BGH, Urt. 20.12.2018 - I ZR 104/17

Museumsfotos

Autor: RA Dr. Ilja Czernik, SKW Schwarz Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 05/2019
Fotografien von (gemeinfreien) Gemälden oder anderen zweidimensionalen Werken unterfallen regelmäßig dem Lichtbildschutz nach § 72 UrhG.Fertigt der Besucher eines kommunalen Kunstmuseums unter Verstoß gegen das im privatrechtlichen Besichtigungsvertrag mittels Allgemeiner Geschäftsbedingungen wirksam vereinbarte Fotografierverbot Fotografien im Museum ausgestellter Werke an und macht er diese Fotografien im Internet öffentlich zugänglich, kann der Museumsträger als Schadensersatz die Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung im Internet verlangen.

BGH, Urt. v. 20.12.2018 - I ZR 104/17

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 2 A; UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2, § 51 Satz 3, § 72, § 97 Abs. 1 Satz 1, § 97a Abs. 3 Satz 1, § 137f Abs. 1 Satz 2; BGB § 249 Abs. 1 Fa, § 280 Abs. 1, § 305 Abs. 2 Nr. 1, § 305c Abs. 2, § 307 Bm, Cl; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 1

Problem

Die Klägerin betreibt das Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim. Sie hat Fotografien von Gemälden und Bildern ihrer Museumssammlung im Jahr 1992 in einer Publikation veröffentlicht. Sie ist Inhaberin der Nutzungsrechte an diesen Fotografien. Die fotografierten Gemälde und Bilder sind wegen Ablaufs der urheberrechtlichen Schutzfrist urheberrechtlich nicht mehr geschützt (gemeinfrei). Der Beklagte hat diese Fotografien eingescannt. Ferner hat er bei einem Besuch des Museums der Klägerin im Jahr 2007 weitere Fotografien von im Eigentum der Klägerin stehenden, gemeinfreien Kunstwerken angefertigt und sämtlichen Fotografien in die mit dem Internetportal Wikipedia verknüpfte Mediendatenbank Wikimedia Commons hochgeladen.

Lösung des Gerichts

Der BGH wies die Revision des Beklagten zurück.

Zu bejahen seien sowohl Ansprüche wegen Verletzung von § 72 UrhG als auch wegen Verletzung des mit der Klägerin geschlossenen Besichtigungsvertrags. Ob darüber hinaus Eigentumsrechte der Klägerin verletzt seien, könne offen bleiben. Vom Lichtbildschutz seien nach § 72 UrhG auch Aufnahmen von gemeinfreien Werken erfasst. Maßgeblich für den Lichtbildschutz sei ausschließlich, dass ein Mindestmaß an – zwar nicht schöpferischer, aber doch – persönlicher geistiger Leistung vorliege, der über die bloße Reproduktion i.S.e. Vervielfältigung des Originals hinausgehe. Eine Schwelle, die jedoch regelmäßig schon bei einfachen Fotografien überschritten werde. Hier jedenfalls habe in dem Fotografieren der Bilder eine den Leistungsschutz nach § 72 UrhG begründende Handlung gelegen, da die Aufnahme einer Fotografie von einem (auch zweidimensionalen) Werk eine Entscheidung des Fotografen über eine Reihe von gestalterischen Umständen, zu denen Standort, Entfernung, Blickwinkel, Belichtung und Ausschnitt der Aufnahme erfordere. Hinzu komme, dass diese Sichtweise auch mit der Neufassung des § 51 Satz 3 UrhG und der dazu geäußerten Sichtweise des Gesetzgebers übereinstimme. Dass damit womöglich Schutzfristen der Originalwerke verlängert würden, stünde dieser Annahme im Übrigen nicht entgegen. Der Allgemeinheit sei es dennoch möglich, sich mit dem Werk auseinanderzusetzen, zumal der Gesetzgeber hier einen Ausgleich geschaffen habe, da die Nutzung einer Abbildung eines Originals zum Zwecke des Zitats nach § 51 Satz 1 und 2 UrhG auch dann erlaubt sei, wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

Desweiteren liege auch eine Verletzung des zwischen den Parteien geschlossenen Besichtigungsvertrages vor. So hätten die Parteien durch den Besuch des Museums konkludent ein Fotografierverbot vereinbart, da im Museum auch zur Zeit des Besuchs des Beklagten im Mai 2007 Schilder mit einer durchgestrichenen Kamera angebracht und eine Besuchsordnung mit einem Fotografierverbot aufgehängt gewesen sei. Diese als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehende Regelung sei auch nicht unklar i.S.d. § 305c BGB. Das Piktogramm habe keine andere Auslegung zugelassen. Soweit die Benutzungsordnung zusätzlich auf die Möglichkeit hingewiesen habe, bei der Direktion um eine Ausnahmegenehmigung nachzusuchen, nach deren Erteilung fotografiert werden dürfe, führe diese Einschränkung nicht dazu, dass die Klausel unklar werde. Insoweit werde lediglich auf eine nach § 305b BGB stets mögliche, abweichende individualvertragliche Abrede hingewiesen. Dass die Voraussetzungen der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht genannt werden, führe ebenso nicht zur Unklarheit der Klausel.

Das damit verbundene Verbot sei auch nicht unangemessen i.S.d. § 307 BGB. Zwar liege hierin ein Nachteil zuungunsten des Museumsbesuchers. Allerdings bestehe ein berechtigtes Interesse der Betreiber von Museen, Regeln für das Verhalten der Besucher während des Museumsbesuchs aufzustellen, zu denen auch ein Fotografierverbot zählen könne. Ein solches Verbot könne bspw. dem Schutz der Kunstwerke, dem ordnungsgemäßen Ablauf des Museumsbetriebs, der Einhaltung rechtlicher Verpflichtungen des Museums gegenüber Dritten oder eigenen Interessen des Museums dienen. Soweit der Kläger sich darüber hinaus auf die Verletzung seiner Grundrechte berufe, führe dies zu keiner anderen Bewertung. Dem vom Kläger iÜ geltend gemachten Grundrecht auf Meinungsfreiheit komme schon deswegen keine Relevanz zu, da ein Eingriff in den Schutzbereich der Informationsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schon nicht zum Tragen komme. Denn hier habe der den Museumsträger den Zugang zum Museum nur mit der Maßgabe eines Fotografierverbots eröffnet. Insofern könne sich der Kläger hier nur auf die allgemeine Handlungsfreiheit berufen, deren Einschränkung jedoch wegen der oben benannten berechtigten Gegeninteressen des Museums hinzunehmen sei. Zumal der Handlungsfreiheit durch Anwendung des in der Benutzungsordnung niedergelegten Erlaubnistatbestands Rechnung getragen werde.


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