Bdb. OLG, Beschl. 4.12.2019 - 13 UF 73/19

Entscheidung, dass ein Versorgungsausgleich derzeit nicht stattfinde

Autor: DirAG Olaf Adamus, Oranienburg
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 05/2020
1. Die instanzabschließende Entscheidung, einen Versorgungsausgleich zur Zeit nicht stattfinden zu lassen, stellt bei einem im Raum stehenden Normalfall eines Wertausgleichs bei Scheidung außerhalb des Anwendungsbereichs des § 224 Abs. 3 FamFG mangels verfahrensrechtlicher Grundlage eine unzulässige Teilentscheidung dar.2. Im Scheidungsverfahren verstößt dies zugleich gegen § 137 Abs. 1, § 142 Abs. 1 FamFG, wonach über sämtliche im Verbund stehenden Familiensachen durch einheitlichen Beschluss zu entscheiden ist. Damit ist eine unzulässige Teilentscheidung gegeben, die gem. § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO – auch ohne Antrag, § 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO – aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist (vgl. Brandenburgisches OLG v. 18.10.2011 – 10 UF 143/11, FamRZ 2012, 572 = NJW 2012, 241 m.w.N.).3. Das Gleiche gilt, soweit das Familiengericht hierdurch nur über einen Teil (Scheidung) der nach § 137 Abs. 1 FamFG einheitlich zu treffenden Entscheidung entschieden hat, ohne dass die Voraussetzungen für eine Abtrennung erfüllt sind (vgl. Feskorn in Prütting/Helms, 4. Aufl. 2018, § 117 FamFG Rz. 15 m.w.N.).

FamFG § 137, § 140

Das Problem

Nach Inhaftierung des Antragsgegners am 1.12.2014 verzog die Antragstellerin mit den gemeinsamen Kindern vom letzten gemeinsamen Wohnsitz in Österreich nach Deutschland. Mitte April 2016 wurde dem Antragsgegner der Scheidungsantrag der Antragstellerin übermittelt. Am 19.1.2018 wurde der Antragsgegner angehört. Er widersprach der Scheidung. Nachdem die Richterin einen weiteren Anhörungstermin anberaumte, ohne die Vorführung des Antragsgegners zu veranlassen, lehnte dieser die Richterin als befangen ab. Im Rahmen der Ablehnung wegen der fehlenden Anordnung einer nochmaligen persönlichen Anhörung beantragte er die Verlegung in eine andere JVA. Das Gesuch wurde abschließend durch das OLG als unbegründet zurückgewiesen. Danach bestimmte die Richterin erneut einen Anhörungstermin auf den 5.3.2019, ohne die Vorführung des Antragsgegners zu veranlassen. Der Antragsgegner lehnte die Richterin daraufhin mit derselben Begründung erneut ab. Dieses Ablehnungsgesuch wies die Richterin vor dem Termin wegen des offensichtlichen Missbrauchs des Ablehnungsrechts als unzulässig zurück. Im Termin wurde die Ehe nach Anhörung der Antragstellerin geschieden. Zum Versorgungsausgleich wurde tenoriert, dass dieser zur Zeit nicht stattfinde. Der Ausspruch zum Versorgungsausgleich wurde damit begründet, dass der Ehemann eine Mitwirkung im Rahmen des Versorgungsausgleichsverfahrens ablehne.

Der Antragsgegner beanstandet den Beschluss als fehlerhaft und erstrebt der Sache nach die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das AG.

Die Entscheidung des Gerichts

Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache. Das AG habe einen „schwerwiegenden Verfahrensfehler“ begangen, indem es festgestellt hat, dass ein Versorgungsausgleich zur Zeit nicht stattfinde. Damit wurde eine prozessuale Rechtsfolge ausgesprochen, die das FamFG nicht vorsieht. Nur in den Fällen des § 224 Abs. 3 FamFG finde kein Versorgungsausgleich statt. Ein solcher Fall liege aber nicht vor. Damit verstoße der Beschluss gegen § 137 Abs. 1, § 142 Abs. 1 FamFG, wonach im Fall der Scheidung über sämtliche im Verbund stehenden Familiensachen durch einheitlichen Beschluss zu entscheiden ist. Eine unzulässige Teilentscheidung ist gem. § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO auch ohne Antrag (§ 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO) aufzuheben und zurückzuverweisen (vgl. Bdb. OLG v. 18.10.2011 – 10 UF 143/11, FamRZ 2012, 572 = NJW 2012, 241 m.w.N.). Selbiges gelte auch im Hinblick auf eine Abtrennung der Folgesache, die nur unter den Voraussetzungen des § 140 FamFG zulässig ist. Es handele sich um zwingendes Recht, das nicht zur Disposition der Beteiligten steht. Bei einem Verstoß komme gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 295 Abs. 2 ZPO auch keine Heilung dieses Verfahrensmangels durch Rügeverlust in Betracht (vgl. Helms in Prütting/Helms, 4. Aufl. 2018, § 140 FamFG Rz. 4 m.w.N.).

Die Voraussetzungen einer Abtrennung, etwa nach § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG, lagen nicht vor. Weder hatte die Antragstellerin einen dahin gehenden Antrag gestellt noch hat das AG einen Trennungsbeschluss nach § 140 Abs. 6 FamFG gefasst; eine stillschweigende Abtrennung wäre unzulässig (vgl. Weber in BeckOK/FamFG, § 140 Rz. 18 m.w.N.).

Nicht zu beanstanden war allerdings, dass die Amtsrichterin das weitere Ablehnungsgesuch selbst als unzulässig zurückgewiesen hat. Bei offensichtlich missbräuchlichen Ablehnungsgesuchen ist kein Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot des § 45 Abs. 1 ZPO und die Wartepflicht des § 47 ZPO anzunehmen (vgl. Stackmann in MünchKomm/ZPO, 5. Aufl. 2016, § 45 Rz. 2, § 47 Rz. 2, jew. m.w.N.). Offensichtlich missbräuchlich ist das Gesuch namentlich bei offensichtlicher Unzulässigkeit oder Verfolgung verfahrensfremder Zwecke. Beides liegt hier vor. Der Antrag wurde mit derselben Begründung wiederholt, wobei die vorherige Entscheidung das Gericht bindet und mit der Strafvollzugsangelegenheit (Verlegung in eine andere JVA) wird ein verfahrensfremder Zweck verfolgt.


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