BGH, Urt. 21.1.2021 - I ZR 59/19

Öffentliche Zugänglichmachung im behördlichen Kontext

Autor: RA und FA für Urheber- und Medienrecht Dr. Ilja Czernik, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 06/2021
Die Stellungnahme eines privaten Bauinteressenten in einem bauplanungsrechtlichen Verfahren, die die Behörde im Zuge der Beteiligung der Öffentlichkeit im Vorfeld einer bauplanungsrechtlichen Entscheidung mittels Verlinkung auf ihren Internetauftritt öffentlich zugänglich macht, ist kein amtliches Werk i.S.d. § 5 UrhG. Macht eine Behörde im Rahmen eines Verfahrens der Bauleitplanung eine bei ihr eingegangene Stellungnahme eines privaten Bauinteressenten im Internet mittels Verlinkung auf ihren Internetauftritt öffentlich zugänglich, handelt es sich um eine nach § 45 Abs. 1 und 3 UrhG zulässige Verwendung in einem Verfahren vor einer Behörde, wenn die Voraussetzungen der Veröffentlichungspflicht nach § 4a Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB vorliegen und ein hinreichender sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zum bauplanungsrechtlichen Verfahren besteht. Im Falle der öffentlichen Zugänglichmachung über das Internet ist der nach § 45 UrhG erforderliche hinreichende sachliche Zusammenhang zum behördlichen Verfahren gegeben, wenn sie mittels einer Verlinkung auf den behördlichen Internetauftritt erfolgt und durch die Art der Präsentation ein Bezug zum konkreten Verwaltungsverfahren hergestellt wird. Der erforderliche anfängliche zeitliche Zusammenhang besteht jedenfalls, wenn das behördliche Verfahren bereits begonnen hat. Mit dem Abschluss des behördlichen Verfahrens endet die Zulässigkeit der von § 45 UrhG erfassten Handlungen.

UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 7, § 2 Abs. 2, § 5, § 19a, § 45 Abs. 1 und 3

Das Problem

Die Klägerin bietet unter ihrer Internetadresse Landkarten und Stadtpläne zu Lizenzierungszwecken an, an den sie die ausschließlichen Nutzungsrechte insbesondere zur öffentlichen Zugänglichmachung hält. Die Beklagte, die Verbandsgemeinde Kastellaun, stellte auf der von ihr für die verbandsangehörige Stadt Kastellaun betriebenen Internetseite eine Karte ein, die sie im Rahmen eines bauplanungsrechtlichen Verfahrens zur Umgestaltung eines Supermarkts als inhaltlichen Bestandteil des von einem Bauwilligen beauftragten Exposés eines privaten Planungsbüros erhalten hatte. Hierüber sollte eine „atypische Fallgestaltung“ i S v § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO geltend gemacht werden und die Beklagte wollte der sie gem. § 4a Abs. 4 BauGB treffenden Pflicht genügen, Planungsunterlagen in das Internet einzustellen. Die Klägerin nahm die Beklagte daraufhin auf Unterlassung in Anspruch. Das Berufungsgericht hatte der Klage stattgegeben. Der Kartenausschnitt sei als Darstellung wissenschaftlich-technischer Art urheberrechtlich geschützt und nicht etwa als amtliches Werk urheberrechtsfrei. Insofern habe die Beklagte in das Recht der Klägerin zur öffentlichen Zugänglichmachung eingegriffen.

Die Entscheidung

Der BGH gibt der Revision statt und verweist die Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Das Berufungsgericht habe zu prüfen, ob die Voraussetzungen des hier in Betracht kommenden § 45 Abs. 1 und 3 UrhG vorliegen. Die Möglichkeit hier § 45 UrhG anzunehmen, sei von dem erstinstanzlich unzutreffend nicht näher betrachtet worden.

