BGH, Beschl. 1.6.2023 - I ZB 65/22

Zu Sinn und Zweck der markenrechtlichen Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse des Bundespatentgerichts und zur Ausdrücklichkeit der Nichtbenutzungseinrede

Autor: RA und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz Dr. Kristofer Bott, GvW Graf von Westphalen, Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaft mbB, Frankfurt/M.
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 10/2023
Für die Begründetheit der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts in Markensachen (§ 83 MarkenG) ist die sachliche Richtigkeit der Entscheidung ohne Bedeutung. Ein Begründungsmangel (§ 83 Abs. 3 Nr. 6) liegt nicht vor, wenn die Begründung falsch oder inhaltlos ist, sondern nur, wenn die Gründe fehlen. Das Gebot rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3) ist nicht verletzt, wenn eine aus den Gründen des § 83 Abs. 2 an sich zuzulassende Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wird, sondern, in diesem Zusammenhang, nur dann, wenn Vortrag einer Partei zur Zulassung durch das Gericht übergangen wird. Die Äußerung, die Widersprechende „nehme nicht am Markt teil“, stellt keine Nichtbenutzungseinrede nach § 43 MarkenG dar.

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; MarkenG §§ 43, 83 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 6

Das Problem

Mit der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde (§ 83 Abs. 3 MarkenG) zum Bundesgerichtshofs (BGH) rügt ein Unternehmen, dessen Marke „Silver Horse“

aufgrund Widerspruchs aus einer Marke „Power Horse“

vom Bundespatentgericht (BPatG) gelöscht worden war, die Entscheidung des BPatG sei nicht mit Gründen – allenfalls mit „ganz verworrenen und inhaltslosen“ – versehen und außerdem unter Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs ergangen, § 83 Abs. 3 Nr. 3, Nr. 6 MarkenG i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG. Der markenrechtliche Streit vor dem Amt – das den Widerspruch mangels Zeichenähnlichkeit zurückgewiesen hatte – und dem BPatG ging darum, ob die Marken, bei unstreitig identischen Waren (Getränke), in einer die Verwechslungsgefahr begründenden Weise ähnlich seien. Dagegen sprach, dass die Unterschiede so zahlreich wie die Übereinstimmungen und wie diese nicht zu übersehen waren. Das BPatG hielt das im Ergebnis für unerheblich. Es liege eine „komplexe Ähnlichkeit“ bzw. „Verwechslungsgefahr“ – der Senat verwendet beide Begriffe – vor, also eine Ähnlichkeit aufgrund der Häufung vieler an sich nur geringfügiger Unterschiede, die indes in der Erinnerung der Verkehrskreise verblassten, was die Annahme einer – wenn man so sagen darf, das Gericht sagt es nicht so – Verwechslungsgefahr trotz unzureichender Ähnlichkeit – rechtfertige. Dem Markeninhaber leuchtete dieses Argument nicht ein, zumal es bislang nicht vom BGH beurteilt worden sei. Außerdem meinte er, das Patentgericht habe die klangliche Ähnlichkeit bei Waren, die „auf Sicht“ gekauft werden, überbewertet. Er hatte schließlich vorgetragen, die Widersprechende nehme nicht am Verkehr teil, und wollte das später als Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke verstanden wissen. Der BGH musste entscheiden, ob die Rechtsbeschwerde zulässig und ggf. begründet war.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH wies die Beschwerde zurück. Die Voraussetzungen ergeben sich aus § 83 MarkenG. Danach ist eine Rechtsbeschwerde zum BGH trotz Nichtzulassung durch das BPatG u.a. dann zulässig und begründet, wenn ein Beschluss „nicht mit Gründen versehen“ ist (§ 83 Abs. 3 Nr. 6) oder einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt worden war (Nr. 3). Die Rechtsbeschwerde, so der BGH, sei zwar zulässig – die Hürde ist gering, es reicht aus, dass die genannten Verfahrensmängel gerügt werden –, aber nicht begründet. Die gerügten Verfahrensmängel lägen nämlich nicht vor. Zwar sei tatsächlich die „komplexe Ähnlichkeiteine Rechtsfigur, über die der BGH noch nicht entschieden habe. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde habe deshalb nahe gelegen („an sich geboten“). Dass sie unterblieben sei, bedeute aber nicht, dass die Entscheidung des BPatG „nicht mit Gründen versehen“ sei, was § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG voraussetzt. Verworrene Gründe – so offenbar die Beschwerdeführerin, der BGH sagt nicht, dass solche vorlägen, sondern formuliert nur einen Obersatz – seien immerhin Gründe, und der Beschwerdeführer habe sich schließlich auch mit ihnen in der Beschwerde auseinandersetzen können. Eine Verletzung des Gebots rechtlichen Gehörs könne grundsätzlich auch in der Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde liegen. Das habe der Markeninhaber aber nicht hinreichend gerügt. Weil die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde an sich gar nicht begründet werden muss, liegt, so der BGH, insoweit ein Gehörsverstoß nur vor, wenn eine Partei die Zulassung anregt und dazu vorträgt, und dieser Vortrag sodann übergangen wird. So lag der Fall hier aber nicht. Die Markeninhaberin hatte mit der Gehörsrüge vorgetragen, das BPatG habe ihre Nichtbenutzungseinrede übergangen. Die allerdings, so der BGH, hätte, zumal bei anwaltlicher Vertretung, ausdrücklich erhoben werden müssen. Nicht ausreichend hierfür seien allgemeine Ausführungen zur mutmaßlich fehlenden Benutzung im Zusammenhang z.B. mit der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke.


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