BGH, Urt. 10.11.2022 - I ZR 10/22

Keine Gerätevergütung von Online-Marktplätzen – rakuten.de

Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 06/2023
Es ist mit Blick auf die aus Art. 5 Abs. 2 lit. b, Abs. 5 RL 2001/29/EG folgende Ergebnispflicht beim Privatkopieausgleich nicht geboten, Online-Marktplätze für vergütungspflichtige Produkte in den Kreis der Schuldner der Gerätevergütung i.S.v. §§ 54 Abs. 1, 54b Abs. 1 und 2 UrhG aufzunehmen.

RL 2001/29/EG Art. 5 Abs. 2 lit. b und Abs. 5; UrhG §§ 54 Abs. 1, 54b Abs. 1 und 2, 54f Abs. 1

Das Problem

Händlern wird ein Online-Marktplatz mit Vorgabe von Layout, Domainstruktur und Kaufvertragsbedingungen geboten, auf dem sie Endkunden u.a. Geräte und Speichermedien i.S.v. § 54 Abs. 1 UrhG verkaufen. Dabei erfolgt die Zahlung des Kaufpreises auf ein Treuhandkonto des Marktplatzbetreibers, der nach Abzug von Gebühren den Restbetrag weiterleitet. Für den Fall der Nichtzahlung auf Rechnung innerhalb von 16 Tagen lässt er sich die Kaufpreisforderung abtreten. Er übernimmt für die Verkäufer das außergerichtliche und erstinstanzliche Risiko der Rechtsverteidigung, Bonitätsprüfungen potentieller Kunden und verpflichtet die Verkäufer zur Teilnahme am Kundenbindungsprogramm mit Preisnachlässen. Die Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) verlangt gem. § 54f Abs. 1 Satz 1 UrhG vom Marktplatzbetreiber Auskunft über verkaufte USB-Sticks und Speicherkarten im Hinblick auf die Zahlung einer Gerätevergütung.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Auskunftsanspruch komme mangels Verpflichtung zur Gerätevergütung nicht in Betracht.

Gerätevergütung: Nach §§ 54 Abs. 1, 54b Abs. 1 UrhG habe der Urheber, wenn die Art des Werks eine nach §§ 53 Abs. 1 und 2, 60a-60f UrhG erlaubte Vervielfältigung erwarten lasse, Anspruch auf angemessene Vergütung gesamtschuldnerisch gegen Hersteller, Importeur und Händler von dafür typischerweise benutzten Geräten und Speichermedien (Rz. 10 f.).

Kein Händler: Gemäß § 54b Abs. 1 UrhG sei Händler, wer gewerblich Geräte und Speichermedien kaufe und verkaufe, inkl. Groß- (vgl. zu § 54b UrhG a.F. BR-Drucks. 218/94, 19) und Zwischenhändler (vgl. BGH v. 21.7.2016 – I ZR 255/14 – Musik-Handy Rz. 100, MMR 2017, 406). Dagegen stelle der Marktplatzbetreiber nur bestimmte Dienstleistungen der Verkaufsabwicklung bereit (Rz. 14 f.).

Keine planwidrige Regelungslücke: Wegen der Erschwerung der Importerfassung durch Wegfall der Einfuhrkontrollen sei die Zahlungspflicht von Herstellern und Importeuren nicht mehr ausreichend gewesen, so dass durch den Einschluss der Händler gem. § 54 Abs. 1 Satz 2 UrhG alle Beteiligten der Vertriebskette bis zum Endkunden von der Pflicht erfasst worden seien (vgl. BR-Drucks. 218/94, 17 ff.). Daran habe der Gesetzgeber trotz Kenntnis von Internet-Marktplätzen 2007 bei Verlagerung in § 54b Abs. 1 UrhG (vgl. RegE, BT-Drucks. 16/1828, 31) und 2017 beim UrhWissG (vgl. RegE, BR-Drucks. 312/17, 31 f.) festgehalten (Rz. 20 f., 29).

Unionsrechtliche Option der Geräteabgabe: Nach Art. 5 Abs. 2 lit. b InfoSoc-RL könne das ausschließliche Vervielfältigungsrecht bzgl. Privatkopien gegen gerechten Ausgleich beschränkt werden. Dies setze nach Art. 5 Abs. 5 InfoSoc-RL die Gewährleistung der normalen Werkverwertung und die Beachtung der Rechteinhaberinteressen voraus. So könne der vom Endnutzer geschuldete Ausgleich auf Personen übertragen werden, die ihn beim Verkauf an Endnutzer einpreisen könnten. Bei der Schuldnerauswahl bestehe ein weites Ermessen der Mitgliedstaaten (Rz. 23 f.; vgl. EuGH v. 16.6.2011 – C-462/09 – Stichting de Thuiskopie Rz. 23, 26-29, 34, CR 2011, 491).

Keine unionsrechtlich gebotene Erweiterung: Jedoch müsse der den Urhebern insb. im Inland entstandene Schaden effektiv ausgeglichen werden (Ergebnispflicht). Da dies so sei, sei eine Verpflichtung von Marktplätzen nicht geboten (Rz. 25).

Keine unzumutbare Durchsetzung im Ausland: Weil die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines auslandsansässigen Vergütungsschuldners ausreiche, der die Produkte ins Inland einführe, erfordere die Ergebnispflicht nicht auch die Ermöglichung der Heranziehung eines Inländers (vgl. BGH v. 7.1.2016 – I ZR 155/14 Rz. 17, ZUM 2016, 755). Die Masse von Händlern und Angeboten auf dem Marktplatz führe auch nicht zu einem für die ZPÜ unzumutbaren Durchsetzungsaufwand (Rz. 26 f.).

Kein Importeur: Nach § 54b Abs. 2 Satz 1 UrhG sei Einführer, wer die Produkte in den Geltungsbereich des UrhG verbringe oder verbringen lasse. Gemäß Satz 2 der Vorschrift sei Einführer nur der im Geltungsbereich des UrhG ansässige gewerbliche Vertragspartner, wenn der Einfuhr ein Vertrag mit einem Gebietsfremden zugrunde liege. Wer lediglich als Spediteur oder Frachtführer oder in ähnlicher Stellung beim Verbringen der Waren tätig werde, sei nach Satz 3 nicht Einführer. Die ZPÜ habe den Import durch den Marktplatzbetreiber selbst nicht substantiiert vorgetragen (Rz. 32 f.).

Keine Analogie oder erweiterte Auslegung: Entsprechend den Feststellungen zur Händlereigenschaft ergebe sich auch kein Einführen durch den Marktplatzbetreiber in dem Fall, dass aufgrund der Bestellung über den Marktplatz von den jeweiligen Verkäufern importiert werde (Rz. 34).


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