BGH, Urt. 9.8.2022 - VI ZR 1244/20

Erweiterte Prüfpflichten von Bewertungsportalen

Autor: RA Dr. Niclas Kunczik, Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 10/2022
Bei einem Bewertungsportal reicht die Rüge des Bewerteten, dass einer Bewertung kein Kundenkontakt zugrunde liegt, grundsätzlich aus, um Prüfpflichten des Portals auszulösen.

GG Art. 2 Abs. 2, 19 Abs. 3; BGB §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 analog; TMG § 10 Satz 1

Das Problem

Auf einer Reiseportalseite wurde ein Ferienpark mit einigen hundert Betten an verschiedenen Standorten mehrfach negativ bewertet. Bewertende mussten sich vorab per E‑Mail auf dem Portal registrieren. Die Portalbetreiberin versprach den Bewertenden für abgegebene Bewertungen Flugmeilen als Prämien. Die streitgegenständlichen Bewertungen wurden teils unter Nennung von Vornamen oder nur Pseudonymen und teils unter Angaben zur Person, Begleitung oder Reisezeit und teils unter Beifügung von Fotos abgegeben. Die Parkbetreiberin bestritt die Gästebeziehung und forderte das Portal zur Löschung der Bewertungen auf.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH wies die Revision der Portalbetreiberin zurück.

Unterlassungsanspruch: Der Parkbetreiberin stehe als juristische Person zwar kein Unterlassungsanspruch aus der DSGVO zu, sie habe aber wegen der Verletzung des Unternehmerpersönlichkeitsrechts einen quasinegatorischen Anspruch auf Unterlassung aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG. Der Unterlassungsanspruch gegen die Portalbetreiberin als Hostprovider sei auch nicht bereits nach § 10 Satz 1 TMG ausgeschlossen, da die Haftungsprivilegierung nicht auf Unterlassungsansprüche Anwendung finde.

Störereigenschaft: Auch hafte die Portalbetreiberin nicht als unmittelbare Störerin, da die streitgegenständlichen Bewertungen nicht von ihr selbst stammten und sie sich diese auch nicht zu eigen gemacht habe. Daran ändere sich auch nichts durch das Ausloben von Prämien an die Bewertenden. Sie sei indes als mittelbare Störerin für die beanstandeten Bewertungen verantwortlich, da sie gegen die ihr als Hostprovider obliegenden Prüfpflichten verstoßen habe. Zwar müsse die Betreiberin des Bewertungsportals nicht alle durch die Nutzer ins Netz gestellten Inhalte vorab auf Rechtsverletzungen prüfen. Erfolge wie vorliegend indes ein Hinweis auf eine etwaige Verletzung des Unternehmerpersönlichkeitsrechts, könne der Hostprovider verpflichtet sein, derartige Störungen zu verhindern. Behaupte ein Betroffener einen Rechtsverstoß, der ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung bejaht werden könne, sei der Hostprovider verpflichtet, den Sachverhalt zu ermitteln, was auch die Einholung einer Stellungnahme des für den Beitrag Verantwortlichen (den Bewertenden) einbeziehe. Bleibe die Stellungnahme nach Aufforderung aus, sei von einer Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der Eintrag zu löschen.

Fehlender Kundenkontakt: Vorliegend sei zutreffend davon auszugehen, dass es keinen Gästekontakt gegeben habe, so dass die Beeinträchtigung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Bewerteten rechtswidrig sei. Die Abwägung der grundrechtlich geschützten Belange der Beteiligten ergebe ein überwiegendes Interesse des bewerteten Unternehmens, von derartigen negativen Bewertungen verschont zu bleiben. Ein Interesse von Nutzern, nicht in Anspruch genommene Leistungen zu bewerten, sei ebenso wenig ersichtlich wie ein Interesse der Portalbetreiberin, derartige Bewertungen zu kommunizieren, oder von Dritten, sich auf Basis solcher Bewertungen zu informieren. Die Rüge, dass kein Gästekontakt vorgelegen habe, genüge, um eine Prüfpflicht der Portalbetreiberin auszulösen. Dies gelte auch dann, wenn die beanstandete Bewertung konkrete Angaben über die Inanspruchnahme der Leistungen enthalte, da auch in diesen Fällen das bewertete Unternehmen den behaupteten Gästekontakt nicht prüfen könne. Nur wenn sich aus der Bewertung selbst die Identität des Bewertenden ohne weiteres ergebe, greife die Prüfpflicht nicht. Die Beeinträchtigung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts begründe die Widerholungsgefahr i.S.v. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.


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