Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wg. Zuschreibung politischer Merkmale durch Taliban (afgh. Fahrer einer NGO)

09.06.2013, Autor: Herr Peter von Auer / Lesedauer ca. 3 Min. (2162 mal gelesen)
Das Verwaltungsgericht hat in der besprochenen Entscheidung einem afghanischen Asylsuchenden die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, weil er als Fahrer für eine Nichtregierungsorganisation (NGO) begründete Fucht vor nichtstaatlicher Verfolgung durch Taliban haben muss. Das Urteil ist inbesondere im Hinblick auf die Diskussion um die Aufnahme sog. "Ortskräfte" in Deutschland, die für die Bundeswehr in Afghanistan Hilfe geleistet haben, von Bedeutung.

Eine sehr begrüßenswerte asylrechtliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.13 (A 6 K 1071/13) verdient es, hier vorgestellt zu werden:

Mit dieser wird einem afghanischen Asylsuchenden die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen, der für das ANSO (= Afghanistan NGO Safety Office) welches - selbst als NGO tätig - u.a. andere NGOs mit aktuellen Informationen über den Bürgerkrieg versorgt, als Fahrer gearbeitet und ihm Nachrichten über die Taliban geliefert hat, .

Das VG Stuttgart betont in der Entscheidung zutreffend, dass es nicht darauf ankommt, ob der Kläger tatsächlich aus politischen Gründen gehandelt hat, sondern dass es ausreicht, wenn die nichtstaatlichen Verfolger in Form der Taliban hiervon ausgehen und ihn daher als Spion betrachten:

Die rechtliche Grundlage hierfür ergibt sich aus § 60 Abs. 5 AufenthG, der seinerseits u.a. auf Art. 10 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie (RL 2004/83EG) verweist, und bestimmt:

"Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden."

Begrüßenswert ist die Entscheidung vor allem auch deshalb, weil das VG Stuttgart anerkennt, dass die einfache Tätigkeit als Fahrer eine begründete Furcht vor der Verfolgung durch Taliban auslöst:

Pro Asyl und andere Flüchtlingsorganisationen haben immer wieder betont, dass auch einfache Handlangerdienste für NGOs oder für die in Afghanistan operierenden NATO-Truppen - etwa für die sogenannten "Ortskräfte", die für die NATO-Truppen u.a. als Dolmetscher tätig sind - zur Gefahr werden, weil den diese Dienste anbietenden Personen von Seiten der Taliban Verfolgung droht. Deshalb sei diesen Personen - die für diese unentbehrliche Arbeit geleistet haben - spätestens mit dem Abzug der NATO-Truppen Schutz zu gewähren.

Dem ist von Seiten u.a. der Bundesregierung immer wieder widersprochen worden. In der Vergangenheit hieß es stets, dass lediglich Personen, die einen - was immer hierunter zu verstehen sein soll - "höheren Dienst" für die Bundeswehr geleistet haben, möglicher Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt sein könnten.

In meiner anwaltlichen Tätigkeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass es in keinster Weise "höherer Dienste" bedarf, um eine Verfolgungsgefahr auf sich zu ziehen. So löst bspw. selbst das Mithelfen als Bauarbeiter o.ä bei dem Bau von Straßen und Schienennetzen, die von den Taliban nicht gerne gesehen sind, Verfolgungsgefahr aus: Zahlreiche Mandanten haben glaubhaft über eigene Verfolgung auf Grund ihrer Dienste bspw. in Form von Entführungen oder Tötungsandrohungen oder auch über die Verfolgung und z.Tl. auch die Tötung von Familienangehörigen auf Grund von Tätigkeiten für die NATO-Truppen, NGOs oder Staßen- und Schienenbauprojekte berichtet.

Zuletzt hieß es im April 2013 aus dem Bundesinneministerium vage: Nur wenn das Leben der Ortskräfte in Afghanistan "weit über das allgemeine Gefahrenpotential in Afghanistan bedroht" sei, komme "voraussichtlich" eine Aufnahme in Deutschland in Betracht. Die Zeit führte in einem Artkel vom 27.03.2013 ("Auf dem Ego-Trip") zutreffend aus: "In einem Land, in dem jedes Jahr hunderte Menschen bei Anschlägen getötet werden, kann man mit solchen Kriterien theoretisch jeden Antrag verweigern."

Demgegenüber haben bspw. die USA bereits in 2009, Großbrittanien und Dänemark erst kürzlich ein konkretes - wenn in Teilen auch ebenfalls zu restriktives - Aufnahmeprogramm für Ortskräfte und deren Familienangehörige aufgelegt.

Es sollte auch für die Bunderegierung eine Selbstverständlichkeit sein, dienigen, deren Hilfe sie sich bedient haben, bei dem kommenden Abzug aus Afghanistan nicht den Taliban in die Hände fallen zu lassen!

Für den einzelnen Betroffenen jedenfalls, dem es gelingt sich nach Deutschland durchzuschlagen, darf kein höherer Maßstab für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gelten, als in der von dem VG Stuttgart angelegte.

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