BGH, Urt. 22.11.2017 - VIII ZR 213/16

Kaufpreisanspruch trotz PayPal-Käuferschutzes

Autor: RA, FA IT-Recht Dr. Aegidius Vogt, Herberger Vogt von Schoeler, München – www.hvs-rechtsanwaelte.de
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 04/2018
Wird dem Käufer der Kaufpreis im Rahmen des PayPal-Käuferschutzes wieder gutgeschrieben, kann der Verkäufer dennoch erneut Zahlung des Kaufpreises verlangen. Der Käufer kann dem etwaige Gewährleistungsrechte entgegenhalten.

BGH, Urt. v. 22.11.2017 - VIII ZR 213/16

Vorinstanz: LG Saarbrücken, Urt. v. 31.8.2016 - 5 S 6/16

BGB § 133, § 157, § 311 Abs. 1, § 362, § 364, § 433 Abs. 2

Das Problem

Der Online-Zahlungsdienst PayPal sieht ein eigenes System zum Schutz der Verkäufer- (Zahlungsausfall) und Käuferinteressen (kein Versand/Produktabweichungen) vor. Ein Kunde erwarb in einem Onlineshop eine Metallbandsäge und zahlte den Kaufpreis über PayPal. Da das Produkt erheblich von der Artikelbeschreibung der Verkäuferin abwich, wurde dem Kunden der Kaufpreis gemäß der sog. PayPal-Käuferschutzrichtlinie wieder gutgeschrieben. Die Verkäuferin verlangte daraufhin erneut die Zahlung des Kaufpreises. Das Instanzgericht erkannte in der anfänglich vorbehaltlosen Gutschrift der Kaufpreisforderung auf dem PayPal-Konto der Verkäuferin eine Erfüllungswirkung und wies die Kaufpreisklage ab.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung an das LG Saarbrücken zurückverwiesen.

Erfüllungswirkung: Zwar sei der Kaufpreisanspruch zunächst erloschen, indem der Betrag dem virtuellen PayPal-Konto der Verkäuferin vorbehaltlos gutgeschrieben worden sei. Denn ab diesem Zeitpunkt könne die Verkäuferin – wie bei Zahlungen im Lastschriftverfahren und bei Banküberweisungen – über das Guthaben frei verfügen, indem sie es etwa auf ihr bei PayPal hinterlegtes Bankkonto abbuchen lasse oder direkt für Zahlungen mittels PayPal verwende. Die Erfüllungswirkung sei auch nicht rückwirkend entfallen, indem der Kaufpreis aufgrund des durchgeführten PayPal-Käuferschutzverfahrens zurückgebucht und dem PayPal-Konto des Käufers wieder gutgeschrieben worden sei, da die Erfüllungswirkung gem. der Theorie der realen Leistungsbewirkung nicht nur vorläufig eintreten könne. Die anderslautende Rechtsprechung zum SEPA-Basis-Lastschriftverfahren (vgl. BGH v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, NJW 2010, 3510) lasse sich nicht übertragen, da die Erstattung des Zahlbetrags dort vom Zahler ohne Angabe von Gründen verlangt werden könne, während hier allein PayPal im Rahmen des Käuferschutzverfahrens eigenständig über eine Kaufpreiserstattung entscheide.

Wiederbegründung der Kaufpreisforderung: Dennoch könne die Verkäuferin die Zahlung des Kaufpreises erneut verlangen, da die Parteien nach dem Grundsatz der Privatautonomie mit der bei Abschluss des Kaufvertrags getroffenen Nebenabrede, den Zahlungsdienst PayPal zu verwenden, gleichzeitig stillschweigend vereinbart hätten, dass die getilgte Kaufpreisforderung wiederbegründet werde, wenn das PayPal-Konto der Verkäuferin rückbelastet werde (§ 311 Abs. 1 BGB).

Vertragsauslegung: Dies ergebe sich nach Maßgabe der gebotenen, nach beiden Seiten hin interessengerechten Vertragsauslegung. Der Erklärungsgehalt der Nebenabrede richte sich dabei neben den sich aus §§ 133, 157 BGB ergebenden Auslegungsregeln grundsätzlich nach den Bestimmungen der PayPal-AGB, denen die Parteien zugestimmt hätten. Hiernach sei u.a. vorgesehen, dass die gesetzlichen und vertraglichen Rechte beider Parteien unabhängig von der Entscheidung im PayPal-Käuferschutzverfahren Bestand haben sollten. Es widerspräche zudem in evidenter Weise den berechtigten Interessen der Vertragsparteien, im Fall der Durchführung des – ohnehin nur den Käufer begünstigenden – Käuferschutzverfahrens den Verkäufer über die Mechanismen dieses Verfahrens hinaus durch Ausschluss oder Einschränkung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Rechte unangemessen zu benachteiligen. Die Annahme einer Wiederbegründung der Kaufpreisforderung sei auch deshalb geboten, weil PayPal nur einen vereinfachten Prüfungsmaßstab anlege, der mit dem Regelungsgehalt des gesetzlichen Mängelgewährleistungsrechts (§§ 434 ff. BGB) nicht ansatzweise vergleichbar und dessen Anwendung für die Parteien nur begrenzt nachvollziehbar und erst recht nicht überprüfbar sei. Zudem gehe der beschränkte Prüfungsmaßstab im Wesentlichen zu Lasten des Verkäufers, der weitgehend weder angehört noch sonst beteiligt werde. Schließlich sei es auch sachgerecht, Streitigkeiten über Leistungsstörungen abschließend im Verhältnis der Kaufvertragsparteien zu klären und nicht eine Partei auf einen Rechtsstreit gegen PayPal zu verweisen.


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