Das Problem lässt sich dadurch entschärfen, dass solche Zuwendungen von der Erstattungspflicht ausgenommen werden, der die Mehrheit derjenigen Gesellschafter zugestimmt hat, die nicht durch die Wertzuwendung begünstigt werden oder zumindest solche, der alle Gesellschafter zugestimmt haben.

• Zuwendung an nahestehende Personen: vGA können nicht nur Gesellschaftern zugerechnet werden, sondern auch diesen nahestehenden Personen. Auch wenn diese Dritten nicht den Bindungen und Pflichten des Gesellschaftsvertrags unterliegen, sollten auch derartige Zuwendungen regelmäßig von der vGA-Klausel erfasst werden. Soweit ein Gesellschafter einer nahestehenden Person dann im Einzelfall einen Vorteil zuwendet, sollte dieser sich gegenüber der begünstigten Person ggf. wiederum ein Rückforderungsrecht vorbehalten und vereinbaren.

• Achtung Insolvenzfall! Der erste, der an die vGA-Klausel denken könnte, kann der Insolvenzverwalter sein. Dies sollte in der Formulierung beachtet werden. Ob entsprechende Absicherungen - wie sie in meinen Formulierungsvorschlag vorgeschlagen werden - anfechtungsfest sind, ist nicht abschließend geklärt.

• Die Formulierung einer vGA-Klausel sollte auch die Frage klären, inwieweit ein Gesellschafter den steuerlichen Vorteil der Anwendung des Teileinkünfteverfahrens/der Abgeltungsteuer auf die ihm zufließenden Beträge zu erstatten hat.

• Es bestehen mehrere Wege der Rückgewähr von Vorteilen einer vGA. Es kann die Erstattungspflicht des Gesellschafters angeordnet werden. Diese führt für den Gesellschafter jedoch zu einer Einlage mit nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung. Dies ist steuerrechtlich meist unerwünscht, weil sich dieser Aufwand dann erst im Verkaufsfall gewinnmindernd auswirkt.



III. Formulierungsvorschlag einer vGA-Klausel in der Satzung der GmbH:

1.
Vermögenswerte und bewertbare Vorteile jeder Art dürfen Gesellschaftern und denen nahestehenden Personen nur aufgrund eines ordnungsgemäßen Gewinnverteilungsbeschlusses zugewendet werden.

Alle Rechtsgeschäfte zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern oder denen nahestehenden Personen sind so abzuschließen, dass diesen keine Vorteile zugewandt werden, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, also die dritten Personen nicht in gleicher Weise zugewandt worden wären.

2.
Hat der Zuwendung an den Gesellschafter bzw. eine diesem nahestehende Person die einfache Mehrheit der nicht durch die Zuwendung begünstigten Gesellschafter, gezählt nach Stimmgewichtung in der Gesellschafterversammlung unter Berücksichtigung von Stimmverboten nach § 47 Abs. 4 GmbHG und § 181BGB, zugestimmt, so ist der Vorteil auch dann nicht nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze zu erstatten, wenn steuerlich eine vGA vorliegt.

Eines formellen Gesellschafterbeschlusses bedarf es dafür nicht.

Die Beweislast für die Zustimmung der erforderlichen Anzahl der Mitgesellschafter trägt der Gesellschafter, der sich darauf beruft.

Sind alle Gesellschafter gleichmäßig durch eine Zuwendung begünstigt, so entstehen keine Erstattungsansprüche der Gesellschaft nach dieser Satzungsregelung; ebenso wenig, wenn alle Gesellschafter zugestimmt haben.

Sofern die Zuwendung auf einem Gesellschafterbeschluss beruht, der nicht angefochten wurde und nicht nichtig ist, so kann nach dieser Klausel keine Erstattung verlangt werden.

3.
Gesetzliche Erstattungsansprüche bleiben unberührt.

4.
Soweit ein Rechtsgeschäft gegen die vorstehenden Maßstäbe verstößt, sind die Vorteile, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, der Gesellschaft grds. in Natur zu erstatten (Grundsatz der Naturalrestitution).

5.
Kann die Rückgewähr nicht in Natur erfolgen, so ist der Wert des Vorteils am Tage der Zuwendung des Vorteils zu erstatten.

Dieser Rückgewähranspruch ist ab dem Zeitpunkt des Zuflusses beim Gesellschafter bis zur Erstattung mit drei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247BGB zu verzinsen.

6.
Schuldner des Erstattungsanspruchs ist der Gesellschafter, auch wenn der Vorteil einer diesem nahestehenden Person zugeflossen ist.

7.
Ersatzweise kann die einfache Mehrheit der nicht durch die vGA begünstigten Gesellschafter mit Wirkung für alle Gesellschafter beschließen, dass ihnen zum Ausgleich der gleiche Vorteil zzgl. der vorstehenden Verzinsung als zusätzliche Gewinnausschüttung überproportional aus Rücklagen oder aus künftigen Gewinnen ausgeschüttet werden soll.

In diesem Fall entfällt die Erstattungspflicht des Gesellschafters.

8.
Für die Rückforderung einer vGA nach den vorstehenden Bestimmungen bedarf es stets eines mit einfacher Mehrheit gefassten Gesellschafterbeschlusses, bei dem der unmittelbar oder mittelbar begünstigte Gesellschafter kein Stimmrecht hat

Das Vertretungsorgan der Gesellschaft hat insoweit kein eigenes Entscheidungsermessen.

Der Anspruch entsteht erst mit der Fassung des entsprechenden Beschlusses.

Dies gilt auch in der Insolvenz der GmbH.

9.

Diese vGA-Klausel und alle daraus fließenden Ansprüche erlöschen endgültig mit berechtigter Insolvenzantragstellung (auflösende Bedingung).

Dies gilt selbst dann, wenn der Beschluss über die Geltendmachung der vGA gegen den begünstigten Gesellschafter bereits vorher gefasst worden sein sollte.


Selbstverständlich stehe ich Ihnen auch persönlich für eine umfassende Beratung zur Verfügung. Weitere ausführliche Informationen finden Sie auf meiner Homepage.

V. i. S. d. P.:
Rechtsanwalt Jörg Streichert
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