BGH, Urt. 22.8.2018 - VIII ZR 277/16

Schönheitsreparaturen: Abwälzung trotz Renovierungsvereinbarung zw. Mieter und Vormieter unwirksam

Autor: RiAG Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus, Gelsenkirchen
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 10/2018
Im Falle einer dem Mieter unrenoviert überlassenen Wohnung hält die formularvertragliche Überwälzung der nach der gesetzlichen Regelung den Vermieter treffenden Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand, sofern der Vermieter dem Mieter keinen angemessenen Ausgleich gewährt, der ihn so stellt, als habe der Vermieter ihm eine renovierte Wohnung überlassen. Eine allein zwischen dem bisherigen und dem neuen Mieter getroffene Renovierungsvereinbarung vermag – mit Rücksicht darauf, dass die Wirkungen eines Schuldverhältnisses grundsätzlich auf die daran beteiligten Parteien beschränkt sind – daran nichts zu ändern.

BGH, Urt. v. 22.8.2018 - VIII ZR 277/16

Vorinstanz: LG Lüneburg - 6 S 58/16

BGB § 535 Abs. 1, § 307 Abs. 1 S. 1, § 307 Abs. 2 Nr. 1

Das Problem

Seit dem „Tornado des BGH” vom 18.3.2015 zur Wirksamkeit von Schönheitsklauseln bei unrenoviert übergebenen Wohnungen wird in der mietrechtlichen Literatur über Ausweichstrategien nachgedacht (z.B. Graf von Westphalen, WuM 2017, 677). Neben der Frage, ob der Vermieter sich zumindest von der Schönheitsreparaturpflicht freizeichnen kann (Artz, NZM 2015, 801; Herlitz, WuM 2015, 654; Lehmann-Richter, WuM 2016, 529; Lützenkirchen, NZM 2016, 113; Kappus, NZM 2016, 609) wurde hier insbesondere von der Wohnungswirtschaft immer wieder die Idee ins Spiel gebracht, dass eine renovierte Wohnung i.S.d. BGH-Rechtsprechung auch dann vorliege, wenn der Mieter sich mit dem Vormieter über die Übernahme der von diesem geschuldete Verpflichtung zur Vornahme der Schönheitsreparaturen geeinigt habe (Börstinghaus, PiG 103 [2016], 109). Mit einem solchen Fall hatte der Senat sich zu beschäftigen.

Der Mieter hatte eine Wohnung bei der Genossenschaft angemietet. Im Mietvertrag hieß es, dass „die Schönheitsreparaturen vom Mitglied auszuführen sind”. Die Klausel enthielt einen weichen Fristenplan. Der Mieter vereinbarte mit der Vormieterin, an deren Stelle die erforderlichen Schönheitsreparaturen durchzuführen. Die Wohnung wurde dem Mieter unrenoviert übergeben. Im Übergabeprotokoll heißt es: „Die Wohnung wurde mängelfrei und ohne Stockflecken übernommen. Renovierungsarbeiten und Tebo werden übernommen. Auf Folgekosten wurde hingewiesen.” Nach Auszug hatte der Mieter die Wände der Wohnung nicht deckend gestrichen, sondern streifig. Die Vermieterin ließ die Arbeiten für 799,89 € durchführen. AG und LG haben der Vermieterin den Schadensersatzanspruch zugesprochen, weil sie von einer wirksamen Abwälzung der Schönheitsreparaturverpflichtung ausgingen.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Revision hat Erfolg. Die Abwälzung der Schönheitsreparaturen war vorliegend auch unter Berücksichtigung der Vereinbarung zwischen Vor- und Nachmieter wegen des unrenovierten Zustands unwirksam.

Anders als die Vorinstanzen schließt sich der Senat der Auffassung an, wonach Vereinbarungen zwischen Vor- und Nachmieter auf die Wirksamkeit der Klausel keinen Einfluss haben. Solche Vereinbarungen begründeten nur relative Rechte. Deshalb können sie grundsätzlich keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der in dem neuen Mietvertrag zwischen Vermieter und Mieter enthaltenen Verpflichtungen haben; insbesondere stelle der Vermieter damit keine renovierte Wohnung zur Verfügung.

Auch eine an den Interessen der Beteiligten orientierte Betrachtung ändere daran nichts. Es sei nämlich schon nicht erkennbar, dass die Interessen aller Beteiligten in derartigen Fällen in die gleiche Richtung gingen. Die Beurteilung der rechtlichen Wirksamkeit einer von Vermieter gestellten Vornahmeklausel sei ihm unabhängig von der Existenz etwaiger zweiseitiger Renovierungsvereinbarungen zwischen altem und neuem Mieter verlässlich möglich. Am Ende eines Mietverhältnisses obliege dem Vermieter mit Blick auf das auslaufende Vertragsverhältnis im eigenen Interesse die Prüfung, ob er gegen diesen einen Anspruch auf Vornahme von Schönheitsreparaturen habe. Ist dies der Fall, kann er diesen Anspruch, der durch eine etwaige zweiseitige Renovierungsvereinbarung zwischen altem und neuem Mieter nicht untergeht, geltend machen und so ohne weiteres sicherstellen, dass er dem neuen Mieter eine renovierte Wohnung übergeben kann. Bestehe hingegen ein Anspruch auf Durchführung von Schönheitsreparaturen gegen den bisherigen Mieter nicht, obliege es ohnehin dem Vermieter, die Wohnung zu renovieren oder einen Ausgleich zu zahlen.

Entscheidet sich der Vermieter hingegen dafür, dem neuen Mieter weder eine renovierte Wohnung noch einen angemessenen Ausgleich zu gewähren, besteht auch kein Grund, ihn als Verwender einer formularmäßigen Vornahmeklausel allein deshalb besser zu stellen, weil der neue Mieter Verpflichtungen gegenüber dem Vormieter eingegangen ist, an denen der Vermieter nicht beteiligt ist und die ihm gegenüber keine rechtliche Wirkung entfalten.

Eine schuldbefreiende Übernahme einer im alten Mietverhältnis bestehenden Renovierungsverpflichtung durch den Nachmieter setzt nach § 415 Abs. 1, 2 BGB die Beteiligung des Vermieters voraus. Dabei muss der Vermieter im eigenen Interesse sicherstellen, dass ein im Vertragsverhältnis Altmieter/Neumieter eventuell gewährter finanzieller Vorteil zum einen als angemessene Kompensation für die Übernahme der Renovierungsverpflichtung angesehen werden kann und zum anderen in der gebotenen Gesamtschau jedenfalls wirtschaftlich so zu bewerten ist als hätte ihn der Vermieter als Ausgleich für die von ihm unrenoviert übergebene Wohnung selbst gewährt.


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