OLG Hamm, Beschl. 15.5.2018 - 7 UF 18/18

Ausbildungsunterhalt für eine zweite Ausbildung

Autor: RiOLG a.D. Dr. Dagny Liceni-Kierstein, Berlin
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 09/2018
Haben die Eltern ihrem Kind eine angemessene Ausbildung finanziert, welche seinen Begabungen und Neigungen entspricht, und findet das Kind in diesem erlernten Beruf nach Abschluss der Ausbildung keine Arbeitsstelle, sind die Eltern auch bei guter wirtschaftlicher Lage grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Kind eine weitere Berufsausbildung zu gewähren.

OLG Hamm, Beschl. v. 15.5.2018 - 7 UF 18/18

Vorinstanz: AG Dortmund, Beschl. v. 3.1.2018 - 116 F 5862/16

BGB § 1601, § 1610 Abs. 2; BAföG § 37 Abs. 1

Das Problem

Das antragstellende Land (Ast) verlangt von den Antragsgegnern (Ag) aus übergegangenem Recht (§ 37 BAföG) für den Zeitraum von 10/2015 bis 9/2016 die Zahlung von Ausbildungsunterhalt, den der Ast an die Tochter (T) der Ag vorausgeleistet hat. Die 1991 geborene T besuchte von 2001 bis zum Erwerb der mittleren Reife im Jahr 2007 das Gymnasium. Parallel zu ihrer Schulausbildung absolvierte T von 2006 bis 2007 nach bestandener Aufnahmeprüfung an der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst eine einjährige Vorbereitungszeit an der Akademie des Tanzes. Im Anschluss daran nahm T mit Erfolg an einem erneuten Auswahlverfahren der Hochschule teil und studierte von 8/2007 bis 7/2011 im Studiengang Tanz, den sie mit dem Diplom für Tanz erfolgreich abschloss. Das Abschlusszeugnis der T weist für 3 von insgesamt 6 praktischen Prüfungen die Prüfungsnote ausreichend (4,0) aus. Bei den 3 anderen praktischen Prüfungen erhielt T zweimal die Note gut (1,7 und 2,0) und einmal befriedigend (3,0). Von 2011 bis 2012 war T als arbeitssuchend gemeldet und bewarb sich europaweit ohne Erfolg um eine ausbildungsgemäße Anstellung als Bühnentänzerin. Zum Schuljahr 2012/2013 nahm T ihre Schulausbildung wieder auf, erwarb in 12/2014 die allgemeine Hochschulreife (Abschlussnote: 1,0) und begann zum Wintersemester 2015/2016 ein Studium im Studiengang Psychologie. Ab 10/2015 wurden der T antragsgemäß Leistungen nach dem BAföG i.H.v. monatlich 468 € bzw. 659 € gewährt. Das AG hat die Ag antragsgemäß zu anteiligen Zahlungen von Ausbildungsunterhalt für ihre Tochter verpflichtet. Diese habe ausnahmsweise Anspruch auf Finanzierung einer weiteren Ausbildung, denn die Ausbildung zur Bühnentänzerin habe nicht den Neigungen und Fähigkeiten der T entsprochen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Ag, deren Leistungsfähigkeit und jeweiligen Haftungsanteile zwischen den Beteiligten außer Streit stehen.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG gibt der Beschwerde statt und weist den Unterhaltsanspruch mangels Ausbildungsverpflichtung der Ag zurück. Bei dem Studium der Psychologie handele es sich nicht im Sinne der Rechtsprechung des BGH um eine Weiterbildung der T zu ihrem bisherigen Ausbildungsgang, die eine fortdauernde Unterhaltsverpflichtung der Eltern auslöse. Denn zwischen diesem Studium und der staatlich anerkannten Berufsausbildung als Bühnentänzerin fehle es an dem hierfür erforderlichen engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang. Die Fortsetzung des Schulbesuchs mit anschließendem Studium sei von T auch nicht von vornherein angestrebt worden. Es lasse sich nach den Umständen ebenso wenig feststellen, dass die Tanzausbildung der T, die auf ihren autonomen und nachdrücklichen Wunsch zurückzuführen sei, nicht ihren Neigungen, Fähigkeiten und ihrer Begabung entsprochen habe. T habe schon sehr früh das Hobby Ballett gehabt sowie Ballettunterricht erhalten. Die Hochschulzulassung und die einjährige Vorbereitungszeit machten auch deutlich, dass bei Ausbildungsbeginn keine Fehleinschätzung in Bezug auf die Fähigkeiten und Neigungen der T vorgelegen habe. Derartiges folge auch nicht aus den Abschlussnoten der praktischen Prüfungsteile der tatsächlich bestandenen Abschlussprüfung und auch nicht aus den erfolglos gebliebenen Bewerbungen der T. Letztere seien lediglich der verschlechterten Arbeitsmarktsituation geschuldet. Auf der anderen Seite lasse auch die sehr gute Abiturnote von 1,0 nicht den Schluss zu, dass die Fähigkeiten der T nicht im praktisch-tänzerischen Bereich sondern eher im intellektuell-schulischen Bereich lägen. Damit liege keiner der von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle vor, die zu einer Fortdauer der Unterhaltsverpflichtung der Ag führen könnten. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass sich die Eltern in einer wirtschaftlich guten Lage befänden.


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