BGH, Urt. 9.2.2023 - I ZR 61/22

Unterbliebene Anzeige der Widerspruchsbereitschaft kann Schadensersatzpflicht im Hinblick auf die Kosten eines Abschlussschreibens begründen

Autor: RA Dr. Geert Johann Seelig, Fachanwalt für gewerblichen RechtsschutzLuther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 08/2023
Eine unterbliebene Mitteilung des Schuldners einer einstweiligen Verfügung darüber, ob er beabsichtigt gegen die Beschluss-Verfügung Widerspruch zu erheben, kann mit Ablauf der in der Regel zweiwöchigen Wartefrist zu einem Schadensersatzanspruch des Gläubigers führen, wenn der unterbliebene Hinweis des Schuldners adäquat kausal für das – objektiv nicht mehr erforderliche – Abschlussschreiben des Gläubigers war.

BGB §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 677, 683 S. 1; UWG §§ 9 Abs. 1, 13 Abs. 3

Das Problem

Am 23.8.2018 erließ das Landgericht Wuppertal eine einstweilige Verfügung wegen fünf behaupteter Wettbewerbsverstöße, auf die die Antragsgegnerin innerhalb der gesetzten Frist keine Unterlassungserklärung abgab. Am 17.9.2018 erhob sie Widerspruch gegen den ihr am 3.9.2018 zugestellten Beschluss. Eine Abschrift dieses Widerspruchs wurde der Antragstellerin mit Ausführung der richterlichen Verfügung vom 24.9.2018 am 4.10.2018 übersandt. Die Antragsgegnerin behauptet, die Antragstellerin habe davon am 26.9.2018 Kenntnis erlangt, wenngleich der Posteingangsstempel des Antragstellervertreters auf den 9.10.2018 datiert. Mit anwaltlichem Schreiben vom 8.10.2018 hatte die Antragstellerin die Antragsgegnerin aufgefordert, bis zum 30.10.2018 eine Abschlusserklärung zu der ergangenen einstweiligen Verfügung abzugeben.

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin erging ein die einstweilige Verfügung bestätigendes Urteil. Die hiergegen gerichtete Berufung nahm die Antragsgegnerin nach einem gerichtlichen Hinweis zurück. Die Antragstellerin begehrt mit ihrer Klage die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für das Abmahnschreiben i.H.v. 794,34 €, sowie das Abschlussschreiben i.H.v. 1.822,96 €. Das LG Wuppertal gab der Klage statt.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf änderte das Urteil auf die Berufung der Beklagten daraufhin ab, dass lediglich die außergerichtlichen Kosten für die Abmahnung zu ersetzen seien. Mit der dagegen eingelegten Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte ist vor dem Revisionsgericht nicht vertreten gewesen. Die Klägerin beantragte den Erlass eines Versäumnisurteils.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Revision der Klägerin war nicht nur infolge der Säumnis, sondern auch in der Sache erfolgreich. Das Berufungsurteil wurde hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten für das Abschlussschreiben aufgehoben und die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Anspruch auf Ersatz der Kosten für das Abschlussschreiben könne nicht abgelehnt werden.

Geschäftsführung ohne Auftrag:

Die Klägerin wendete sich jedoch erfolglos gegen die berufungsgerichtliche Annahme, die Kosten für das Abschlussschreiben stünden der Klägerin nicht aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB zu. Eine echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag läge vor, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspräche. Dabei sei der mutmaßliche Wille deckungsgleich mit dem objektiven Interesse des Geschäftsherrn, soweit keine entgegenstehenden Anhaltspunkte vorlägen. Es komme hier darauf an, ob die in dem Abschlussschreiben enthaltene Aufforderung an die Schuldnerin, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen und auf die Rechte aus §§ 912, 926, 927 ZPO zu verzichten, objektiv und subjektiv dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Schuldnerin entspricht. Ein kostenauslösendes Abschlussschreiben sei nur dann erforderlich und entspräche dem mutmaßlichen Willen des Schuldners, wenn der Gläubiger dem Schuldner eine angemessene Zeit gewährt habe, um die Abschlusserklärung abgeben zu können. Eine Wartefrist von zwei Wochen ab der Zustellung der einstweiligen Verfügung sei im Regelfall geboten. Von einem mutmaßlichen Willen der Schuldnerin könne hier schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Schuldnerin mit Schreiben vom 17.9.2018 bereits Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung erhoben hatte. Die Abschlusserklärung sei für die Schuldnerin damit nicht mehr objektiv vorteilhaft und nützlich, da sie sich bereits dazu entschieden habe, die einstweilige Verfügung nicht zu akzeptieren. Darüber hinaus entspreche die Beauftragung eines Abschlussschreibens bei dieser Sachlage auch nicht dem ausdrücklichen Willen der Schuldnerin. Da die Geschäftsführung weder dem wirklichen noch dem mutmaßlichen Willen der Schuldnerin entsprochen habe, scheide ein Aufwendungsersatzanspruch aus einer echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag folglich aus.

