BGH, Beschl. 15.3.2022 - VIII ZR 81/20

Eigenbedarfskündigung: Vorliegen von Härtegründen

Autor: RA Dr. Rainer Burbulla, Langguth & Burbulla Rechtsanwälte PartG mbB, Düsseldorf
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 08/2022
1. Das Alter des Mieters und eine lange Mietdauer mit einer damit einhergehenden langjährigen Verwurzelung rechtfertigen für sich genommen noch nicht die Annahme einer Härte i.S.d. § 574 BGB, sondern im Rahmen einer Gesamtwürdigung sind die sich daraus ergebenden Folgen im Falle eines erzwungenen Wohnungswechsels zu berücksichtigen.2. Erkrankungen des Mieters i.V.m. weiteren Umständen – und in bestimmten Fällen auch allein die im Fall eines Wohnungswechsels bestehende ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des (schwer) erkrankten Mieters – können einen Härtegrund i.S.v. § 574 BGB darstellen.3. Eine Härte kann auch vorliegen, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann (§ 574 Abs. 2 BGB).

BGB §§ 573, 574

Das Problem

Zwischen den Parteien besteht seit 1976 ein Mietvertrag über eine Zweizimmerwohnung. Im Jahre 2018 erklärten die Vermieter die Kündigung wegen Eigenbedarfs. Der mittlerweile über 70 Jahre alte Mieter widersprach der Kündigung und berief sich auf das Vorliegen von Härtegründen nach §§ 574 ff. BGB. Das LG lehnte das Vorliegen eines Härtegrunds i.S.v. § 574 Abs. 1 S. 1 ab, ließ aber die Revision beschränkt auf das mögliche Vorliegen der Voraussetzungen der Härteregelungen nach §§ 574 ff. BGB zu.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH verwarf die Revision als unzulässig. Das LG sei zu Recht vom Fehlen eines Härtegrundes i.S.v. § 574 Abs. 1 S. 1 BGB ausgegangen.

Nach § 574 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Mieter einer an sich gerechtfertigten ordentlichen Kündigung des Vermieters widersprechen und von diesem die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn oder seine Familie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Zu Recht sei das LG davon ausgegangen, dass das Alter des Mieters und die lange Mietdauer mit einer damit einhergehenden langjährigen Verwurzelung für sich genommen noch nicht die Annahme einer Härte i.S.d. § 574 BGB rechtfertige, sondern im Rahmen einer Gesamtwürdigung die sich daraus ergebenden Folgen im Falle eines erzwungenen Wohnungswechsels zu berücksichtigen seien (Hinweis auf BGH v. 28.4.2021 – VIII ZR 6/19, MDR 2021, 923 = MietRB 2021, 225 [Dötsch]; v. 22.5.2019 – VIII ZR 180/18, MDR 2019, 858 = MietRB 2019, 228 [Monschau]). Daher habe das LG auch rechtsfehlerfrei erkannt, dass Erkrankungen des Mieters i.V.m. weiteren Umständen – und in bestimmten Fällen auch allein im Fall eines Wohnungswechsels bestehende ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des (schwer) erkrankten Mieters – einen Härtegrund im Sinne des §§ 574 BGB darstellen können (Hinweis auf BGH v. 3.2.2021 – VIII ZR 68/19, MDR 2021, 605 = MietRB 2021, 133 [Monschau]; v. 22.5.2019 – VIII ZR 180/18, MDR 2019. 858 = MietRB 2019, 226 [Monschau]). Ferner habe das LG richtigerweise berücksichtigt, dass eine Härte auch vorliegen könne, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann (§ 574 Abs. 2 BGB).

Zu diesen einzelnen (Härte-)Gründen habe der Mieter aber nicht substantiiert vorgetragen. Eine konkret zu befürchtende Gesundheitsverschlechterung habe der Mieter weder behauptet noch sei eine solche ersichtlich; vielmehr erfreue sich der Mieter nach eigenem Bekunden „(altersentsprechend) bester Gesundheit“. Auch habe das Berufungsgericht den Vortrag des Mieters zu der von ihm bezogenen Rente i.H.v. (nur) 800 € monatlich ausdrücklich in seine Würdigung mit einbezogen. Zudem treffe den Mieter eine Obliegenheit, sich um angemessenen Wohnraum zu bemühen. Substantiierter Vortrag des Mieters zu konkret ergriffenen Maßnahmen zum Auffinden von geeignetem und bezahlbarem Wohnraum liege nicht vor.


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