OLG Frankfurt, Urt. 18.4.2023 - 2 U 43/22

FKK-Vermieter: Keine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache

Autor: RA Dr. Marco Schneider, Langguth & Burbulla Rechtsanwälte PartG mbB, Düsseldorf
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 07/2023
Sonnt sich der Vermieter unbekleidet auf dem Grundstück, so wird hierdurch die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache nicht beeinträchtigt, wenn keine gezielte Einwirkung beabsichtigt ist.

BGB §§ 536 Abs. 1, 906

Das Problem

Zwischen dem Vermieter und dem Mieter, der eine Personalberatungsfirma betreibt, besteht ein gewerblicher Mietvertrag über Büroflächen. Das Gebäude, in dem sich die Mietflächen befinden, dient auch der privaten Nutzung des Vermieters. Der Mieter rügt nach knapp einem Jahr Mietzeit verschiedene Mietmängel und behält Teile der Miete ein. Einer der Mängel ergibt sich aus Sicht des Mieters daraus, dass sich der Vermieter im Hof nackt für Sonnenbäder aufhält. Nachdem sich der Mieter mit drei Monatsmieten in Verzug befand, kündigte der Vermieter das Mietverhältnis fristlos und der Mieter zog aus. Der Vermieter macht mit der Klage die Zahlung rückständiger Mieten geltend.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht gibt der Klage statt, da ein ungeminderter Zahlungsanspruch des Vermieters aus § 535 Abs. 2 BGB bestehe. Die Miete sei aufgrund der unstreitigen unverhüllten Sonnenbäder des Vermieters nicht gemindert.

Der Senat führt zur Begründung aus, dass ästhetische oder sittlich als anstößig empfundene Einwirkungen auf ein Grundstück grundsätzlich keine ideellen Einwirkungen darstellten, die einen Abwehranspruch nach § 906 BGB auslösen und daher auch nicht als Beeinträchtigung des Gebrauchs der Mietsache i.S.d. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB klassifiziert werden können. Etwas anderes könne jedoch gelten, wenn der Tatbestand des § 906 BGB erfüllt wäre, was eine „ähnliche Einwirkung“ im tatbestandlichen Sinne voraussetzte. Aus § 906 BGB ergebe sich dabei, dass unter „ähnliche Einwirkungen“ i.S.d. § 906 BGB zunächst nur sinnlich wahrnehmbare, wenn auch unwägbare Einwirkungen zu verstehen seien, die sich auf dem Grundstück aufhaltende Personen derart belästigen, dass ihr gesundheitliches Wohlbefinden gestört oder ein körperliches Unbehagen bei ihnen hervorgerufen wird. Unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung des BGH zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelten Grundsätze, wonach sich dieses auf den unantastbaren persönlichen Bereich des Einzelnen, der sich in die Gemeinschaft einzufügen und auf die Rechte und Interessen anderer Rücksicht zu nehmen hat, beschränkt (Hinweis auf BGH v. 18.3.1959 – IV ZR 182/58, BGHZ 30, 7, 11 = MDR 1959, 559), verletze ein nur das ästhetische Empfinden eines anderen verletzender Anblick dessen Persönlichkeitsrecht i.d.R. nicht. Dies gälte jedenfalls dann, wenn sich die Darbietung nicht gezielt gegen den anderen richte (Hinweis auf BGH v. 15.5.1970 – V ZR 20/68, BGHZ 54, 56 ff. = MDR 1970, 749). Für die ideelle Einwirkung durch einen unbekleideten Nachbarn gelte, dass selbst Störungen des sittlichen oder ästhetischen Empfindens keine Einwirkung i.S.d. § 906 BGB sind, deshalb keinen Unterlassungsanspruch begründen und mithin i.d.R. auch keine Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache gem. § 535 Abs. 1 BGB darstellen. Allenfalls das gezielte sittenwidrige Handeln könne einen Unterlassungsanspruch zur Folge haben (Hinweis auf LG Limburg v. 19.2.1986 – 3 S EuGH v. 8.7.1987 – 262/85, NJW-RR 1987, 81). Eine derart gezielte Einwirkung konnte das Gericht aber auch nach umfangreicher Beweisaufnahme nicht feststellen. Insbesondere stellte sich heraus, dass man sich weit aus dem Fenster herausbeugen musste, um den nackt badenden Vermieter in das Blickfeld zu bekommen. Die Behauptung des Mieters, der Vermieter habe sich auf dem Weg zum Badeort auch nackt durch das Gebäude bewegt, konnte ebenfalls nicht bewiesen werden. Der Vermieter hatte insofern glaubhaft bekundet, auf dem Weg zum Sonnenbad einen Bademantel getragen zu haben.


Wussten Sie schon?

Werden Sie jetzt Teilnehmer beim Anwalt-Suchservice und Sie greifen jederzeit online auf die Zeitschrift „Miet-Rechtsberater“ des renommierten juristischen Fachverlags Dr. Otto Schmidt, Köln, zu.

Die Zeitschrift ist speziell auf Praktiker zugeschnitten. Sie lesen aktuelle Urteilsbesprechungen inklusive speziellem Beraterhinweis sowie Fachaufsätze und Kurzbeiträge zum Thema Miet- / WEG-Recht und zwar 24/7, also wo und wann immer Sie wollen.

Infos zur Teilnahme