BGH, Urt. 27.9.2023 - VIII ZR 117/22

Wohnflächenberechnung: Was ist eine „Türnische“ und zählt sie mit?

Autor: RAFAMuWR Norbert Monschau, Anwaltkooperation Schneider | Monschau, Neunkirchen, Erftstadt, Köln
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 12/2023
Bei der Wohnflächenberechnung hat die Grundfläche von Türnischen außer Betracht zu bleiben. Eine Türnische ist eine Öffnung in einer die Grundfläche eines Raums begrenzenden Wand, die einen Durchgang durch diese ermöglicht. Unerheblich ist, ob in die Wandöffnung eine Tür oder ein Türrahmen eingebaut ist, ob der Mieter die betreffende Wandöffnung tatsächlich als Zugangs- oder Durchgangsmöglichkeit nutzt oder ob eine solche Nutzung aus "raumgestalterischer Sicht" sinnvoll ist.

BGB § 536 Abs. 1 Satz 2; WoFlV § 3 Abs. 3 Nr. 3

Das Problem

Im Wohnraummietvertrag war die Wohnfläche mit "ca. 48 qm" angegeben. Die Mieterin minderte die Miete u.a. wegen einer vermeintlichen Wohnflächenunterschreitung von mehr als 10 %. Der Vermieter erklärte die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs und erhob Räumungs- und Herausgabeklage. Das AG gab der Klage statt, weil das Flächendefizit nicht mehr als 10 % betrage. In der Wohnung befanden sich nebeneinander zwei Durchgänge vom Wohnzimmer zum Schlafzimmer mit einer Größe von jeweils 0,10 m² ohne Türen und Türrahmen. Die Durchgänge waren höher als ein normaler Türdurchgang.

Die Berufung der Mieterin blieb erfolglos. Die Flächen seien gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 3 WoFlV nicht abzuziehen, da es sich hierbei nicht um Türnischen i.S. dieser Bestimmung handele, so das LG. Türnischen seien die Flächen in einer Türöffnung. In den Wanddurchgängen habe sich indessen zu keiner Zeit eine Tür befunden; auch fehle ein Türrahmen. Zudem seien die Durchgänge höher als ein normaler Türdurchgang. Auch ihre Anordnung wenige Meter nebeneinander spreche dagegen, dass sie für den Einbau von Türen vorgesehen gewesen seien.

Entscheidend kam es also darauf an, ob es sich bei den Durchgängen um Türnischen i.S.v. § 3 Abs. 3 Nr. 3 WoFlV handelte; denn dann betrüge die tatsächliche Wohnfläche statt der vom LG angenommenen 43,38 qm lediglich 43,18 qm und wiche damit um 10,04 % von der vereinbarten Wohnfläche (48 m²) ab. Damit wäre die Erheblichkeitsschwelle (§ 536 Abs. 1 S. 3 BGB) von 10 % überschritten.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Revision der Mieterin hatte Erfolg und führte zwecks weiterer Sachverhaltsaufklärung zur Zurückverweisung. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 3 WoFlV bleiben bei der Ermittlung der gemäß § 2 WoFlV zur Wohnung gehörenden Grundflächen die Grundflächen von Türnischen außer Betracht. Eine Türnische i.S. dieser Vorschrift sei eine Öffnung in einer – die Grundfläche eines Raums i.S.v. § 3 Abs. 1 WoFlV begrenzenden – Wand, die einen Durchgang durch diese ermögliche. Hierbei komme es im Hinblick auf den Regelungszweck des § 3 Abs. 3 WoFlV und die Systematik der Wohnflächenverordnung nicht entscheidend darauf an, ob in die Wandöffnung eine Tür oder ein Türrahmen eingebaut sei. Denn der Verordnungsgeber habe den Abzug der in § 3 Abs. 3 WoFlV aufgeführten Grundflächen bestimmter Raumteile bei der Wohnflächenberechnung im Hinblick auf deren geminderten Wohnwert vorgesehen. Diese Bewertung treffe für eine Wandöffnung, die den Zugang zu einem Raum oder den Durchgang zwischen Räumen ermögliche, unabhängig davon zu, ob sie (zudem) von einem Türrahmen eingefasst ist oder durch eine (vorhandene) Tür verschlossen werden könne. Die Grundfläche einer solchen Wandöffnung weise aufgrund ihrer baulichen Gestaltung grundsätzlich keinen eigenen Wohnwert auf, weil sie im Regelfall nicht oder allenfalls gemindert zu Wohnzwecken genutzt werden könne. Ebenso sei es nicht von entscheidender Bedeutung, ob der Mieter die betreffende Wandöffnung tatsächlich als Zugangs- oder Durchgangsmöglichkeit nutze oder ob eine solche Nutzung aus „raumgestalterischer Sicht“ sinnvoll sei. Aus Gründen der Praktikabilität und Rechtssicherheit seien die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 WoFlV abstrakt formuliert und sei ihr Vorliegen nicht vom tatsächlichen (Nutzungs-)Verhalten des individuellen Nutzers der Räumlichkeiten abhängig. Auch der Umstand, dass es in der Wand zwischen Wohn- und Schlafzimmer nicht nur eine, sondern zwei gleichförmige Öffnungen im Abstand von nur wenigen Metern nebeneinander gebe, schließe für sich genommen die Einordnung der beiden Öffnungen oder auch nur einer der beiden als Türnischen nicht aus.

Der Senat konnte den Feststellungen des LG jedoch nicht entnehmen, dass die beiden Wandöffnungen in Anbetracht ihrer Ausmaße über die Gestaltung einer Türöffnung wesentlich hinausgingen und deshalb nach herkömmlichem Verständnis, von dem ersichtlich auch der Verordnungsgeber ausgegangen ist, nicht mehr als Türöffnung, sondern etwa als ein größerer Wanddurchbruch anzusehen wären. Daher erfolgte eine Zurückverweisung.


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