OLG Hamburg, Urt. 17.1.2017 - 7 U 32/15

Geldentschädigung bei der Weiterverbreitung eines falschen Gerüchts

Autor: Rechtsanwalt Lennart-Christian Levenson,Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht,IRLE MOSER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 09/2017
Die pressemäßige Weiterverbreitung eines falschen Gerüchts begründet auch dann einen Geldentschädigungsanspruch, wenn darauf hingewiesen wird, dass es sich um ein Gerücht handelt. Der Anspruch besteht auch dann, wenn der Betroffene aufgrund einer Unfallverletzung nicht in der Lage ist, die Berichterstattung zur Kenntnis zu nehmen.

OLG Hamburg, Urt. v. 17.1.2017 - 7 U 32/15

Vorinstanz: LG Hamburg, Urt. v. 13.3.2015 - 324 O 640/14

BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1

Das Problem

Der Verlag berichtete am 23.8.2014 über ein in der Öffentlichkeit bekanntes Ehepaar in der bundesweit erscheinenden Zeitschrift „F”. Der Ehemann ist mehrfacher Formel-1 Weltmeister. Bei einem Ski-Unfall Ende 2013 verletzte er sich so schwer am Kopf, dass er im Koma lag und bis August 2014 stationär behandelt wurde. Die streitgegenständliche Berichterstattung erfolgte im Innenteil unter entsprechender Ankündigung mit einem nahezu ganzseitigen Bild des betroffenen Paars auf der Titelseite. Dort hieß es in der Schlagzeile:

„Wie gemein! … 'Sie standen vor der Trennung!' Wer setzt solche Gerüchte in die Welt? Es geht um die Zeit vor dem Unfall …”.

Im Innenteil wurden sodann Gerüchte über Trennungsabsichten vor dem Unfall wiedergegeben, die auf dem Facebook-Profil eines Nutzers im Rahmen mehrerer Facebook-Postings veröffentlicht wurden. Im Innenteil war ein Screenshot des Facebook-Profils abgebildet. Das Titelblatt der Zeitschrift wurde durch den Verlag auch in der Bundesausgabe der „H”-Zeitung vom 25.8.2014 verbreitet. Die Zeitschrift „F” hat eine Auflage von ca. 200.000 verkauften Exemplaren, die H-Zeitung erreicht etwa 17,9 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren. Nachdem das LG den Verlag zu einer Geldentschädigung von jeweils € 30.000,- verurteilt hatte, legten der Verlag als auch die Betroffenen Berufung ein.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG weist die Berufung als auch die Anschlussberufung zurück.

Den Betroffenen stünden jeweils Ansprüche auf Geldentschädigung in Höhe von € 30.000,- und nicht auf die mit der Anschlussberufung begehrten € 50.000,- zu. Das LG habe zutreffend erkannt, dass durch die Verbreitung des unwahren Gerüchts das Persönlichkeitsrecht in schwerwiegender Weise verletzt sei. Die Verbreitung eines solchen Gerüchts stelle einen schwerwiegenden rechtswidrigen Eingriff in die Privatsphäre dar. Auch, wenn ein Gerücht in einem Facebook-Profil eines Dritten veröffentlicht ist, habe der von den Betroffenen beanspruchte Persönlichkeitsschutz gegenüber dem Interesse des Verlags, über das unwahre Gerücht zu berichten, Vorrang. Die Veröffentlichung unwahrer Aussagen über ihr Eheleben und ihre Privatsphäre bräuchten die Betroffenen generell nicht hinzunehmen; dies gelte erst recht für Angaben über ihre höchstpersönliche Lebensgestaltung, zu der zweifelsohne die Frage von Trennungsabsichten zähle. Ob die Betroffenen vor dem Unfall Trennungsabsichten gehabt hätten, sei für die Öffentlichkeit jedenfalls nicht in der Weise wesentlich, dass der Existenz solcher Gerüchte ein so hoher Informationswert zukommen würde, dass sie unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt verbreitet werden dürften. Der Umstand, dass die Betroffenen sich in der Vergangenheit öffentlich zu ihrer Ehe äußerten, ändere hieran nichts. Zudem habe sich der Verlag von dem Gerücht nicht hinreichend distanziert. Zwar werde die Verbreitung des Gerüchts auf der Titelseite als „gemein” und im Innenteil als „fies” und „widerlich” bezeichnet. Diese Stellungnahmen seien jedoch im Ergebnis eher nichtssagend, weil sie die Meldung nicht bestätigen würden, aber auch nicht dementierten. Dass die Berichterstattung über das Gerücht auf die Titelseite gehoben wurde und ihr damit besonderen Stellenwert verleiht, würde dem Leser genügend Raum für die Annahme lassen, dass die Betroffenen tatsächlich vor einer Trennung gestanden hätten. Im Innenteil ließe der Verlag die Frage nach der Wahrheit des Gerüchts ausdrücklich offen.

Die Persönlichkeitsrechtsverletzung sei derart schwerwiegend, dass sie die Zuerkennung einer erheblichen Geldentschädigung rechtfertige. Eine Recherche, auf welchen Erkenntnissen die im Facebook-Profil veröffentlichten Äußerungen beruhen, habe der Verlag nicht dargelegt. Vielmehr sei davon auszugehen, dass das Gerücht ungeprüft übernommen wurde. Letztendlich entfalle der Anspruch auf Geldentschädigung auch nicht wegen des gesundheitlichen Zustands des betroffenen Ehemanns. Es sei zwar davon auszugehen, dass dieser aufgrund seiner Unfallverletzung nicht in der Lage ist, die streitgegenständliche Berichterstattung zur Kenntnis zu nehmen. Das Alter und die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen würden jedoch für die Berechtigung, immaterielle Schadensersatzansprüche wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen geltend zu machen, keine rechtlich relevante Rolle spielen. Beim Ersatz immaterieller Schäden sei weniger auf die subjektive Befriedigung des Verletzten, sondern vielmehr darauf abzustellen, dass sich der gesetzlich umfassend angelegte Rechtsgüterschutz auch im immateriellen Bereich objektiv zu bewähren habe. Es würde nicht maßgeblich darum gehen, dass der Verletzte persönlich gegenüber dem Verletzer Genugtuung empfindet. Die Genugtuungsfunktion dürfe nämlich nicht in den schlimmsten Schadensfällen versagen.

Die erstinstanzlich zugesprochene Geldentschädigung in Höhe von jeweils € 30.000,- sei erforderlich, aber auch ausreichend. Das Gerücht sei nicht nur auf der Titelseite und im Innenteil der Zeitschrift vom 23.8.2014 verbreitet worden, sondern darüber hinaus auch noch in der großflächigen Anzeige in der H-Zeitung.


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