BGH, Urt. 16.12.2021 - I ZR 201/20

Schadensersatz trotz unentgeltlicher Lizenzierung des „Öko-Test-Siegels“

Autor: Lotte Mues, Rechtsanwältin bei LLR RechtsanwältePartG mbB, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 03/2022
Erteilt eine Markeninhaberin in ständiger Lizenzierungspraxis ausschließlich unentgeltliche Lizenzen, ist der durch eine Markenverletzung entstandene Schaden nicht nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu berechnen, sondern nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns.

VO (EG) Nr. 207/2009 Art. 9 S. 2 lit. c, Art. 101 Abs. 2, Art. 102 Abs. 1 S. 1; VO (EU) 2017/1001 Art. 9 Abs. 2 lit. c, Art. 130 Abs. 1 S. 1; MarkenG § 14 Abs. 6, § 19 Abs. 1 u. 3; MarkenG a.F. § 125b Nr. 2

Das Problem

In dem Magazin „ÖKO-TEST“ werden Verbraucherinformationen, darunter insbesondere Produkttests, veröffentlicht. Die Herausgeberin erlaubt den Herstellern, von ihr getestete Produkte mit ihrem seit 31.8.2012 als Unionsmarke für die Dienstleistungen Verbraucherinformation und -beratung und Werbung mit Testergebnissen in Klasse 35 eingetragenen Zeichen

zu bewerben. Dafür schließt sie mit den Herstellern einen unentgeltlichen Lizenzvertrag.

Eine Herstellerin von Zahncremes bewarb ihre Zahncreme, die 2005 getestet wurde, nach Abschluss eines entsprechenden Lizenzvertrages mit einem „ÖKO-TEST“-Siegel. In dem Vertrag hieß es ausdrücklich, dass das Zeichen dann nicht mehr genutzt werden dürfe, wenn der Test, auf den sich das Produkt des Nutzers bezieht, durch einen zeitlich neueren Test überholt sei.

Durch Veröffentlichung eines neuen Tests von Zahncremes im Jahr 2008, bei dem keine Zahncreme der Herstellerin getestet worden war, verlor der Lizenzvertrag seine Gültigkeit.

Dennoch musste die Herausgeberin des Magazins (im Folgenden: „Markeninhaberin“) feststellen, dass die Zahncreme-Herstellerin im Oktober 2014 das Siegel auf Verpackungen von Zahncremes verwendete, die gegenüber der ursprünglichen Zahncreme in ihrer Verpackung leicht verändert war.

Gegen diese Verwendung ging die Markeninhaberin vor und machte Unterlassungs‑, Schadensersatz- sowie weitere Annexansprüche geltend.

Nach antragsgemäßer Verurteilung in erster Instanz, hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen, soweit eine Verurteilung zur Erteilung von Auskunft über den erzielten Umsatz und Gewinn, zum Rückruf und zur Vernichtung ausgesprochen und die Schadensersatzpflicht der Zahncreme-Herstellerin festgestellt worden ist. Diese Entscheidung stützte es insbesondere darauf, dass die Markeninhaberin aufgrund ihrer ausschließlich entgeltfreien Lizenzierung des Zeichens keine Vermögenseinbuße und damit auch keinen Schaden erlitten habe.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH hat im Rahmen der Revision insbesondere festgestellt, dass die Herstellerin der Zahncreme der Markeninhaberin allen durch die Verletzung entstandenen Schaden nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns zu erstatten hat.

Markenverletzung aufgrund einer unlauteren Rufausnutzung der Klagemarke: Eine Rechtsverletzung liege zwar nicht in der Nutzung der Marke im identischen Waren- und Dienstleistungsbereich. Dennoch bringe die Herstellerin der Zahncreme ihr Produkt in eine gedankliche Verbindung mit der bekannten Klagemarke und nutze so deren Wertschätzung aus. Diese Ausnutzung sei insofern unlauter, da der Lizenzvertrag aufgrund des neueren Testverfahrens beendet sei.

Anspruch auf Schadensersatz: Aufgrund der Missachtung der vertraglichen Regelung zur Dauer der Gestattung habe die Herstellerin die Marke jedenfalls fahrlässig verletzt. Der bestehende Schadensersatzanspruch scheitere auch nicht daran, dass die Markeninhaberin die Nutzung ihrer Marke regelmäßig entgeltfrei gestattet und daher keine Vermögenseinbuße zu verzeichnen habe. Der Schaden folge bereits aus dem Eingriff in das Markenrecht als vermögenswertes Recht und der damit verbundenen, allein dem Markeninhaber zugewiesenen Nutzungsmöglichkeit.

Schadensberechnung nicht nach Lizenzanalogie: Der BGH bestätigt im Ergebnis die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Rückgriff auf die Lizenzanalogie in diesem Fall keine geeignete Berechnungsgrundlage für den Schadensersatzanspruch darstelle. Zwar weise die Berechtigung zur Benutzung der Klagemarke einen objektiven Vermögenswert auf, der einer Berechnung anhand einer Lizenzgebühr grundsätzlich zugänglich sei. Aufgrund der konkret stets unentgeltlichen Lizenzierungen der Klagemarke könne jedoch nicht angenommen werden, dass die Markeninhaberin sich diesen Vermögenswert zunutze gemacht hätte. Die vom Rechtsinhaber geforderten und auf dem Markt durchgesetzten Lizenzsätze für die in Rede stehende Benutzungshandlung seien für die Bemessung der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr maßgeblich. Dies gelte nicht nur dann, wenn die Lizenzgebühr über dem Durchschnitt vergleichbarer Vergütungen liege, sondern auch wenn diese unterdurchschnittlich oder – wie hier – sogar unentgeltlich seien. Daran müsse sich die Markeninhaberin – auch unter Berücksichtigung der Nichteinhaltung der Lizenzbedingungen durch den Zahncreme-Hersteller – festhalten lassen.

Schadensberechnung nach dem Verletzergewinn: Der BGH legt seiner Entscheidung zugrunde, dass der wirtschaftliche Wert einer Marke sei, sie im geschäftlichen Verkehr gewinnbringend nutzen zu können. Dieser Wert wohne ihr unabhängig davon inne, ob die Markeninhaberin von der Möglichkeit zur Vermarktung ihres Zeichens Gebrauch gemacht hat. Daher konstatiert er, dass der wirtschaftliche Wert der unbefugten Nutzung des Zeichens am Verletzergewinn abgelesen werden könne. Dabei sei der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns kein Anspruch auf Ersatz des konkret entstandenen Schadens, sondern ziele in anderer Weise auf einen billigen Ausgleich des Vermögensnachteils, den die Markeninhaberin durch die Verletzung ihrer Ausschließlichkeitsrechts erlitten hat. Es sei unbillig, dem Verletzer einen Gewinn zu belassen, der auf der unbefugten Benutzung des Ausschließlichkeitsrechts beruht. Mit Blick auf diesen Ausgleichsgedanken werde fingiert, dass die Markeninhaberin ohne die Rechtsverletzung durch die Verwertung ihres Ausschließlichkeitsrecht den gleichen Gewinn wie der Verletzer erzielt hätte – und zwar unabhängig der Frage, ob die Markeninhaberin auf dem Markt des Verletzers überhaupt tätig ist und ob sie ihre Marke selbst in der in Rede stehenden Weise kommerziell verwertet hat.


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