Keine Filterung von IP-Adressen durch Telekommunikationsdienstleister

Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 12/2015
Die Anordnung gegenüber einem Telekommunikationsdienstleister, den Ermittlungsbehörden die dynamischen IP-Adressen derjenigen Personen mitzuteilen, die innerhalb eines gewissen Zeitraums unter Nutzung einer bestimmten Browserversion eine näher bezeichnete Sub-URL einer Website aufrufen, ist rechtswidrig.

BGH, Beschl. v. 20.8.2015 - StB 7/15

Vorinstanz: BGH, Beschl. v. 29.4.2015 - 1 BGs 51/15

StPO §§ 100a Abs. 1, 100j Abs. 1, 2; TKG § 113 Abs. 1 Satz 3

Das Problem

Mit Beschluss des Ermittlungsrichters des BGH auf Antrag des Generalbundesanwalts wurde ein Accessprovider verpflichtet, den Ermittlungsbehörden die dynamischen IP-Adressen derjenigen Personen mitzuteilen, die innerhalb eines definierten Zeitraums unter Nutzung einer bestimmten Browserversion eine näher bezeichnete Sub-URL einer Internetseite aufriefen. Dazu sollte der Accessprovider in einem ersten Schritt diejenigen Anfragen an die von ihm betriebenen DNS-Server, die sich auf die Hauptseite beziehen, auf einen speziell eingerichteten Proxy-Server umleiten; in einem zweiten Schritt hatte er die umgeleiteten Daten auf die weiteren Merkmale – Sub-URL sowie Browserversion – zu untersuchen. Hinsichtlich der auf diese Weise erlangten IP-Adressen der Anfragenden hatte der Generalbundesanwalt gem. § 100j Abs. 1 und 2 StPO i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 3 TKG angeordnet, dass der Accessprovider schriftlich Auskunft über die jeweils vorhandenen Bestandsdaten zu erteilen hatte.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Beschwerde des Accessproviders gegen den Beschluss wurde stattgegeben.

Zulässigkeit der Beschwerde: Da es sich bei der Anordnung nach § 100a Abs. 1 StPO um eine Maßnahme gem. § 101 Abs. 1 StPO handle, sei das Rechtsmittel auch gegen einen entsprechenden Beschluss des BGH-Ermittlungsrichters statthaft (§ 304 Abs. 5 StPO). Als von der Anordnung in die Pflicht genommener Telekommunikationsdienstleister sei der Accessprovider durch die Maßnahme sowohl betroffen als auch beschwert (§ 304 Abs. 2 StPO).

Keine Beschränkung auf technische Möglichkeit: Die Zulässigkeit des Rechtsmittels sei nicht auf die Frage der technischen Möglichkeit der Umsetzung zu reduzieren. Denn neben dem Eingriff in das Fernmeldegeheimnis der von der Maßnahme Betroffenen liege in einer Anordnung nach § 100a Abs. 1 StPO auch ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des in Anspruch genommenen Dienstleisters. Dieser Eingriff bedürfe seinerseits einer rechtlichen Grundlage (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG).

Ermöglichung der Überwachungsmaßnahme: Die Inanspruchnahme des Telekommunikationsdienstleisters finde ihre Rechtfertigung grundsätzlich in § 100b Abs. 3 Satz 1 StPO. Danach habe dieser daran mitzuwirken, den Ermittlungsbehörden die Maßnahmen nach § 100a StPO zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Der Umstand, dass die TKÜV, die in § 110 Abs. 2 TKG ihre Grundlage finde, keine Regelungen zur Umsetzung der verfahrensgegenständlichen Anordnung enthalte, mache diese selbst nicht unzulässig. § 100b Abs. 3 Satz 2 StPO bewirke keine Einschränkung der nach § 100a StPO möglichen Maßnahmen, sondern regle lediglich eine technische Vorhaltungsverpflichtung.

Aufgabenverteilung: Die durch § 100a Abs. 1 StPO gestattete Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation, mithin die Kenntnisnahme vom Inhalt der Mitteilungen, obliege allein den Ermittlungsbehörden. Das für Mitarbeiter von Telekommunikationsdienstleistern bestehende Verbot, Gespräche mitzuhören, stehe auch bei nicht standardisierten Maßnahmen nicht in Relation zu dem unabhängig davon geltenden Gebot des geringstmöglichen Eingriffs in das Fernmeldegeheimnis des einzelnen Nutzers.

Fernmeldegeheimnis: § 88 Abs. 3 Satz 1 TKG untersage den Dienstanbietern, sich über das für die geschäftsmäßige Erbringung erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. Dieses Verbot bleibe von § 100b Abs. 3 Satz 1 StPO unberührt.


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