BGH, Urt. 23.2.2023 - I ZR 155/21

Beauftragtenhaftung eines Rundfunkveranstalters bei Übertragung von Prüfungspflichten an eine Konzerngesellschaft

Autor: RA Guido Aßhoff, LL.M., Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Fachanwalt für IT-Recht, LST Schuhmacher & Partner, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 05/2023
Ein Rundfunkveranstalter, der seine wettbewerbsrechtliche Prüfungspflicht auf ein anderes konzernangehöriges Unternehmen überträgt, kann selbst auf Unterlassung für eine unzureichende Prüfung durch dieses Unternehmen nach § 8 Abs. 2 UWG haften.

GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2; UWG §§ 3a, 8 Abs. 2; GlüStV 2012 § 5 Abs. 5; GlüStV 2021 § 5 Abs. 7

Das Problem

Der Bundesverband der Deutschen Glücksspielunternehmen wendete sich mit seiner Klage gegen bundesweit ausgestrahlte Fernsehspots einer Rundfunkveranstalterin auf verschiedenen Fernsehsendern im Zeitraum Sommer 2018 bis Sommer 2019, für die sie programmverantwortlich war.

Konkret hatte der Verband verschiedene Fernsehspots beanstandet, in denen aus seiner Sicht für unerlaubte Glücksspiele geworben wurde. Die Prüfung der Werbespots für Online-Casino & Automatenspiele erfolgte nicht durch die Rundfunkveranstalterin selbst, sondern durch eine Konzerngesellschaft, die P.M. SE, die die Rechtsangelegenheiten der beklagten Rundfunkveranstalterin zentral wahrnimmt. Der Verband hatte dieser Konzerngesellschaft gegenüber geltend gemacht, dass bei den Angeboten „Drückglück.de“, „Wunderino.de“ und „Rizkcasino.de“ bundesweit online spielbare Casinospiele beworben würden, deren Anbieter nicht über gültige Erlaubnisse aller Bundesländer zur Veranstaltung von Glücksspielen verfügten. Ferner erfolge auch eine mittelbare Werbung für andere Angebote der Anbieter unter Domains mit der Endung .com. Eine Abmahnung der P.M. SE blieb erfolglos.

Das LG München I hatte – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – die Beklagte antragsgemäß unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland für nicht erlaubte Online-Casino- und -Automatenspiele zu werben, wenn dies wie in den [in den Urteilstenor eingeblendeten] TV-Werbespots für Drückglück.de, Wunderino.de, MrGreen.de und Rizkcasino.de geschieht (LG München I, Urt. v. 9.11.2020 – 39 O 11031/19). Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg (OLG München, Urt. v. 16.9.2021 – 6 U 7179/20), so dass die Beklagte mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgt.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH hebt das Urteil des OLG München auf und ändert das Urteil des LG München I teilweise dahingehend ab, dass die Klage insoweit abgewiesen wird, als hinsichtlich der TV-Werbespots für MrGreen.de und für Rizkcasino.de zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist (insoweit lag keine Werbung für ein unerlaubtes Glücksspiel vor, weil die beworbenen Online-Spielangebote unentgeltlich waren); im Übrigen weist er die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG München zurück.

Der I. Zivilsenat setzt sich in seiner Entscheidung insbesondere mit der Frage der eigenständigen Haftung einer Rundfunkveranstalterin für Wettbewerbsverstöße auseinander, wenn die Prüfung von Werbespots auf – grobe und offensichtliche – Wettbewerbsverstöße durch eine andere Konzerngesellschaft übernommen wird.

Allgemein treffe die Rundfunkveranstalterin die wettbewerbsrechtliche Prüfpflicht, ob die Werbung für Glücksspielangebote gegen gesetzliche Vorschriften verstoße, wobei sich ihre Prüfungspflicht mit Blick auf die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit auf grobe und offensichtliche Rechtsverstöße beschränke (vgl. BGH, Urt. v. 22.7.2021 – I ZR 194/20, GRUR 2021, 1534 [juris Rz. 67 bis 69] – Rundfunkhaftung I, m.w.N.).

