OLG Celle, Beschl. 24.1.2023 - 17 WF 8/23

Morgengabe (Afghanistan): Anpassung des Leistungsversprechens

Autor: Priv.-Doz. RA Dr. Peter Finger, FAFamR, zertifiz. Mediator, Frankfurt/M.
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 04/2023
1. Die wirtschaftliche Überforderung des Ehemannes durch eine versprochene Morgengabe gebietet nicht deren Korrektur nach dem deutschen ordre public.2. Die Begründung deutschen Unterhalts- und Scheidungsstatuts während der Ehe kann eine Anpassung des Morgengabeversprechens nach § 313 BGB gebieten, soweit sich die Durchsetzung des Versprechens nach deutschem Recht richtet.3. Die zur islamischen Scheidung abgegebene Erklärung, auf die Morgengabe zu verzichten, lässt den Anspruch darauf erlöschen.

BGB § 313; EGBGB Art. 6, Art. 14

Das Problem

M. und F. stammen auf Afghanistan. Dort haben sie am 14.1.2007 vor einem Geistlichen geheiratet. Ihre Ehe ist am 3.9.2019 staatlich registriert worden. Im Heiratsdokument v. 14.1.2007 sind als „Mitgift“ für F. 300 Goldmünzen Bahar-e Azadi genannt, Gegenwert rd. 130.000 €. Seit 2016 halten sich die Eheleute dauerhaft in Deutschland auf. Inzwischen betreibt F. ihr Scheidungsverfahren beim AG C. Am 15.9.2020 haben beide in einer Moschee in Hamburg bei ihrer „islam. Ehescheidung“ in Anwesenheit einer Zeugin und „des Mullahs“ für sich schriftlich festgelegt:

„Da bezüglich der Ehe zwischen Herrn A. B. und Frau M. E. keine Einigung erreicht werden konnte, haben die beiden mir (A. H., dem Mullah) Vollmacht erteilt, beim Verzicht auf die Mitgift, die religiöse Rede zur Legitimation der Scheidung auszusprechen. Ich habe diese Rede im Beisein von Zeugen ausgesprochen. Ich wünsche ihnen alles Gute.“

F. verlangt nun die zugesagte Leistung. Das AG spricht ihr 17 Goldmünzen (bzw. den Gegenwert von 6.858,24 €) zu und weist weitergehende Ansprüche ab. Gegen diese Entscheidung wehrt sie sich mit der Beschwerde, für die sie VKH beantragt, aber erfolglos bleibt.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Anspruch von F. gegen M. auf Herausgabe der als „Mitgift“ – Morgengabe – zugesagten Goldmünzen bzw. (nur hilfsweise) auf Zahlung richtet sich, so das OLG, nach dt., nicht nach afghanischem Recht. Für uns sei die Morgengabe dabei nicht nach güterrechtlichen Regeln zu behandeln, Art. 15 EGBGB, auch nicht als Unterhaltsversprechen, dazu (früher) Art. 18 EGBGB und nun EuUntVO und HUP (Haager Unterhaltsprotokoll). Vielmehr diene sie der allg. Versorgung der Ehefrau nach der Ehe und ihrem Vermögensaufbau und, so wäre vielleicht zu ergänzen, sei ein Zeichen persönlicher Wertschätzung. Nach Heimatrecht habe sie keine oder nur unzureichende Ansprüche gegen ihren Mann aus der Ehe, Gütertrennung, Unterhalt beschränkt auf kurze Übergangszeiten als Beispiele, keinen Rentenausgleich, Ausfälle, die die Morgengabe ausgleiche. Letztlich sei für sie und die Rechtsanwendung bei uns Art. 14 EGBGB, Einordnung als persönliche/allg. Ehewirkung, maßgeblich. Diese Bestimmung sei in der Zwischenzeit geändert und verweise nach der Rechtswahl der Beteiligten, erste Priorität, mit zweiter Wertigkeit auf gewöhnliches Aufenthaltsrecht, also auf dt. Recht. Da M. und F. vor dem 29.1.2019 geheiratet hätten, bleibe die EuGüVO für sie ohne Bedeutung, vgl. dort Art. 69 Abs. 3, Art. 229 § 47 Abs. 2 und 3 EGBGB (zu Art. 14 EGBGB und die Einordnung der Morgengabe grundlegend BGH v. 9.12.2009 – XII ZR 107/08, FamRZ 2010, 533 m. Anm. Henrich = FamRBint 2010, 25 [Mörsdorf-Schulte]), eben Art. 14 EGBGB. Dann sei Art. 15 EGBGB a.F. weiterhin Grundlage, damit auch Art. 14 EGBGB a.F. (vgl. Andrae in Kaiser/Schnitzler/Friederici/Schilling, AnwKomm, Art. 14 EGBGB Rz. 2 und 3).

Damit unterliege die ursprüngliche Vereinbarung v. 14.1.2017 afghanischem Recht, im Wesentlichen also wohl für die Vorfragen nach ihrem Abschluss und der (inhaltlichen) Wirksamkeit, die wir ohnehin über Art. 11 EGBGB (Form) oder Art. 7 EGBGB (Geschäftsfähigkeit) und letztlich Art. 13 EGBGB beurteilen müssten, persönliche Voraussetzungen für die Eheschließung. Für spätere Folgen sei dagegen dt. Recht Grundlage (wiederum BGH v. 9.12.2009 – XII ZR 107/08, FamRZ 2010, 533 m. Anm. Henrich = FamRBint 2010, 25 [Mörsdorf-Schulte]), Art. 14 EGBGB n.F., nämlich als gewöhnliches Aufenthaltsrecht der Eheleute, vgl. dazu Art. 229 § 47 Abs. 1 EGBGB.

„Eine Korrektur“ dieser Zusage über Art. 6 EGBGB wegen der Höhe der vereinbarten Leistungen sei nicht geboten, Überlegungen, die dt. Gerichte sonst im Rahmen von § 138 Abs. 1 BGB anstellen. M. arbeite als Busfahrer. 130.000 € (oder 300 Goldmünzen) könne er daher kaum aufbringen. Doch seien Verträge, so das OLG Celle, auch sonst nicht (etwa) „unwirksam/nichtig“, weil sie zu einer finanziellen Überforderung einer Vertragspartei führen könnten. Übersehen wird so allerdings die verfassungsrechtliche Dimension, die sich aus Art. 6 GG ergibt, negative Eheschließungsfreiheit. Denn diese Bestimmung, Abs. 1, „garantiert“ die freie Entscheidung, sich aus einer fehlgeschlagenen Ehe wieder lösen zu können.

Allerdings könnten spätere Entwicklungen nach § 313 BGB die Anpassung der Leistungszulage verlangen, wobei eine solche Veränderung schon im „Wechsel des allg. Ehewirkungsstatuts“ liegen könne, also bei Art. 14 EGBGB von der alten zur neuen Fassung. Für die Scheidung sei ohnehin dt. Recht Grundlage geworden, Art. 8 lit. a VO Nr. 1259/2010. Im Übrigen könne F. Unterhalt nach dt. Recht verlangen, Art. 3 HUP, wohl auch dt. Versorgungsausgleich, vgl. Art. 17 Abs. 4 EGBGB. Für güterrechtliche Forderungen sei allerdings weiterhin afghanisches Recht maßgeblich, Gütertrennung, denn insoweit ist die gemeinsame Staatsangehörigkeit bei der Eheschließung entscheidend, dazu Art. 15 EGBGB und Art. 14 EGBGB, jew: a.F., Art. 229 § 47 Abs. 2 und 3 EGBGB, Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts. Dann sei aber zumindest ein Teil des „Zwecks“, den die Morgengabe erreichen solle, tatsächlich erreicht, so dass § 313 BGB (grundsätzlich) maßgeblich werden könnte.

Doch habe F. auf ihre Ansprüche in ihrer Erklärung bei der islam. Scheidung in Hamburg verzichtet. Sie habe diese nur mit weiteren Zugeständnissen erreichen können (zur khol-Scheidung im Iran OLG Braunschweig v. 10.10.2022 – 5 VA 1/22, FamRZ 2023, 349 m. Anm. Yassari = FamRB 2022, 472 [Finger]), so dass Scheidung und Verzicht in ihrer Verbindung zu bewerten seien. Keine Rolle spiele jedenfalls, dass die religiöse Zeremonie für sich und bei uns rechtsunwirksam bleibe, wobei § 139 BGB nicht erwähnt wird. Immerhin wird ihre Erklärung, so wäre zu ergänzen, in Afghanistan die üblichen Rechtsfolgen auslösen, denn dort ist sie rechtswirksam, hinkende Rechtsverhältnisse.

Auf BGH v. 18.3.2020 – XII ZB 380/19, FamRZ 2020, 1073 m. Anm. Dutta = NJW 2020, 2024 m. Anm. Obermann = FamRB 2020, 303 [Ludwig] (ausf. und kritische Bespr. von Budzikiewicz, IPrax 2022, 40 und Menhofer, ZRI 2020, 15) geht das OLG Celle – aus seiner Sicht allerdings folgerichtig – nicht weiter ein. Danach ist notarielle Beurkundung notwendig, soweit die Morgengabe noch nicht erfüllt ist und dt. Recht unterliegt, Art. 14 Abs. 1 EGBGB, inhaltliche Nähe zu unbenannten Zuwendungen unter den Gatten. Doch ist der Schluss, § 518 Abs. 1 BGB sei für die Form der Zusage entscheidend, letztlich überraschend (dazu Budzikiewicz, IPrax 2022, 40, 47; knapper Menhofer, ZRI 2020, 15, 20 f., der im Wesentlichen auf die Zwecke der Morgengabe abstellt). Gerade solche Leistungen unter Eheleuten sind bei uns nämlich formfrei. Nur wenn besondere Voraussetzungen notarielle Beurkundung erfordern, etwa güterrechtliche Zusammenhänge, kann dies nach den Vorstellungen des BGH anders sein. Damit sind Leistungsversprechen als „Morgengabe“ bei Anwendbarkeit dt. Rechts durchweg formunwirksam. Zwangsläufig wäre dann wohl auch, den Verzicht von F. auf die Leistung ebenfalls der notariellen Beurkundung zu unterwerfen, doch kommt es darauf schon nicht mehr an, wenn das Leistungsversprechen selbst nicht in der notwendigen Form abgegeben ist.


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