Widerrufsrecht beim Werkvertrag – Schneller als gedacht!

24.10.2018, Autor: Frau Esther Maria Czasch / Lesedauer ca. 3 Min. (134 mal gelesen)
Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 30. August 2018 – VII ZR 243/17) hat in einer vor kurzem veröffentlichen Entscheidung wesentliche Grundsätze darüber aufgestellt, wann bei einem Werkvertrag ein Widerrufsrecht besteht und welche Konsequenzen für einen Unternehmer bei einer fehlenden Widerrufsbelehrung folgen können.

Die Leitsätze lauten wie folgt:

1. Ein Vertrag über die Herstellung und Lieferung einer an ein bestehendes Haus angepassten Aufzugsanlage ist ein Werkvertrag.
2. Der Verbraucher kann innerhalb der Widerrufsfrist frei wählen, ob er das Widerrufsrecht geltend macht. Er kann sein Widerrufsrecht auch noch nach einer etwaigen freien Kündigung des Werkvertrags ausüben.
3. Dem Unternehmer steht nach wirksamem Widerruf des Werkvertrags kein Wertersatzanspruch für bis zum Widerruf erbrachte Leistungen zu, wenn er den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nicht unterrichtet hat.
 

Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis, die nunmehr vom BGH nochmals in aller Deutlichkeit betont wurde.

 

Zum Sachverhalt

Ein Besteller schloss bei einem Hausbesuch des Vertreters eines Unternehmers einen Vertrag über die Errichtung eines sogenannten Senkrechtslifts an der Hausfassade zum Preis von 40.600,00 €. Der Besteller hat sodann einen Vorschuss geleistet. Bevor der Besteller die Pläne freigab, hat er gesagt, dass er vom Vertrag Abstand nimmt. Der Unternehmer übermittelte ihm sodann eine Rechnung wegen der aus seiner Sicht erfolgten Kündigung. Anschließend widerrief der Besteller den Vertrag und forderte Rückzahlung des bereits geleisteten Vorschusses. Mit der Klage verlangt der Besteller Zahlung der an den Unternehmen geleisteten Anzahlung. Der BGH gab dem Besteller Recht.

 

Zur Entscheidung

1. Der Werkvertrag unterliegt dem Widerrufsrecht!

Der Bundesgerichtshof bestätigt, dass der Besteller wirksam vom gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch machen konnte. Der Vertrag war nach § 312g BGB widerrufbar, weil er außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossen wurde, § 312b BGB. Der Anbau des Lifts ist ein Werkvertrag, der nach der europarechtlichen Systematik als Dienstvertrag einzustufen ist. Der Sinn des Widerrufsrechts ist es, dem Verbraucher ein an keine materiellen Voraussetzungen gebundenes, einfach auszuübendes Recht zur einseitigen Lösung vom Vertrag in die Hand zu geben, dass neben und unabhängig von den allgemeinen Rechten besteht, die jedem zustehen, der einen Werkvertrag schließt.

 

2. Widerrufsrecht kann neben Kündigung ausgeübt werden!

Die spätere Ausübung des Widerrufsrechts wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Besteller vorher bereits den Vertrag gekündigt hat. Der Besteller kann innerhalb der Widerrufsfrist frei wählen, ob er das Widerrufsrecht geltend machen will. Daher konnte er auch sein Widerrufsrecht nach einer bereits getätigten Kündigung im Sinne von § 648 BGB ausüben.

 

3. Rechtsfolgen für den Unternehmer?

Die Widerrufsfrist, die grundsätzlich erst mit Vertragsschluss beginnt (§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB), hat der Besteller gewahrt, weil der Unternehmer ihn nicht über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts unterrichtet hat. In diesem Fall erlischt das Widerrufsrecht erst 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss, § 356 Abs. 3 S. 2 BGB. Wegen der fehlenden Belehrung steht dem Unternehmer auch kein Wertersatzanspruch für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen zu, § 357 Abs. 8 S. 2 BGB.

 

Auswirkungen in der Praxis

In der tatsächlichen Praxis kommt es weitaus häufiger vor als gedacht, dass Verträge über Bauleistungen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden. Auch wenn beispielsweise der Verbraucher den Unternehmer selbst zu sich nach Hause bestellt hat, liegt seit dem 13.06.2014 ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag und somit ein Widerrufsrecht vor.

Seit dem 01.01.2018 gilt das neue Bauvertragsrecht. Bauverträge mit Verbrauchern über den Bau von neuen Gebäuden und erheblichen Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden werden in §§ 650i ff. BGB definiert. Ziel soll es laut Gesetzgeber sein, Verbrauchern bei solchen Verträgen einen besseren Verbraucherschutz zu gewährleisten. Das kann dazu führen, dass viele Verträge, die vorher unstreitig als Bauverträge anzusehen waren, nach der nunmehr geänderten gesetzlichen Definition hiervon auszunehmen sind. Hierfür bedarf es jedoch noch Rechtsprechung, die derzeit noch nicht vorliegt.

Weiterhin hat der BGH festgehalten, dass auch ein bereits gekündigter, ein nichtiger oder auch angefochtener Vertrag jederzeit widerrufen werden kann innerhalb der gesetzlichen Fristen.
Wenn der Unternehmer den Besteller nicht ordnungsgemäß informiert hat nach Art. 246 § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 3 EGBGB, kann dies dazu führen, dass der Unternehmer im Ergebnis leer ausgeht. Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge muss der Verbraucher ausdrücklich dazu aufgefordert haben, dass der Unternehmer mit der Ausführung der Leistung schon vor Ablauf der Widerrufsfrist (14 Tage) beginnt und dieses Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt haben, § 357 Abs. 8 S. 4 BGB. Solch ein Verlangen kann jedoch vom Verbraucher nur ausgeübt werden, wenn er ordnungsgemäß belehrt wird. Ohne zutreffende Belehrung geht der Unternehmer daher im Ergebnis leer aus.

Esther Czasch
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht