LG München, Urt. 5.7.2018 - 17 HK O 17753/17

Zum Verdecken der Schockbilder durch Angebot von Zigaretten in einem Tabakwarenautomat im Kassenbereich eines Ladenlokals

Autor: RA Martin Boden, LL.M., FA für Gewerblichen Rechtsschutz, FA für Urheber- und Medienrecht,BODEN RECHTSANWÄLTE, www.boden-rechtsanwaelte.de
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 10/2018
Gegenstand der Kennzeichnungs- und Hinweisgebote gem. § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 TabakerzV ist allein die Gestaltung der Verpackung, nicht jedoch die Präsentation als Verkaufsmodalität. Wenn der Verbraucher in einem Ladenlokal nach Drücken einer Sortenwahltaste an einem vor der Kasse aufgestellten Tabakwarenautomat die Zigarettenpackung mit den gesetzlich vorgesehenen gesundheitsbezogenen Hinweisen erhält, werden ihm diese wesentlichen Informationen rechtzeitig zur Verfügung gestellt, so dass ein Vorenthalten wesentlicher Informationen i.S.d. § 5a UWG ausscheidet.

LG München, Urt. v. 5.7.2018 - 17 HK O 17753/17

UWG § 3a i.V.m. § 11 TabakerzV Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 5a Abs. 3 Nr. 3

Das Problem

Ein Supermarktbetreiber bietet Zigaretten in einem Warenautomat an. Dieser ist im Bereich vor der Kasse positioniert. Die Kunden können durch Drücken der Sortenwahltasten – auf dieser sind das Markenlogo, ggf. die Geschmacksrichtung, und die Packungsgröße dargestellt- die gewünschte Zigarettenpackung auswählen, die auf das Band vor der Kasse ausgeworfen wird. Erst dann können die gesetzlich vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Hinweise, die sog. Schockbilder, von den Verbrauchern auf der Zigarettenverpackung gesehen werden. Eine qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG sieht darin einen Verstoß gegen § 11 TabakerzV. Danach dürfen die Warnhinweise auf Zigarettenpackungen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens, einschließlich des Anbietens zum Verkauf, nicht teilweise oder vollständig verdeckt oder getrennt werden. Das Verdecken der Tabakwaren in dem geschlossenen Automaten sei Teil des Inverkehrbringens, eine Unterscheidung zwischen dem Akt der Abgabe und vorgelagerten Handlungen sei nicht geboten. Das Verdeckungsverbot nach der TabakerzV setze Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2014/40/EU um, wonach die Mitgliedsstaaten dafür sorgen, dass die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung und der Außenverpackung unablösbar aufgedruckt, unverwischbar und vollständig sichtbar sind und dass sie, wenn die Tabakerzeugnisse in Verkehr gebracht werden, nicht teilweise oder vollständig durch Steuerzeichen, Preisaufkleber, Sicherheitsmerkmale, Hüllen, Taschen, Schachteln oder sonstige Gegenstände verdeckt oder getrennt werden. Das „Verdecken” sei weit zu verstehen, es seien damit nicht nur Verdeckungen erfasst, die mit der Verpackung unmittelbar verbunden seien, was sich aus dem Wortlaut der Richtlinie „Sonstige Gegenstände” ergebe. Ein solcher sonstiger Gegenstand sei auch der Warenautomat des Beklagten, da durch diesen die Sichtbarkeit der Warnhinweise für den Kunden verhindert werde. Zudem würden dem Kunden diese wesentlichen Informationen nicht rechtzeitig vor seiner geschäftlichen Entscheidung zuteil. Der Verbraucher treffe seine Kaufentscheidung in dem Moment, in dem er auf den Knopf des Warenautomaten drücke. Hätten ihm die Warnhinweise vor Auslösen des Automaten zur Verfügung gestanden, hätte er in vielen Fällen eine andere Entscheidung getroffen. Läge die Ware erst einmal mit anderen Waren auf dem Kassenband, würde der Kunde die Warnhinweise in der Stresssituation vor dem Bezahlvorgang nicht mehr wahrnehmen.

Die Entscheidung des Gerichts

Das LG München weist die Klage der qualifizierten Einrichtung ab.

Das in der TabakerzV enhaltene Gebot, die Warnhinweise nicht zu verdecken, könne sich nur auf die Verpackungsgestaltung beziehen. Außerhalb des Produkts liegende Faktoren wie die Präsentation der Verkaufsmodalitäten müssten unberücksichtigt bleiben. Diese ergäbe sich bereits aus der gesetzeskonformen Auslegung des § 11 Abs. 1 TabakerzV, dessen Wortlaut ist: „Für die Gestaltung und Anbringung der gesundheitsbezogenen Warnhinweise nach den §§ 12 bis 17 auf Packungen und Außenverpackungen von Tabakerzeugnissen gelten folgende allgemeine Anforderungen”. Durch die Beschränkung auf die Verpackung im Obersatz sei bereits klargestellt, dass ein Gebot hinsichtlich der Art und Weise der Warenpräsentation durch die weiteren Regelungen ausgeschlossen sei.

Zudem sei die Ermächtigungsgrundlage der Verordnung, nämlich § 6 Abs. 1 und 2 TabakerzG zu berücksichtigen. Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 TabakerzG -”Tabakerzeugnisse dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn die Packungen und Außenverpackungen mit den gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehen sind, die eine Rechtsverordnung nach Abs. 2 Nr. 1 für das jeweilige Erzeugnis vorschreibt.”- beschränke sich ebenfalls auf die Gestaltung von gesundheitsbezogenen Warnhinweisen auf den Packungen und Außenpackungen. Die Regelung von Verkaufsmodalitäten dieser Waren sei nicht Gegenstand der Ermächtigungsnorm des § 6 Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG- Gleichfalls sei die Richtlinie 2040/14/EU, welche von dem TabakerzG und der TabakerzV umgesetzt werden solle, in ihrem Regelungsgehalt ausschließlich auf die Produktgestaltung beschränkt. Soweit der Gesetzgeber durch die Neureglung des § 11 Nr. 4 TabakezG (Anmerkung: Diese bestand in der Aufnahme des Satzteils „ einschließlich des Anbietens zum Verkauf”) ein Verbot bestimmter Verkaufsmodalitäten vorsehen wollte, wäre dieses nicht durch die Ermächtigungsnorm des § 6 Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG gedeckt. Denn danach könne die Verordnung nur erlassen werden, „zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union Inhalt, Art und Weise, Umfang und das Verfahren der Kennzeichnung mit gesundheitsbezogenen Warnhinweisen zu regeln.” Da aber die Regelung einer Verkaufsmodalität gerade nicht Regelungsinhalt der Richtlinie ist, würdeeine entsprechende Erweiterung die Nichtigkeit der Verordnung nach sich ziehen, da die Grenzen der Ermächtigung nicht eingehalten worden wären. Eine nichtige Verordnung müsse vom Gericht nicht angewandt werden und könne auch nicht Grundlage des von der Klägerin begehrten Unterlassens sein.

Ebenso wenig liege eine Irreführung seitens des Supermarktbetreibers durch Unterlassen, Verschweigen oder nicht rechtzeitiges Bereitstellen von wesentlichen Informationen vor. Zwar handele es sich bei den Warnhinweisen zweifelsfrei um wesentliche Informationen i Sd§ 5a UWG, da die Aufklärung über die gesundheitlichen Risiken des Rauchens angesprochene Verbraucher von einem Erwerb des Produkts abzuhalten. Jedoch würden diese dem Verbraucher nicht vorenthalten, da er diese jedenfalls dann zur Kenntnis nehme, wenn er nach Drücken des Knopfes am Automaten die gewählte Zigarettenpackung erhalte. Diese Informationen erfolgten auch rechtzeitig. Die finale Kaufentscheidung treffe der Kunde erst, wenn er gegenüber dem Kassenpersonal seine Erwerbsabsicht zu erkennen gebe. Vor dem Abschluss des Kaufvertrages habe der Kunde noch genügend Zeit, die Packung wie auch die darauf enthaltenen Warnhinweise zu inspizieren und dies in seine Kaufentscheidung einfließen zu lassen.


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