BGH, Urt. 21.9.2017 - I ZR 11/16

Vorschaubilder III

Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 03/2018
Auch wenn der Anbieter der Suchfunktion mit Gewinnerzielungsabsicht handelt, besteht keine Vermutung, dass er bei urheberrechtlich geschützten Vorschaubildern in der Suchergebnisliste vom Fehlen der Erlaubnis des Rechtsinhabers Kenntnis hatte.

BGH, Urt. v. 21.9.2017 - I ZR 11/16

Vorinstanz: OLG Hamburg, Urt. v. 10.12.2015 - 5 U 6/11
Vorinstanz: LG Hamburg, Urt. v. 3.12.2010 - 310 O 331/09

UrhG § 15 Abs. 2

Das Problem

Eine Fotoanbieterin betreibt eine Internetseite. Bestimmte passwortgeschützte Fotos können nur von registrierten Kunden kostenpflichtig heruntergeladen werden. Eine Suchfunktionsanbieterin bietet auf ihrer Website u.a. eine Bilderrecherche anhand von Suchbegriffen an. Dafür wird auf den Bildersuchdienst von Google durch einen elektronischen Verweis zurückgegriffen. Bei Eingabe von Pseudonymen zweier Fotomodells in die Suchmaske der Suchfunktionsanbieterin wurden jeweils vier verkleinerte Aktfotografien als Vorschaubilder angezeigt. Google hatte die Fotografien auf zwei Internetseiten aufgefunden.

Die Entscheidung des Gerichts

Die von der Fotoanbieterin geltend gemachten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche seien unbegründet, weil die Suchfunktionsanbieterin für etwaige Verletzungen des Rechts zur öffentlichen Wiedergabe nicht hafte.

Keine öffentliche Zugänglichmachung: Die Anzeige von Lichtbildern in der Trefferliste stelle ein öffentliches Zugänglichmachen i.S.v. § 19a UrhG dar, wenn der Suchmaschinenbetreiber die Lichtbilder auf einem eigenen Rechner kontrollausübend vorhalte (vgl. BGH v. 29.4.2010 – I ZR 69/08 – Vorschaubilder I, Rz. 20, CR 2010, 463 = ITRB 2010, 175). Dies sei vorliegend nicht der Fall. Ein Zueigenmachen der Google-Vorschaubilder durch Einbettung in die Internetseite sei unerheblich, da es nicht auf den unzutreffenden Eindruck der Kontrollausübung ankomme (vgl. BGH v. 16.5.2013 – I ZR 46/12 – Die Realität I, Rz. 9, 24, CR 2013, 455). Eine Mittäterschaft setze Kenntnis von konkret drohenden Rechtsverletzungen voraus, welche aufgrund des automatisierten Vorschaubilderverfahrens nicht gegeben sei.

Wiedergabehandlung: Eine öffentliche Wiedergabe i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 2 UrhG und Art. 3 Abs. 1 RL 2001/29/EG setze voraus, dass – wie vorliegend der Fall – der Nutzer gezielt Dritten einen Zugang zum geschützten Werk verschaffe, ohne dass es darauf ankomme, ob sie den Zugang nutzten. Für eine Handlung der Wiedergabe sei keine konkrete Kenntnis vom einzelnen betroffenen Werk erforderlich (vgl. EuGH v. 14.6.2017 – C-610/15 – Stichting Brein/XS 4ALL, Rz. 36, CR 2017, 813 = GRUR 2017, 790).

Öffentlichkeit: Die Öffentlichkeit i.S.v. Art. 3 Abs. 1 RL 2001/29/EG sei nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt, die nacheinander oder gleichzeitig Zugang hätten. Das sei der Fall, denn die Fotos könnten durch alle Internetnutzer, die die passenden Suchbegriffe eingäben, wahrgenommen werden.

Kein neues technisches Verfahren: Gehe der Tathandlung eine andere öffentliche Wiedergabe voraus, so sei für ihre Einstufung als erlaubnispflichtige öffentliche Wiedergabe i.S.v. Art. 3 Abs. 1 RL 2001/29/EG erforderlich, dass das geschützte Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheide, oder für ein neues Publikum wiedergegeben werde. Da vorliegend die Wiedergaben alle im Internet erfolgten, liege dasselbe technische Verfahren vor.

Neues Publikum: Eine öffentliche Wiedergabe für ein neues Publikum setze voraus, dass sie sich an ein Publikum richte, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht habe, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubt habe (vgl. EuGH v. 8.9.2016 – C-160/15 – GS Media/Sanoma u.a., Rz. 37, EuGH v. 8.9.2016 – C-160/15, ITRB 2017, 28 = CR 2017, 43). Das sei etwa bei der Umgehung das Publikum beschränkender technischer Maßnahmen der Fall. Etwas anderes gelte, wenn die betroffenen Werke auf einer anderen Webseite mit Erlaubnis des Rechteinhabers für alle Internetnutzer frei zugänglich seien, da davon auszugehen sei, dass er bei seiner Erlaubnis alle Internetnutzer vor Augen gehabt habe.