Eine Verletzung dieser Prüfungspflicht komme aus Sicht des Senats nur in Betracht, wenn anhand der vorgerichtlichen Beanstandungen des Verbands offenkundig und unschwer erkennbar war, dass die Fernsehspots Werbung für die unerlaubten Glücksspiele auf den Internetseiten „www.drueckglueck.com“, „www.wunderino.com“, „www.mrgreen.com“ und „www.rizk.com“ enthielten. Eine aufwendige Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Einbeziehung höchstrichterlich nicht geklärter Rechtsfragen sei einer Rundfunkveranstalterin indes nicht zumutbar (vgl. BGH, Urt. v. 22.7.2021 – I ZR 194/20 – Rundfunkhaftung I, m.w.N.).

Einer eigenständigen Haftung der Rundfunkveranstalterin würde es auch nicht entgegenstehen, wenn sie die Überprüfung der Rechtswidrigkeit der Fernsehspots auf eine Konzerngesellschaft überträgt, da sie für diese gem. § 8 Abs. 2 UWG einzustehen habe. Die wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten seien den deliktischen Verkehrssicherungspflichten aufgrund Schaffung oder Aufrechterhaltung einer Gefahrenlage entlehnt. Nach diesen Grundsätzen habe ein Konzernunternehmen, das aufgrund der konzerninternen Aufgabenverteilung die wettbewerbsrechtliche Prüfungspflicht einer konzernangehörigen Rundfunkveranstalters übernehme, für die Ausstrahlung rechtswidriger Werbung einzustehen, wenn es das Ergebnis seiner Rechtsprüfung innerhalb des Konzerns durchsetzen und die weitere Ausstrahlung rechtswidriger Werbespots unterbinden kann (vgl. BGH, Urt. v. 22.7.2021 – I ZR 194/20 Rz. 73 bis 76 sowie Leitsatz 3 – Rundfunkhaftung I).

Auch bei wirksamer Übertragung wettbewerbsrechtlicher Prüfungspflichten habe die übertragende Rundfunkveranstalterin nach § 8 Abs. 2 UWG für eine unzureichende Prüfung einer Konzerngesellschaft einzustehen, ohne dass es auf eine pflichtwidrig unterlassene Kontrolle dieses Unternehmens durch sie ankäme. Dem Inhaber eines Unternehmens werden nach dieser Vorschrift Zuwiderhandlungen seiner Beauftragten – die auch konzerninterne Unternehmen sein können – wie eigene Handlungen zugerechnet, weil die arbeitsteilige Organisation des Unternehmens die Verantwortung für die geschäftliche Tätigkeit nicht beseitigen soll.

Soweit eine Rundfunkveranstalterin, die ihr wettbewerbsrechtlich obliegende Prüfung von Fernsehspots auf grobe und offensichtliche Rechtsverstöße einem anderen konzernangehörigen Unternehmen überlasse, habe sie darauf zu achten, dass dieses Unternehmen der übertragenen Aufgabe ordnungsgemäß nachkomme, und sie habe sich hierzu einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit zu sichern. Für eine unzureichende Wahrnehmung der wettbewerbsrechtlichen Prüfungspflicht wäre dann nach § 8 Abs. 2 UWG ohne eine Entlastungsmöglichkeit einzustehen.

Der BGH hat eine Verletzung der bestehenden Prüfpflichten im Ergebnis verneint, weil sich aufgrund des vorgerichtlichen Hinweises des Verbands nicht aufgedrängt habe, dass die ausgestrahlten Werbespots unerlaubte Werbung für Glücksspiel enthielten. Zudem war der prüfenden Stelle eine Bewertung von ungeklärten Rechtsfragen zur Frage einer mittelbaren Werbung für Glücksspiele nicht zuzumuten.


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