OLG Dresden, Beschl. 4.11.2021 - 23 UF 259/21

Zulässigkeit der Teilungsversteigerung des Familienheims vor Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses

Autor: RA Dr. Walter Kogel, FAFAmR, Dr. Kogel & Mast Familienanwälte, Aachen
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 08/2022
1. Auch vor Rechtskraft der Scheidung ist eine Teilungsversteigerung des Familienheims möglich. Sie ist insbesondere nicht gem. § 242, § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB generell gehindert.2. In einem solchen Fall ist vielmehr eine Abwägung der Interessen der Beteiligten vorzunehmen. Fehlen beiderseitige triftige Gründe, hat die Teilungsversteigerung bis zur Rechtskraft der Scheidung zu unterbleiben. Dies folgt aus der Pflicht zur ehelichen Rücksichtnahme.3. Die Rechtsbeschwerde zur Frage, ob bis zur Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses eine Teilungsversteigerung der Ehewohnung stets unzulässig sei, wird zugelassen.

BGB § 242, § 749, § 753, § 1353, § 1361b, § 1365; ZPO § 771; ZVG § 180

Das Problem

Die Beteiligten, verheiratet seit 1993, trennten sich 2016. Anfang 2018 wurde der Scheidungsantrag gestellt. Beide Eheleute begehren die Scheidung. Die Zugewinngemeinschaft wurde im Januar 2020 vorzeitig beendet. Allerdings wurde die Scheidung noch nicht ausgesprochen, da der nacheheliche Unterhalt als Folgesache weiterhin anhängig ist. Die Antragstellerin wohnt mit ihren 9 Hunden in dem den Beteiligten zu je 1/2 gehörenden Einfamilienhaus. Auf dem großen Grundstück steht ein weiteres Haus. Dieses ist jedoch wegen des renovierungsbedürftigen Zustands nicht vermietet. Der Antragsgegner begehrt die Teilungsversteigerung. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit einem Drittwiderspruchsantrag. Zuvor sind ihre Einstellungsanträge nach § 180 Abs. 2 und 3 ZVG abschlägig beschieden worden.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Senat weist – wie die erste Instanz – diesen Antrag ab. Ein Verstoß gegen § 1365 BGB scheide schon deswegen aus, weil der Antragsgegner erhebliches Vermögen aus einer Abfindung besitze. Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung sei i.Ü. § 749 Abs. 1 BGB. Danach könne jeder Teilhaber jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen. Gegen die Aufhebung könnten aber gesetzliche Beschränkungen des Aufhebungsrechts eingewendet werden. Diese könnten sich unter anderem aus einer Generalklausel wie § 242 BGB und § 1353 Abs. 1 Satz 3 BGB ergeben. Ob vor Rechtskraft der Scheidung eine Teilungsversteigerung des Familienheims überhaupt zulässig sei, werde unterschiedlich beurteilt. Das Hans. OLG Hamburg (Hans. OLG Hamburg v. 28.7.2017 – 12 UF 163/16, FamRZ 2017, 1829 = FamRB 2018, 5 [Mast]) habe einen solchen generellen Ausschluss bejaht. Im Anschluss an einen Beschluss des BGH (BGH v. 29.9.16 – XII ZB 487/15, FamRZ 2017, 22 = FamRB 2017, 2 [Neumann]) habe es die Auffassung vertreten, dass eine Beschränkung des Eigentums durch die die Ehewohnung betreffende familienrechtliche Vorschrift des § 1361b BGB erfolgen müsse. Insbesondere sei nach der BGH-Entscheidung in der Zeit bis zur Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses ein Herausgabeanspruch der Ehewohnung gemäß § 985 BGB ausgeschlossen. Die Teilungsversteigerung eines Grundstücks sei unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der familienrechtlichen Vorschrift mit der Veräußerung des Grundstücks bzw. einem Herausgabeverlangen vergleichbar. Dieser Beschluss sei in der Rechtsprechung und Literatur auf nahezu einhellige Ablehnung gestoßen (vgl. z.B. Thür. OLG v. 30.8.2018 – 1 UF 38/18, FamRZ 2019, 515; OLG Stuttgart v. 29.10.2020 – 15 UF 194/20, FamRZ 2021, 663 = NZFam 2021, 280 = FamRB 2021, 178 [Kogel] sowie die Nachweise bei Wever, FamRZ 2021, 665; Mast, FamRB 2018, 5; Kogel, FamRZ 2017, 1830). Das OLG Dresden schließt sich dieser Gegenmeinung an. § 749 Abs. 1 BGB gelte zunächst auch für die Ehewohnung vor rechtskräftiger Scheidung. Die Vorschrift des § 1361b BGB gelte lediglich für den gesetzlich besonders geregelten Fall der Herausgabe. Für die Veräußerung fehle gerade eine solche Spezialregelung. Anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des BGH. Ohnehin gebe nach ganz herrschenden Meinung § 1361b BGB keine Möglichkeit zum Verbot der Veräußerung der Ehewohnung (vgl. Götz in Grünberg, 81. Aufl., § 1361b BGB Rz. 17; Kogel, Strategien bei der Teilungsversteigerung, 5. Aufl., Rz. 106 ff.). Für einen solchen Eingriff in das Eigentumsrecht fehle es an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Außerdem führe die Ansicht des Hans. OLG Hamburg zu unangemessenen Ergebnissen, sofern die Eheleute schon lange getrennt lebten und eine Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft faktisch ausgeschlossen sei. Dem im Haus lebenden Ehegatten stünden auch hinreichende Abwehrmaßnahmen z.B. in Form der Einstellungsvorschriften des § 180 Abs. 2, Abs. 3 ZVG zur Verfügung. Darüber hinaus könne er die Teilungsversteigerung so lange verhindern, wie der andere Partner nicht hinreichende triftige Gründe zur Auseinandersetzung vortragen könne.

