Voraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen aus betrieblicher Übung

22.03.2013, Autor: Herr Erik Hauk / Lesedauer ca. 2 Min. (968 mal gelesen)
Der Busfahrer A erhielt seit dem Jahre 1991 bis zum Jahr 2005 vorbehaltlos mit der Weihnachtszuwendung in tariflicher Höhe und der Sonderzuwendung in durch die Betriebsvereinbarung geregelter Höhe jeweils zusätzlich weitere Sonderzahlungen. Sie waren in den Lohnabrechnungen getrennt ausgewiesen. Ab November 2006 wurden keine Zuschläge mehr erbracht.

Kann A die zusätzlichen Weihnachts- und Sonderzuwendungen aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung geltend machen?

Voraussetzungen der betrieblichen Übung:
Ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers kann vertragliche Ansprüche auf eine Leistung begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen dürfen, ihnen werde die Leistung auch künftig gewährt (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 13. Auflage, § 111 Rn. 11). Eine allgemein verbindliche Regel, ab welcher Anzahl von Leistungen der Arbeitnehmer erwarten darf, dass auch er die Leistung erhält, sobald er die Voraussetzungen erfüllt, gibt es nicht. Lediglich für Sonderzuwendungen wie Weihnachtsgeld besteht der Grundsatz, dass ein individualrechtlicher Anspruch erworben wird, wenn die Leistungen in drei aufeinander folgenden Jahren vorbehaltlos und in gleich bleibender Höhe gewährt werden (Schaub, aaO.).

Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber können durch die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen (insbesondere Zahlungen) des Arbeitgebers begründet werden, wenn die Arbeitnehmer aus diesen Verhaltensweisen schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden (betriebliche Übung). Aus einem solchen als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern grundsätzlich stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Grundsätzlich kann eine betriebliche Übung auch bezüglich übertariflicher Leistungen und übertariflicher Anteile einer einheitlichen Leistung entstehen. Dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers muss aber aus der Sicht der Arbeitnehmer der Wille zugrunde liegen, eine bestimmte übertarifliche Leistung zu erbringen. Nicht der Arbeitgeber trägt die Darlegungslast dafür, dass er für den Arbeitnehmer erkennbar irrtümlich glaubte, die betreffenden Leistungen in Erfüllung tarifvertraglicher oder sonstiger Pflichten erbringen zu müssen. Vielmehr ist es Sache des Arbeitnehmers, die Anspruchsvoraussetzungen darzulegen. Dazu gehört im Falle der betrieblichen Übung auch die Darlegung, dass das Verhalten des Arbeitgebers aus Sicht des Empfängers ausreichende Anhaltspunkte dafür bot, der Arbeitgeber wolle Zahlungen erbringen, ohne hierzu bereits aus anderen Gründen –etwa aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung- verpflichtet zu sein. Erst wenn solche Darlegungen des Arbeitnehmers die Entstehung einer betrieblichen Übung belegen, ist es Sache des Arbeitgebers, dem durch geeigneten Vortrag entgegenzutreten.

BAG, Urteil vom 29.08.2012, Az.: 10 AZR 571/11