Beweislast bzgl. Neupublikum und Erlaubnis: Die Suchfunktionsanbieterin trage die Beweislast dafür, dass die Bilder in den frei zugänglichen Bereich des Internetportals der Fotoanbieterin eingestellt gewesen seien (vgl. EuGH v. 8.4.2003 – C-244/00 – Van Doren u.a./Lifestyle, Rz. 35, GRUR 2003, 512). Die Fotoanbieterin habe das Einstellen der Fotografien im passwortgesicherten Bereich substantiiert dargelegt und damit ihrer sekundären Darlegungslast genügt. Es bestehe ferner keine tatsächliche Vermutung dahin, dass die Einstellung von Werken auf frei zugänglichen Internetseiten vom Rechtsinhaber erlaubt worden sei.

Keine Erkennbarkeit unbefugter Publikation: Das Setzen von Hyperlinks auf eine Internetseite mit geschützten Werken stelle unter Berücksichtigung von Art. 11 GRC und der schweren Erkennbarkeit einer fehlenden Erlaubnis nur dann eine öffentliche Wiedergabe i.S.v. Art. 3 Abs. 1 RL 2001/29/EG dar, wenn der Verlinkende die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Internetseite gekannt habe oder vernünftigerweise habe kennen können. Die Suchfunktionsanbieterin habe nicht mit der Rechtsverletzung rechnen müssen.

Vermutung bei Gewinnerziehungsabsicht: Bei Gewinnerzielungsabsicht sei von einer widerleglichen Vermutung auszugehen, dass Hyperlinks ggf. in voller Kenntnis der fehlenden Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers zur Veröffentlichung der geschützten Werke im Internet gesetzt worden seien, da hier von vorherigen erforderlichen Nachprüfungen ausgegangen werden könne (vgl. EuGH v. 26.4.2017 – C-527/15 – Stichting Brein/Wullems, Rz. 49, CR 2017, 546). Das gelte auch, wenn nicht nur mit dem konkreten Link, sondern insgesamt Gewinn – etwa in Form von Werbeeinnahmen – erzielen werden solle.

Keine Vermutung bei Suchmaschinen: Unter Berücksichtigung der Bedeutung von Suchmaschinen für die Informationsvermittlung und die Förderung der Informationsgesellschaft (vgl. Erwgrd. 2 RL 2001/29/EG) greife die Vermutung mangels Praktikabilität einer Prüfung nicht bei von Suchmaschinen automatisiert aufgefundenen Abbildungen (vgl. BGH v. 19.10.2011 – I ZR 140/10 – Vorschaubilder II, Rz. 28, CR 2012, 333 = ITRB 2012, 100). Gleiches gelte für Anbieter, die mit einem Link auf die Suchmaschine verwiesen.

Wortfilter: Nach Kenntniserlangung von der Rechtsverletzung müsse redlich auf Abstellung des rechtswidrigen Zustands hingearbeitete werden, da widrigenfalls von einer gebilligten öffentlichen Wiedergabe auszugehen sei. Die Eignung eines Wortfilters für die Erkennung von Urheberrechtsverletzungen werde nicht dadurch beseitigt, dass damit Verletzungshandlungen nicht vollständig erfasst würden (vgl. BGH v. 12.7.2012 – I ZR 18/11 – Alone in the Dark, Rz. 35, CR 2013, 190 = ITRB 2013, 51).

Bilderkennungssoftware: Die Zumutbarkeit von Überwachungsmaßnahmen habe der Anspruchsteller regelmäßig darzulegen (vgl. BGH v. 26.11.2015 – I ZR 174/14 – Störerhaftung des Accessproviders, Rz. 40, ITRB 2016, 74 = CR 2016, 408). Die Suchfunktionsanbieterin habe eingewandt, dass sie mit Ausnahme des eingesetzten Wortfilters keinen Einfluss auf die technischen Abläufe bei Google nehmen könne. Hier hätte es konkreter Darlegungen der Fotoanbieterin etwa zur Eignung einer Bilderkennungssoftware bedurft.

Keine Störerhaftung: Eine Prüfpflicht der Suchfunktionsanbieterin könne mangels allgemeiner Kontrollpflicht erst nach der Abmahnung entstehen (vgl. BGH v. 29.4.2010 – I ZR 69/08 – Vorschaubilder I, Rz. 39, CR 2010, 463 = ITRB 2010, 175). Danach habe die Suchfunktionsanbieterin – wie oben dargestellt – alle ihr technisch zumutbaren Abwehrmaßnahmen ergriffen hat.


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