Keine Störerhaftung des Ärztebewertungsportals

Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 06/2016
Eine mittelbare Störerhaftung des Betreibers eines Ärztebewertungsportals kommt grundsätzlich erst dann in Betracht, wenn er von dem von einer negativen Bewertung Betroffenen unterrichtet wird.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2015 - I-16 U 2/15 (rkr.)

Vorinstanz: LG Duisburg, Urt. v. 27.11.2014 - 4 O 83/14

GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1; BGB §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2

Das Problem

In einem Ärztebewertungsportal sank die Gesamtnote durch eine Bewertung von 9,6 auf 2,1 und wurde u.a. kommentiert mit:

„Spielt der Doc die ganze Zeit sein ‚intelligentes fieses Spielchen‘ mit mir? [...] Wie kann ein Arzt nur so etwa tun? Ausbeutung des Schwächeren in einer so miserablen Situation!!! [...] Möge der Allmächtige mich, meine Freunde und meine Feinde von solch einem ‚Arzt‘ fernhalten”.

Nach Beanstandung durch den Arzt entfernte der Portalbetreiber die Bewertung.

Die Entscheidung des Gerichts

Dem Arzt stehe bzgl. der Veröffentlichung der Kommentierung kein Unterlassungsanspruch gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG gegen die Portalbetreiber zu.

Unmittelbarer Störer: Selbst wenn der Portalbetreiber vor der Veröffentlichung des Beitrags nicht nur eine technische „Schimpfwortsuche”, sondern eine weitere „manuelle” Vorprüfung vorgenommen hätte, läge kein Zueigenmachen vor, weil sich dies nicht in der äußeren Darstellung niedergeschlagen habe. Der Umstand, dass der Portalbetreiber die Bewertungen statistisch auswerte und zu einer Gesamtnote zusammenfasse, führe nicht zum Zueigenmachen im Weg einer inhaltlich-redaktionellen Überprüfung (vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2015 – I ZR 94/13 – Hotelbewertungsportal – Rz. 28, ITRB 2015, 279).

Mittelbarer Störer: Eine Haftung des Verbreiters fremder Nachrichten als Störer setze die Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten voraus. Den Betreiber eines Informationsportals treffe erst dann eine Prüfpflicht, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlange (keine proaktiven Prüfungspflichten). Weise ihn ein Betroffener auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Inhalt einer in das Portal eingestellten Nachricht hin, könne der Portalbetreiber als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern (vgl. BGH, Urt. v. 23.9.2014 – VI ZR 358/13 – Ärztebewertung II – Rz. 36, CR 2015, 116 = IPRB 2015, 28).

Keine ärztlichen Sonderregeln: Trotz der erheblichen Auswirkungen negativer Bewertungen auf den sozialen Geltungsanspruch und die wirtschaftliche Existenz (selbst wenn Nutzer von Internetsuchmaschinen nach ganz anderen Informationen wie z.B. Sprechzeiten der Bewerteten suchten) überwiege grundsätzlich das Recht des Portalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK zugunsten von Leistungstransparenz im Gesundheitswesen das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Berufsfreiheit des Arzts. Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre im Gegensatz zur Intim- oder Geheimsphäre dürften nur sanktioniert werden, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sei (vgl. BGH, Urt. v. 23.9.2014 – VI ZR 358/13 – Ärztebewertung II – Rz. 35, CR 2015, 116 = IPRB 2015, 28).

Keine Begehungsgefahr: Vorliegend könne sich der Arzt zur Begründung einer vermuteten Wiederholungsgefahr nicht auf die Veröffentlichung der Bewertung berufen. Denn eine Verhaltenspflicht des Betreibers könne erst nach Erlangung der Kenntnis von der Rechtsverletzung entstehen. Die Tatsache allein, dass sich ein Portalbetreiber gegen die Klage verteidige und dabei die Auffassung äußere, zu dem beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein, sei nicht als eine Berühmung zu werten, die eine Erstbegehungsgefahr für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch begründe (BGH, Urt. v. 17.8.2011 – I ZR 57/09 – Stiftparfüm – Rz. 44, CR 2011, 817 = ITRB 2012, 3).

Keine Rechtsverletzung: Bei sämtlichen vom Arzt angegriffenen Aussagen handle es sich um Meinungsäußerungen, die grundsätzlich ohne Rücksicht auf ihre Qualität den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG genössen und nur etwa bei beleidigendem oder schmähendem Charakter untersagt werden könnten. Vom Schutz umfasst seien grundsätzlich auch scharfe und übersteigerte Äußerungen (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 6.9.2014 – 1 BvR 1279/00 – Fernsehberichterstattung – Rz. 14, ZUM 2004, 917). Wesentliches Merkmal des eng auszulegenden Begriffs der Schmähkritik sei eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung (BGH, Urt. v. 16.12.2014 – VI ZR 39/14 – Hochleistungsmagneten – Rz. 18, CR 2015, 251 = IPRB 2015, 78). Eine Äußerung dürfe nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urt. v. 27.5.2014 – VI ZR 153/13 – Die vierte Gewalt – Rz. 13, IPRB 2015, 29). Aus dem Gesamtzusammenhang ergebe sich hier, dass es darum gegangen sei, die ärztliche Behandlung auch in kostenrechtlicher Hinsicht kritisch zu beschreiben, so dass eine Rechtsverletzung abzulehnen sei.


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