Schadensersatz:

Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht könne indes nicht verneint werden. Es sei anerkannt, dass berechtigte Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb eine wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehung eigener Art begründen. Daraus ergebe sich ein Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und unter Umständen auch eine Pflicht zur Aufklärung, wenn infolge des Verhaltens des Verletzers Kostenschäden drohen, die durch die Aufklärung unschwer zu vermeiden seien. Ein unterlegener Schuldner einer einstweiligen Verfügung müsse damit rechnen, dass der Gläubiger seinem Rechtsanwalt unmittelbar nach Ablauf der Wartefrist den Auftrag zur Versendung eines Abschlussschreibens erteilt. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts mit dessen erster Tätigkeit für diesen Auftrag entstehe. Vor diesem Hintergrund treffe den Schuldner mit Ablauf der Wartefrist eine Pflicht zur Aufklärung darüber, dass er sich zur Erhebung des Widerspruchs entschlossen oder diesen schon erhoben habe. Er dürfe sich dabei nicht darauf verlassen, dass das Gericht dem Gläubiger die Widerspruchsschrift zur Kenntnisnahme übermittelt. Vielmehr könne er bei einem nicht unmittelbar erhobenen Widerspruch auch gehalten sein, den Gläubiger vorab zu informieren und ihm andernfalls die Widerspruchsschrift vorab zur Kenntnis zu übermitteln. Hier sei der Entschluss zur Erhebung des Widerspruchs spätestens am 17.9.2018 gefasst worden.

Die Gläubigerin habe vorgetragen, erst am 9.10.2018, also einen Tag nach Versand des Abschlussschreibens, Kenntnis davon erlangt zu haben. Sind die mit dem objektiv nicht erforderlichen Abschlussschreiben verursachten Kosten adäquat kausale Folge des pflichtwidrig unterlassenen Hinweises des Schuldners, könne dies einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB auslösen.

Erforderlich und zweckmäßig: Dabei seien allerdings nur solche Kosten zu ersetzen, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig seien. Aus Sicht der Gläubigerin sei die Beauftragung des am 8.10.2018 versandten Abschlussschreibens nach Ablauf der am 17.9.2018 endenden Wartefrist erforderlich und zweckmäßig, wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis von dem Widerspruch hatte. Die Gläubigerin habe ihrer Darlegungslast hinsichtlich der Aufklärungspflichtverletzung genüge getan, indem sie vorgetragen hat, das Abschlussschreiben in Unkenntnis des Widerspruchs versendet zu haben.

Ersatzfähiger Schaden nach dem UWG: Es bedürfe keiner Entscheidung, ob die Kosten einer berechtigten Abmahnung oder eines berechtigten Abschlussschreibens als ersatzfähiger Schaden gem. § 9 Abs. 1 UWG anzusehen sind. Eine von dem Revisionsgericht befürwortete entsprechende Anwendung des Aufwendungsersatzanspruches für die Kosten einer berechtigten Abmahnung nach § 13 Abs. 3 UWG auf die Kosten eines berechtigten Abschlussschreibens komme mangels einer Regelungslücke nicht in Betracht.

Prozessuales:

Das Urteil des Berufungsgerichts sei insoweit aufzuheben, als das hinsichtlich des Klageantrags bzgl. der Kosten des Abschlussschreibens zum Nachteil der Gläubigerin erkannt wurde. Im Umfang der Aufhebung sei die Sache und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Eine eigene Sachentscheidung sei dem Revisionsgericht verwehrt, da das Sachverhältnis bisher nur vom erstinstanzlichen Gericht festgestellt worden sei und das Berufungsgericht nicht geprüft habe, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an dessen Richtigkeit begründen. Das Landgericht habe sich hier keine Überzeugung davon verschaffen können, dass der Vortrag der Schuldnerin, die Gläubigerin habe am 26.9.2018 Kenntnis von dem Widerspruch gehabt, zutrifft. Damit könne eine neue Tatsachenfeststellung vorliegen, die in die Zuständigkeit des Tatgerichts falle.


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