EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts 15.12.2022 - C-487/21

Bedeutung und Umfang des Begriffs der Kopie in Art. 15 Abs. 3 DSGVO

Autor: RA, FA IT-Recht Dr. Hauke Hansen, zert. Datenschutzbeauftragter (TÜV)Dipl. Juristin Hanna Meyer, Wiss. Mitarb., FPS PartG mbB, Frankfurt/M.
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 03/2023
Eine Kopie nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO soll es dem Betroffenen ermöglichen, seine Betroffenenrechte effektiv ausüben zu können. Zwar verleiht die Vorschrift kein allgemeines Recht auf Übermittlung einer Kopie der gesamten Dokumente, die die personenbezogenen Daten enthalten, sie schließt einen derartigen Umfang aber auch nicht aus, wenn dies für die Verständlichkeit der Auskunft erforderlich ist.

DSGVO Art. 4 Abs. 1, 12 Abs. 1, 15 Abs. 3

Das Problem

Eine österreichische Unternehmensberatungsagentur verarbeitete im Rahmen ihrer Tätigkeit personenbezogene Daten des Betroffenen, indem sie auf Verlangen ihrer Kunden Informationen über die Zahlungsfähigkeit Dritter bereitstellte. Der Betroffene beantragte bei der Agentur u.a. nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO, ihm seine personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung waren, zur Verfügung zu stellen. Daraufhin sendete die Agentur dem Betroffenen zum einen die zu seiner Person gespeicherten Daten in einer nach Namen, Geburtsdatum, Straße, Postleitzahl und Ort gegliederten Tabelle und zum anderen eine Übersicht über die unternehmerischen Funktionen und Vertretungsbefugnisse. Unterlagen wurden nicht übermittelt. Hiergegen legte der Betroffene Beschwerde bei der österreichischen Datenschutzbehörde ein und führte an, die Auskunft sei unvollständig, da ihm auch Kopien aller Unterlagen – z.B. E‑Mails und Datenbankauszüge – hätten übermittelt werden müssen. Gegen die Zurückweisung der Beschwerde durch die Datenschutzbehörde legte der Betroffene Beschwerde beim österreichischen BVerwG ein.

Dieses legte dem EuGH u.a. die Frage vor, ob Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO, wonach der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung stellt, dahingehend auszulegen ist, dass darin ein allgemeiner Rechtsanspruch einer betroffenen Person auf Ausfolgung einer Kopie – auch – gesamter Dokumente enthalten ist, in denen personenbezogene Daten der betroffenen Person verarbeitet werden, bzw. auf Ausfolgung einer Kopie eines Datenbankauszugs bei Verarbeitung der personenbezogenen Daten in einer solchen, oder damit – nur – ein Rechtsanspruch für die betroffene Person auf originalgetreue Reproduktion der nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO zu beauskunftenden personenbezogenen Daten besteht?

Die Schlussanträge des Generalanwalts

Umfang der Kopie: Die Antwort auf die Frage, ob Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO auch einen Anspruch auf ein Zurverfügungstellen ganzer Dokumente gewähre, hänge maßgeblich davon ab, ob dies für die Verständlichkeit der Auskunft erforderlich sei. Der Wortlaut der Norm lasse keinen Rückschluss auf ein Recht auf Erhalt von Dokumenten über die in Art. 15 Abs. 1 DSGVO genannten Informationen hinaus zu. Die Gesetzessystematik des Art. 15 DSGVO führe vielmehr dazu, dass der dritte Absatz lediglich die Modalitäten des Auskunftsrechts nach Abs. 1 regle und etwa die Form festlege, in der die Daten zur Verfügung zu stellen seien. Entscheidend für den Umfang des Auskunftsanspruchs sei das Transparenzgebot nach Art. 12 Abs. 1 DSGVO, nach dem die Auskunft für den Betroffenen verständlich sein müsse. Die Verständlichkeit sei für die wirksame Ausübung der Betroffenenrechte erforderlich und u.U. nur zu erreichen, indem auch der Kontext der Verarbeitung dargelegt werde. Im Einzelfall seien daher auch ganze Dokumente oder Auszüge aus Datenbanken herauszugeben.

Grenzen: Eine Grenze finde das Recht auf Erhalt einer Kopie bei der Beeinträchtigung der Rechte und Freiheiten anderer Personen nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO. Nach Erwgrd. 63 seien darunter etwa auch Geschäftsgeheimnisse oder das Urheberrecht an Software zu verstehen. Im Hinblick auf die Systematik des Unionsrechts sei außerdem zu beachten, dass andere Unionsrechtsakte durchaus den Zugang zu Dokumenten, insb. Verwaltungsdokumenten, regelten. Diese verfolgten indes nicht, wie die DSGVO, das Ziel der Erreichung eines hohen Schutzniveaus für natürliche Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten.


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