AG Reinbek, Beschl. 14.1.2022 - 5 F 17/19

Unzulässigwerden eines Folgeantrags zum Güterrecht bei separatem vorzeitigem Zugewinnausgleich

Autor: RA Dr. Walter Kogel, FAFAmR, Dr. Kogel & Mast Familienanwälte, Aachen
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 09/2022
1. Wird während der Rechtshängigkeit eines Scheidungsverbundverfahrens in einem Parallelverfahren die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft herbeigeführt, ist eine Fortführung des im Rahmen des Scheidungsverbundverfahrens anhängigen Zugewinnausgleichsverfahren als Folgesache unzulässig, da keine Regelung für den Fall der Scheidung mehr zu treffen ist.2. Der Anspruchsteller kann seinen Antrag unter den Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 FamFG, § 263 ZPO bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ändern und nunmehr vorzeitigen Zugewinnausgleich geltend machen. Das Zugewinnausgleichsverfahren ist gem. § 113 Abs. 1 FamFG, § 145 ZPO vom Scheidungsverbundverfahren abzutrennen (entgegen AG Koblenz v. 15.4.2016 – 201 F 55/13, FamRZ 2016, 1394).

FamFG § 113, § 137, § 141; ZPO § 145, § 263; BGB § 1385

Das Problem

Im Rahmen des Scheidungsverfahrens (rechtshängig seit Januar 2019) hatte die Antragstellerin zunächst die Folgesache Güterrecht als Stufenantrag anhängig gemacht. Nach Beendigung der Auskunftsstufe hatte sie ihren Antrag beziffert. Der Antragsgegner hatte mit einem 3 Jahre nach der Trennung eingeleiteten isolierten Verfahren die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft gem. § 1385 BGB geltend gemacht. Dieses Verfahren wurde im November 2021 rechtskräftig abgeschlossen. Nunmehr änderte die Antragstellerin ihren Antrag in der Folgesache Zugewinn. Sie beantragte, den Antragsgegner nicht mehr ab Rechtskraft der Scheidung, vielmehr bereits seit Rechtskraft des Verfahrens auf vorzeitigen Zugewinn zur Zahlung von 20.000 € zu verpflichten.

Die Entscheidung des Gerichts

Bei dem neuen Antrag der Antragstellerin handele es sich um eine Antragsänderung. Zugewinn werde nunmehr nicht mehr für den Fall der Scheidung, sondern vorzeitig verlangt. Die Zulässigkeit der Antragsänderung richte sich nach § 113 Abs. 1 FamFG, § 263 ZPO. Obwohl der Antragsgegner der Antragsänderung nicht zugestimmt habe, sei diese jedenfalls sachdienlich. Die Berechnungsfaktoren für den Zugewinn seien identisch. Insbesondere bleibe es bei dem Stichtag der Zustellung des Scheidungsantrags zur Berechnung des Endvermögens gem. § 1384 BGB. Die Rechtshängigkeit des früher rechtshängig geworden Verfahrens sei maßgeblich, selbst wenn – wie hier – erst das spätere zur Beendigung des Güterstands führe (Siede in Grüneberg, 81. Aufl., § 1384 BGB Rz. 8 m.w.N.). Wenn die Antragstellerin gezwungen wäre, ihren Zugewinnausgleichsantrag in einem neu einzuleitenden Verfahren geltend zu machen, müsste sämtlicher Sachvortrag mit Beweiserbieten wiederholt werden. Allerdings sei eine Fortführung des Zugewinnantrags im Scheidungsverfahren als Folgesache unzulässig. Eine Abtrennung müsse erfolgen. Es sei keine Regelung mehr „für den Fall der Scheidung“ zu treffen. Streitig sei allerdings, aufgrund welcher Rechtsgrundlage eine Trennung vorgenommen werden könne. Nach einer Meinung sei § 141 FamFG analog anzuwenden (so AG Koblenz v. 15.4.2016 – 201 F 55/13, FamRZ 2016, 1394). Die Folgesache Zugewinn könne danach als selbständige Sache fortgeführt werden, sofern dies von einem der Beteiligten vor Eintritt der Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses zum Zugewinn ausdrücklich erklärt werde. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht fristgerecht erfüllt worden. Nach anderer Meinung (z.B. Schneider, NZFam 2017, 603) sei das Verfahren aus dem Scheidungsverbundverfahren herauszulösen, ohne dass es einer ausdrücklichen Fortführungserklärung bedürfe. Dies ergebe sich aus § 145 ZPO. Dieser Ansicht schließt sich das AG an. Eine analoge Anwendung des § 141 FamFG scheide deswegen aus, weil keine Regelungslücke bestehe. Die direkte Anwendung des § 113 Abs. 1 FamFG sowie § 145 ZPO ermögliche bereits dieses Ergebnis. Würden Ansprüche, die nicht in den Scheidungsverbund gehörten, im Scheidungsverbundverfahren erhoben, seien diese abzutrennen (vgl. BGH v. 19.3.1997 – XII ZR 277/95, FamRZ 1997, 811). Nichts anderes könne für den Fall gelten, dass ein Anspruch – wie hier – ursprünglich zulässigerweise im Rahmen des Scheidungsverbunds geltend gemacht worden sei und erst durch nachträglich eingetretene Umstände infolge Antragsänderung seine Eigenschaft als Folgesache verloren habe. Daher sei der Antrag aus dem Verbund zu lösen und in einem neuen Verfahren zu behandeln (so auch AG Reinbek v. 18.3.2022 – 5 F 369/19, FamRZ 2022, 1051).


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