Das Berufungsrecht sei allerdings zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass die Karte vorliegend nicht als amtliches Werk einzustufen gewesen sei und somit urheberrechtlich als wissenschaftlich-technisches Werk geschützt. Amtliche Werke i S d § 5 UrhG seien nach einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls zwar auch solche die von einer dem Amt nicht angehörenden Privatpersonen geschaffen worden sind, wenn sie durch das Amt selbst oder durch Dritte hinzugezogen wurden. Hieran fehle es vorliegend jedoch. Insbesondere könne der amtliche Charakter i.d.S. nicht daraus hergeleitet werden, dass sich die Beklagte den Inhalt des von dem Bauwilligen beauftragten Exposés zu Eigen gemacht habe. Zwar stehe die Erstellung eines Werks durch eine Privatperson der Annahme eines amtlichen Werks nicht entgegen. Dies sei vielmehr anzunehmen, wenn das Werk nach den Gesamtumständen des Einzelfalls als vom Amt übernommen eingestuft werden könne. An einer solchen Übernahme fehle es jedoch. Durch den Hintergrund der Veröffentlichung erscheine diese nicht als eigenverantwortliche Willenserklärung der Beklagten, wie dies für die Einordnung als amtliches Werk erforderlich wäre. Stattdessen bleibe der Charakter des Werkes als private Stellungnahme erhalten. Daran ändere auch nichts, dass die Beklagte die öffentliche Wiedergabe vorgenommen habe. Denn die Beklagte habe diese private Stellungnahme wegen der nach § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB bestehenden Veröffentlichungspflicht online gestellt. Allerdings müsse vom Berufungsgericht geprüft werden, ob die Voraussetzungen der Schrankenregelung des § 45 Abs. 1 und 3 UrhG vorliegen. Hiernach sei die öffentliche Wiedergabe (einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung) von einzelnen Vervielfältigungsstücken von Werken zur Verwendung in Verfahren vor einer Behörde zulässig. Der Verfahrensbegriff sei auch so zu verstehen, dass damit alle Vorgänge einer Behörde verbunden wären, die einer Entscheidungsfindung für einen nicht rein internen Vorgang zur Regelung eines Einzelfalls vorangehen würden. Hiervon sei bei einer Veröffentlichung nach § 4a Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 BauGB auszugehen. Diese Vorschriften ermöglichten eine allgemeine Kenntnisnahme von Planungsunterlagen und gewährleisten so die für die demokratische Teilhabe der Bürger an Planungsentscheidungen der Gemeinde erforderliche Beteiligung der Öffentlichkeit im bauleitplanungsrechtlichen Verfahren. Folglich müsse das Berufungsgericht prüfen, ob die Voraussetzungen i.d.S. vorlagen.

Ebenso müsse das Berufungsgericht prüfen, ob die Veröffentlichung im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Verfahren stand. Von einem sachlichen Zusammenhang sei im Falle der öffentlichen Zugänglichmachung auszugehen, wenn die Veröffentlichung mit dem behördlichen Internetauftritt verlinkt sei und durch die Art der Präsentation ein Bezug zum konkreten Verwaltungsverfahren hergestellt werde. Der erforderliche zeitliche Zusammenhang bestehe jedenfalls, wenn das behördliche Verfahren bereits begonnen habe. Werden diese Voraussetzungen vom Berufungsgericht als erfüllt festgestellt, sei davon auszugehen, dass die für die Schrankenregelung des § 45 UrhG erforderliche Prüfung des Drei-Stufen-Tests positiv ausfalle. Die Veröffentlichung in Reaktion auf § 4a Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB sei ein Sonderfall (erste Stufe), die den Rechteinhaber weder in seiner normalen Verwertung des Werkes beeinträchtige (zweite Stufe) noch seine Interessen ungebührlich beeinträchtigen würde (dritte Stufe). Denn als gesetzlicher Ausnahmefall sei nicht zu erwarten, dass durch die öffentliche Zugänglichmachung in die Primärverwertung des Kartenausschnitts der Klägerin eingegriffen werde. Zudem würde das mit der öffentlichen Zugänglichmachung des Kartenausschnitts im Streitfall verfolgte Ziel der demokratischen Teilhabe der Bürger an Planungsentscheidungen der Gemeinde die damit für die Klägerin verbundene Beeinträchtigung überwiegen.


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