Hans. OLG Bremen, Urt. 9.6.2023 - 4 U 35/22

Verjährungshemmung bei Ruhen von einem von zwei parallelen Verfahren auf Zugewinnausgleich

Autor: RA Dr. Walter Kogel, FAFamR, Dr. Kogel & Mast Familienanwälte, Aachen
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 09/2023
Ordnet ein Familiengericht in einem durch einen Ehegatten eingeleiteten Verfahren auf die Geltendmachung von Zugewinnausgleich auf ausdrücklichen Hinweis des Familienrichters und auf Antrag eines und im Einverständnis beider Ehegatten das Ruhen des Verfahrens an, um den Abschluss eines durch den anderen Ehegatten parallel bei einem anderen Familiengericht eingeleiteten Verfahrens auf Zugewinnausgleich abzuwarten, endet die Hemmung der Verjährung nicht, wenn das Verfahren nicht binnen sechs Monaten nach der Anordnung des Ruhens des Verfahrens weiter betrieben wird.

BGB a.F. § 204 Abs. 2 S. 2, § 1378 Abs. 4 S. 1; BGB § 204 Abs. 2 S. 3, § 1378 Abs. 1

Das Problem

Das Urteil behandelt einen Anwaltsregress. Die Ehe des Klägers und seiner Ehefrau wurde am 4.6.2004 geschieden. Im Mai 2007 erhob die Ehefrau eine Stufenklage auf Zugewinn beim AG in X. Für den Kläger erhob die Beklagte als seine Anwältin ebenfalls im Mai 2007 eine bezifferte Zugewinnausgleichsklage, allerdings beim AG in Y. Aufgrund der Ortsverschiedenheit der Eheleute lag der Gerichtsstand bei dem jeweiligen Beklagten. Nach entsprechendem Hinweis der Ehefrau im Rahmen der Klageerwiderungsfrist schlug das AG in Y den Beteiligten vor, das dortige Zahlungsverfahren des Ehemanns zum Ruhen zu bringen. Eine Verbindung sei nicht möglich. Da mehrere Immobilien zu bewerten seien, sei ansonsten eine doppelte kostspielige Beweisaufnahme erforderlich. Zudem könnte es zu unterschiedlichen Entscheidungen in den bei verschiedenen Gerichten laufenden Verfahren kommen. Die Eheleute waren hiermit einverstanden. Seit dem 14.1.2008 ruhte daher diese Verfahren beim AG Y. Zunächst betrieb die Ehefrau ihr Auskunftsverfahren weiter. Es kam zu einer Verurteilung des Ehemanns auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Oktober 2008. Diese Versicherung gab der Ehemann auch im Oktober 2008 ab. Das Stufenverfahren der Ehefrau wurde von ihr in der Folgezeit nicht weiter betrieben. Unabhängig davon rief der Ehemann nunmehr das zum Ruhen gebrachte Verfahren beim AG in Y im November 2008 auf. In diesem Verfahren berief sich die Ehefrau auf Verjährung. Die bezifferte Klage des Ehemannes wurde durch das OLG Oldenburg im Jahre 2018 rechtskräftig wegen Verjährung abgewiesen (OLG Oldenburg v. 8.3.2018 – 14 UF 50/17). Daraufhin nimmt der Ehemann seine Verfahrensbevollmächtigte, die ihn im Zugewinnprozess in beiden Instanzen vertreten hat, auf Schadensersatz in Anspruch. Zu Recht?

Die Entscheidung des Gerichts

Der Senat weist den Schadensersatzanspruch ab. Im Gegensatz zu der Entscheidung des OLG Oldenburg vertritt er die Auffassung, Verjährung sei nicht eingetreten. Die Beklagte sei als Anwältin zu einer umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet gewesen. Sie habe dem Mandanten die Schritte anraten müssen, die zu dem erstrebten Ziel führten und den Eintritt von voraussehbaren und vermeidbaren Nachteilen verhinderten. Hierbei sei der sicherste und gefahrloseste Weg einzuschlagen. Sichergestellt werden müsse vor allem, dass der Mandant keine Rechtsnachteile durch Verjährung erleide (vgl. BGH v. 24.5.2012 – IX ZR 168/11, FamRZ 2012, 1296 = FamRB 2012, 233 [Kogel]). Wenn ein Schaden aus anwaltlicher Pflichtverletzung geltend gemacht werde, müsse im Regressverfahren das Gericht selbständig darüber befinden, wie der Vorprozess richtig zu entscheiden gewesen wäre. Die Meinung des mit dem Vorprozess befassten Gerichtes sei insoweit ohne Belang (vgl. BGH v. 16.6.2005 – IX ZR 27/04, NJW 2005, 3071). Durch die Zahlungsklage des Ehemanns sei zunächst die Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt gewesen. Das Verfahren sei allerdings dadurch in Stillstand geraten, dass die Beteiligten es nicht weiter betrieben hätten. Gemäß § 204 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. sei an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Beteiligten getreten. Nachdem das Verfahren länger als sechs Monate geruht habe (Januar bis November 2008), sei grundsätzlich eine Verjährung denkbar gewesen. Gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. sei jedoch nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. z.B. BGH v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, MDR 2009, 761) dann eine Ausnahme anzunehmen, wenn der damalige Kläger einen triftigen und für den anderen Teil erkennbaren Grund gehabt habe, das Verfahren vorübergehend nicht zu betreiben. Dies sei eine Frage des Einzelfalls. Als triftiger Grund sei in der Rechtsprechung z.B. angesehen worden, wenn das Gericht einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, der den Kläger von der Weiterverfolgung seiner Ansprüche abgehalten habe (vgl. BGH v. 1.7.1986 – VI ZR 120/85, MDR 1987, 42). Genau dies sei hier der Fall. Im Hinblick auf die kostenträchtige Beweisaufnahme wegen der Immobilien sei aus wirtschaftlichen Gründen das Ruhen eines der beiden Verfahren sinnvoll gewesen. Die Ehefrau habe selbst das Ruhen des anderen Verfahrens (beim AG Y) angeregt. Auf diese Weise sei auch vermieden worden, dass einander widersprechende Entscheidungen erlassen wurden. Für beide Beteiligte des damaligen Verfahrens sei es sinnvoll gewesen, nur eines dieser Verfahren zu betreiben. I.Ü. habe das Gericht damals selbst – allerdings mit einem anderen Familienrichter besetzt – diese Vorgehensweise vorgeschlagen. Erst nach dem Dezernatswechsel habe sich die Rechtsansicht der ersten Instanz beim AG Y geändert. Des Weiteren könne man daran denken, die übereinstimmende Beantragung des Ruhens als ein Stillhalteabkommen mit der Folge einer Hemmung der Verjährung gem. § 205 BGB zu werten. Ob dies letztendlich anzunehmen sei, könne aber dahingestellt bleiben. Der Einrede der Verjährung durch die Ehefrau habe zumindest § 242 BGB entgegengestanden. Gerade sie habe durch ihr Verhalten und ihre Ruhensanregung die berechtigte Erwartung geweckt, sie werde sich nur sachlich verteidigen, nicht aber mit dem Mittel der Verjährung. Zwar habe das OLG Oldenburg all dies anders bewertet und dieser prozessualen Erklärung des Ruhens keine materiellrechtliche Wirkung beigemessen. Diese Rechtsansicht sei indes falsch.


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