BAG, Urt. 21.3.2018 - 7 AZR 428/16

Erweiterung der sachgrundlosen Befristungsmöglichkeiten durch Tarifvertrag – Vertragliche Inbezugnahme

Autor: RA FA ArbR Dr. Henning Hülbach, Rechtsanwälte Verweyen Lenz-Voß Boisserée, Köln, Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht (TH Köln)
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 09/2018
Die Möglichkeiten zum Abschluss längerer sachgrundloser Befristungen aufgrund tarifvertraglicher Regelungen gem. § 14 Abs. 2 Satz 3 und 4 TzBfG kommen auch durch eine nur punktuelle vertragliche Inbezugnahme eines solchen Tarifvertrags in Betracht.

BAG, Urt. v. 21.3.2018 - 7 AZR 428/16

Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg - 19 Sa 136/16

TzBfG § 14 Abs. 2

Das Problem

Zwischen den Parteien bestand ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag vom 18.10.2012 bis 30.4.2013. Im Februar 2013 vereinbarten die Parteien die Verlängerung bis zum 30.4.2014 und sodann im Januar 2014 bis zum 30.4.2015. Die übrigen Vertragsinhalte wurden bei den Verlängerungen nicht verändert. Eine Gehaltserhöhung erfolgte drei Monate nach der letztmaligen Verlängerung. Der Arbeitsvertrag enthielt die nachfolgende Regelung:

Unter Bezug auf § 14 Abs. 2, Satz 3 und 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz kann § 4 des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung und -förderung in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Anwendung finden.”

Nach diesem Tarifvertrag kann die zulässige Dauer von sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen auf bis zu 48 Monate und die zulässige Anzahl der Verlängerung auf bis zu sechs ausgedehnt werden. Die Verlängerung über zwei Jahre hinaus bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.

Im Betrieb der Parteien besteht kein Betriebsrat. Nach Ende der Beschäftigung begehrt der Kläger Weiterbeschäftigung unter Hinweis auf eine behauptete Unwirksamkeit der vertraglichen Befristung.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG weist die Klage – wie die Vorinstanzen – ab. Das Arbeitsverhältnis der Parteien habe durch wirksame sachgrundlose Befristung Ende April 2015 geendet. Die Befristung sei nach § 14 Abs. 2 Satz 3 und 4 TzBfG i.V.m. § 4 TV Beschäftigungssicherung gerechtfertigt. Soweit sich die Parteien, wie vorliegend, im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags befänden, könnten auch nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Auch eine kumulative Abweichung sowohl hinsichtlich der Höchstdauer der Befristung als auch der Anzahl der Verlängerungen sei zulässig.

Die punktuelle Vereinbarung der Geltung des § 4 TV Beschäftigungssicherung im Arbeitsvertrag der Parteien sei wirksam. § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG erfordere nicht die Inbezugnahme des gesamten Tarifvertrags. Trotz fehlender Tarifgebundenheit sei die Regelung auch im erforderlichen Geltungsbereich des relevanten Tarifvertrags erfolgt, da die Parteien bei angenommener beiderseitiger Tarifgebundenheit dem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags unterfallen wären.

Die vertragliche Inbezugnahme von § 4 TV Beschäftigungssicherung stelle keine überraschende Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB dar. Auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liege nicht vor. Ein Verweis auf Vorschriften eines anderen Regelwerks, namentlich eines Tarifvertrags, führe für sich genommen nicht zur Intransparenz, selbst wenn der Verweis dynamisch ausgestaltet sei. Derartige Regelungen entsprächen einer üblichen Regelungstechnik, wie sich aus der Zukunftsgerichtetheit des Arbeitsverhältnisses ergebe.

Der Anwendbarkeit des § 4 TV Beschäftigungssicherung stehe auch nicht entgegen, dass in dem Betrieb kein Betriebsrat bestehe. Die Regelung finde auch in betriebsratslosen Betrieben Anwendung, wie bereits die grammatikalische Auslegung ergebe. Da zuletzt die verschiedenen Befristungen nie mit einer inhaltlichen Änderung des Arbeitsverhältnisses verbunden worden seien und auch hiermit nicht in Zusammenhang stünden, sondern in einem Fall wenigstens drei Monate zwischen Abschluss der Verlängerung und einer Gehaltserhöhung gelegen hätten, handele es sich zudem nicht um einen inhaltlichen Neuabschluss eines Arbeitsvertrags, der dem Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unterfallen würde.


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