EuGH, Urt. 29.6.2023 - C-543/21

Der Pfandbetrag ist kein obligatorischer Bestandteil des Verkaufspreises

Autor: Dr. Danjel-Philippe Newerla, Kanzlei Dr. Newerla, Bremerhaven
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 09/2023
Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse ist dahin auszulegen, dass der dort vorgesehene Begriff des Verkaufspreises nicht den Pfandbetrag enthält, den der Verbraucher beim Kauf von Waren in Pfandbehältern zu entrichten hat.

Richtlinie 98/6 Art. 2, Art. 3 Abs. 1 und 4, Art. 4 Abs. 1; PAngV a.F. § 1 Abs. 1, Abs. 4; PAngV n.F. §§ 3, 7

Das Problem

Das Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 267 AEUV, das vom Bundesgerichtshof (BGH) eingeleitet wurde (BGH, Beschl. v. 29.7.2021 – I ZR 135/20 – Flaschenpfand III), betrifft die Auslegung der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Verbraucher bei Preisangaben sowie der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken.

Die Parteien sind der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. (VSW), ein deutscher Wettbewerbsüberwachungsverein, und die famila-Handelsmarkt Kiel GmbH & Co. KG (famila), ein Lebensmittelhändler. Im Kern geht es darum, ob der Pfandbetrag, den Verbraucher für Pfandbehälter zahlen müssen, in den Verkaufspreis der Waren einbezogen werden muss. Der Konflikt entstand, als famila eine Werbekampagne für Produkte in Pfandbehältern startete, wobei der Pfandbetrag neben dem Produktpreis gesondert ausgewiesen wurde. Der VSW hielt dies für unzulässig und klagte. Das Landgericht Kiel gab ihm recht (LG Kiel, Urt. v. 26.6.2019 – 15 HKO 38/18), das Oberlandesgericht Schleswig änderte das Urteil jedoch ab (OLG Schleswig, Urt. v. 30.7.2020 – 6 U 49/19; s. zu den Entscheidungen im Instanzenzug auch Newerla/Veresov, Zur Zulässigkeit der gesonderten Ausweisung von Flaschenpfand, IPRB 2021, 264 ff.).

Die Richtlinie 98/6/EG zielt darauf ab, Verbraucher über Preise zu informieren und den Preisvergleich zu erleichtern. Sie verlangt die Angabe des Verkaufspreises und des Preises je Maßeinheit für bestimmte Produkte. Das deutsche Recht, insbesondere die Preisangabenverordnung (PAngV), setzt diese Richtlinie um. Erforderlich ist grundsätzlich die Angabe eines Gesamtpreises (§ 1 Abs. 1 PAngV a.F., § 3 PAngV n.F.). Wenn aber außer dem Entgelt für eine Ware oder Leistung ein rückerstattbare Sicherheit gefordert wird, wie das beim Pfandbetrag der Fall ist, ist deren Höhe neben dem Preis für die Ware oder Leistung anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden (§ 1 Abs. 4 PAngV a.F., § 7 PAngV n.F.). Diese Ausnahmeregelung wurde von Teilen der Literatur und Rechtsprechung für europarechtswidrig gehalten. Auch der BGH neigt in seinem Vorlagebeschluss dieser Ansicht zu.

Der BGH legte dem EuGH daher die Frage vor, ob der Begriff des Verkaufspreises i.S.v. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG dahin auszulegen ist, dass er den Pfandbetrag enthalten muss, den der Verbraucher beim Kauf von Waren in Pfandflaschen oder Pfandgläsern zu zahlen hat.

Für den Fall der Bejahung dieser Frage wollte der BGH zudem wissen, ob eine von der Richtlinie 98/6/EG abweichende Regelung wie die in § 1 Abs. 4 PAngV a.F. beibehalten werden darf oder der Ansatz der Vollharmonisierung der Richtlinie 2005/29 dem entgegensteht.

Die Entscheidung des Gerichts

Der EuGH entschied, dass der Pfandbetrag nicht in den Verkaufspreis eingerechnet werden muss. Da der Verbraucher einen Anspruch auf Rückerstattung des Pfandbetrages bei Rückgabe des Pfandbehälters habe, sei der Pfandbetrag kein obligatorischer Bestandteil des Verkaufspreises und müsse daher nicht in diesem ausgewiesen werden.

Die Richtlinie 98/6/EG ziele primär darauf ab, Verbraucher zu informieren und den Preisvergleich zu erleichtern. Die Angabe des Pfandbetrags neben dem Verkaufspreis ermögliche es Verbrauchern, die Gesamtkosten zu berechnen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Es sei somit konsumentenfreundlich, den Pfandbetrag separat anzugeben.

Die zweite Frage des BGH bedurfte keiner Antwort des EuGH.

Zusammenfassend hat der EuGH somit entschieden, dass der Pfandbetrag nicht in den Verkaufspreis einbezogen werden muss, so wie es auch die deutsche Preisangabenverordnung vorsieht. Dies ermögliche den Verbrauchern eine bessere Vergleichbarkeit von Preisen und stärke dadurch den Verbraucherschutz im Binnenmarkt.


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