LG Berlin, Urt. 23.5.2019 - 65 S 25/18

Begriff der „umfassenden Modernisierung” in § 556f Satz 2 BGB

Autor: RA Robert Harsch, Lörrach
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 11/2019
Die Modernisierung ist „umfassend” nach § 556f Satz 2 BGB, wenn sie über ein Drittel der fiktiven Neubaukosten in Anspruch genommen hat, wobei qualitative Verbesserungen in mehreren Bereichen, insbesondere Sanitär, Heizung, Fenster, Fußböden, Elektroinstallationen bzw. energetische Eigenschaften hinzukommen müssen (BGH v. 10.8.2010 – VIII ZR 316/09, WuM 2010, 679).

LG Berlin, Urt. v. 23.5.2019 - 65 S 25/18

Vorinstanz: AG Neukölln - 9 C 284/17

BGB §§ 551, 556f Satz 2, 556g; WoFG § 16 Abs. 1 Nr. 4

Das Problem

Gemietet wurde eine Wohnung zum 1.8.2016 mit 130 qm Wohnfläche bei 1.430 € Kaltmiete. Im Dezember 2016 wurde die Höhe der Miete gerügt und Auskunft über Art, Umfang und Kosten von Modernisierungen sowie der Vormiete verlangt. Der Vermieter teilte die Modernisierungskosten mit knapp 109.000 € mit, die Nettokaltmiete des Vorgängers betrug 373.44 €, wobei seit Beginn des Vormietvertrags 1971 bis 2014 nie renoviert wurde. Geklagt wird auf Feststellung der Höhe der geschuldeten Miete.

Die Entscheidung des Gerichts

Dem Feststellungsantrag wurde insoweit entsprochen, als die Miete 1.052,48 € beträgt (§§ 556d Abs. 1, 2 BGB i.V.m. der MietenbegrenzungsVO Berlin). Die Entscheidung befasst sich mit dem Modernisierungsbegriff nach § § 556f Satz 2 BGB, wonach §§ 556d, 556e BGB zur zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn unanwendbar sind im Fall der Erstvermietung nach umfassender Modernisierung. Heranzuziehen ist § 16 Abs. 1 Nr. 4 WoFG, der regelt, dass Wohnungsbau als Schaffen von Wohnraum (auch) die Änderung von Wohnraum unter wesentlichem Bauaufwand zur Anpassung an geänderte Wohnbedürfnisse darstellt. Der „wesentliche Bauaufwand” bestimmt sich danach, ob die Investitionen mindestens ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen Kostenaufwands erreichen (BT-Drucks. 18/3121, 32; BGH v. 10.8.2010 – VIII ZR 316/09, WuM 2010, 679; BVerwG v. 26.8.1971 – VIII C 42.70, ZMR 1972, 87 = juris Rz. 14). Zudem wird eine Verbesserung der Gesamtwohnung in mehreren Bereichen, besonders Sanitär, Heizung, Fenster, Fußböden, Elektroinstallationen, bzgl. der energetischen Eigenschaften verlangt.

Die Gesamtkosten waren zu bereinigen um den Instandsetzungsanteil, u.a. bei der Gangbarmachung von Türen, Scheibenersatz, Wassernasen (Schutz von Bauteilen gegen herablaufendes Wasser), Maler- und Fußbodenarbeiten, Ersatz 35 Jahre alter Wasserleitungen. Unter die Modernisierung fielen neue Elektroinstallationen, neue Gasetagenheizung, Trockenbau-, Fliesen- und Malerarbeiten wegen Grundrissänderungen. Nach einer Auskunft des Amts für Statistik Berlin lagen die Neubaukosten 2016 bei 1.523 €/qm. Bei 130 qm ergaben sich so 197.990 €, ein Drittel sind knapp 96.000 €. Vorliegend gab es Modernisierungen für 58.600 €. In qualitativer Hinsicht wurde durch eine Gesamtschau den Modernisierungen keine spürbare Wohnwertverbesserung zuerkannt, u.a. da nur Fenster im Bad und einem Zimmer von sechs Räumen ersetzt wurden. Vor allem wurden lediglich längst geschuldete Instandsetzungen nachgeholt wie etwa die Aufarbeitung der Fußböden oder der Gasheizungsaustausch. Die festgestellte Miete entsprach der ortsüblichen zzgl. 10 % (§ 556d Abs. 1 BGB).


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