Die sorgfältig vorgenommene Abwägung ergebe vorliegend allerdings, dass einerseits die Antragstellerin keine hinreichenden Gründe für den Ausschluss der Teilungsversteigerung habe; der Antragsgegner habe hingegen sehr wohl ein Verwertungsinteresse.
  • Nachdem die Beteiligten bereits fünf Jahre getrennt lebten und beide Eheleute Scheidungsanträge stellten, sei die Ehe offenkundig gescheitert. Die Antragstellerin habe hinreichend Zeit gehabt, sich auf diese neue Situation einzustellen.
  • Die behaupteten Ansprüche der Antragstellerin auf Zahlung von Zugewinn und Unterhalt in erheblicher Höhe seien hochstrittig. Mit einer Entscheidung sei erst in Jahren zu rechnen. Wegen dieser Ansprüche könne sie in den Versteigerungserlös pfänden. Bei drohender Vereitelungsabsicht des Antragsgegners – für die konkret nichts spräche – könne ein Arrest beantragt werden.
  • Gegen die angeblich für sie physisch unzumutbare Räumung spreche der Umstand, dass sie in einem ambulanten Pflegedienst tätig sei und 9 Hunde versorgen könne. Die Hunde (Huskies, die als Schlittenhunde eingesetzt werden) könnten ggf. anderweitig untergebracht werden. Durch den Verkauf und die behaupteten weiteren erheblichen Ansprüche stünden ihr hinreichende Finanzmittel zur Verfügung.
  • Vor allem: Einen schlüssigen Vortrag, wie sie die notwendige Auseinandersetzung der Miteigentumsgemeinschaft durch Eigenerwerb finanzieren wolle, habe die Antragstellerin nicht dargelegt. Nachdem ihr durch den Senat Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden sei, sei ein derartiges Konzept nicht ersichtlich. Insbesondere habe sie dies nicht durch eine aussagekräftige Finanzierungszusage glaubhaft machen können. Zudem seien die Grundstückspreise gegenüber den von der Antragstellerin selbst geäußerten Wertvorstellungen noch einmal stark angestiegen. Wie sie die Auszahlung des hälftigen Anteils überhaupt finanzieren wolle, sei unklar.
  • Hingegen sei der Antragsgegner auf Liquidität angewiesen. Seine frühere gut dotierte Erwerbstätigkeit habe er unverschuldet verloren. Aufgrund einer Erkrankung und 50 %-igen Schwerbeschädigung könne er seinen Beruf als Anästhesist nicht mehr ausüben. Sein Krankengeld laufe aus. Zudem werde ein wesentlicher Teil des Grundstücks wirtschaftlich nicht genutzt. Da die Antragstellerin angeblich weder physisch noch finanziell in der Lage sei, die Vermietbarkeit des leerstehenden Hauses zu ermöglichen, sei die Veräußerung wirtschaftlich sinnvoll.


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