BAG, Urt. 14.12.2023 - 2 AZR 55/23

Außerordentliche Kündigung wegen Täuschung über Impfunfähigkeit gegen Sars-CoV-2 bei einrichtungsbezogener Impfpflicht

Autor: RA FAArbR Dr. Artur Kühnel, VAHLE KÜHNEL BECKER FAeArbR, Hamburg
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 02/2024
Die unter Geltung des § 20a IfSG i.d.F. vom 10.12.2021 wahrheitswidrige Behauptung eines in der Patientenversorgung beschäftigten Arbeitnehmers, bei ihm sei aufgrund einer ärztlichen Untersuchung eine vorläufige Impfunfähigkeit gegen Sars-CoV-2 festgestellt worden, ist geeignet, eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen.

IfSG i.d.F. v. 10.12.2021 § 20a; BGB § 241 Abs. 2, § 626

Das Problem

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Die Klägerin war seit 1988 als Pflegehelferin im von der Beklagten betriebenen Krankenhaus beschäftigt. Kurz nach Inkrafttreten der sog. einrichtungsbezogenen Impfpflicht nach § 20a IfSG a.F. forderte die Beklagte auch die Klägerin zur Vorlage der gesetzlich verlangten Nachweise auf, darunter ggf. ein solcher, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Sars-CoV-2 geimpft werden könne.

Die Klägerin legte daraufhin am 4.1.2022 eine im Internet nach Zahlung einer Gebühr und Eingabe persönlicher Daten generierte und ausgedruckte Bescheinigung über eine vorläufige Impfunfähigkeit vor. Eine Kommunikation mit der in der Bescheinigung zeichnenden Ärztin erfolgte nicht.

Nach Weiterleitung der Bescheinigung an die Behörde teilte diese der Beklagten am 19.1.2022 mit, dass die Bescheinigung aus dem Internet heruntergeladen sei und somit nicht auf einer ärztlichen Untersuchung beruhe. Daraufhin kündigte die Beklagte der Klägerin am 24.1.2022 außerordentlich fristlos.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung als unwirksam, das LAG hat sie hingegen als wirksam angesehen.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG hat die Wirksamkeit der Kündigung bestätigt.

In der unter Geltung von § 20a IfSG a.F. wahrheitswidrig erfolgten Behauptung eines in einem Krankenhaus beschäftigten Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, aufgrund einer ärztlichen Untersuchung sei festgestellt worden, dass er vorläufig nicht gegen das Virus Sars-CoV-2 geimpft werden könne, liege eine erhebliche Verletzung einer Nebenpflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB. Diese sei an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Nicht entscheidend sei, ob der Arbeitnehmer selbst von seiner (vorläufigen) Impfunfähigkeit ausgegangen sei oder ob er sich strafbar gemacht habe. Maßgebend sei der Vertrauensbruch.

Soweit § 20a IfSG a.F. das Gesundheitsamt ermächtigt habe, gegenüber einer vor dem 16.3.2022 bereits beschäftigten Person ein Betretungs- bzw. Beschäftigungsverbot auszusprechen, ergäbe sich daraus auch keine Sperrwirkung für arbeitsrechtliche Konsequenzen (vgl. BT-Drucks. 20/188, 42; BVerfG, Beschl. v. 27.4.2022 – 1 BvR 2649/21, ArbRB 2022, 174 [Sasse]).

Das LAG habe zudem rechtsfehlerfrei angenommen, dass eine vorherige Abmahnung aufgrund der besonderen Schwere der Pflichtverletzung entbehrlich gewesen sei und auch die weitere Interessenabwägung zu Lasten der Klägerin ausfalle.

Eine unterstellte Sorge der Klägerin vor einer Schädigung ihrer Gesundheit spiele keine erhebliche Rolle. Sie hätte diese offenlegen und sich anschließend um eine Begutachtung bemühen können. Es sei ihr aber nur darum gegangen, arbeitsrechtliche Konsequenzen, insbesondere eine Nichtbeschäftigung und damit Nichtvergütung, (vorerst) zu vermeiden.


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