Störerhaftung für anonymes Filesharing

Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Kaldenbach & Taeter, Brühl
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 01/2013
Ein Internetanschlussinhaber, der bewusst eine Software (hier: RetroShare) zum Datenaustausch über das Internet einsetzt, die es anderen Nutzern des Austauschsystems ermöglicht, rechtswidrig Dateien über seinen Anschluss öffentlich zugänglich zu machen, ohne dass er dies in irgendeiner Weise kontrollieren kann, haftet als Störer.

LG Hamburg, Beschl. v. 24.9.2012 - 308 O 319/12

UrhG §§ 85 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 Satz 1

Das Problem:

Ein Tonträgerhersteller hat ermitteln lassen, dass ein zu seinem Repertoire gehörendes Musikstück am 27.8.2012 zwischen 16.30 und 17.20 Uhr über eine bestimmte IP-Adresse, die dem Inhaber eines Internetanschlusses zugeteilt war, für Teilnehmer des RetroShare-Netzwerks zum Abruf bereitgestellt wurde.

Die Entscheidung des Gerichts:

Der im Rahmen einer einstweiligen Verfügung geltend gemachte Unterlassungsanspruch des Tonträgerherstellers gegen den Anschlussinhaber ergebe sich aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG.

Keine Täterschaft oder Teilnahme: Der Anschlussinhaber, dem die festgestellte IP-Adresse im in Rede stehenden Zeitraum zugeordnet worden sei, habe die hierdurch ausgelöste tatsächliche Vermutung, dass er für die eingetretene Verletzung als Täter verantwortlich sei (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens – Rz. 12, CR 2010, 458 = ITRB 2010, 151), wirksam erschüttert. Er habe ausgeführt, die streitgegenständliche Tonaufnahme nicht zum Download angeboten zu haben; sie habe sich niemals auf seinem Rechner befunden. Unstreitig ermögliche das Programm RetroShare einen Dateienaustausch nicht nur zwischen zwei direkt miteinander verbundenen Nutzern, sondern auch in anonymisierter Weise mit weiteren Teilnehmern, die ihrerseits mit nur einem der direkt miteinander verbundenen Nutzer verbunden seien. Ob auf diese Weise die festgestellte Urheberrechtsverletzung stattgefunden habe, könnten technisch bedingt im Sinne der von RetroShare intendierten Anonymität weder der Anschlussinhaber noch außenstehende Überwachungsdienstleister feststellen (vgl. zur sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers OLG Köln, Beschl. v. 24.3.2011 – 6 W 42/11 – Rz. 9, CR 2011, 313 = ITRB 2011, 178). Daher scheide mangels Kenntnis von der Haupttat auch eine Teilnahmehaftung aus (vgl. BGH, Urt. v. 22.7.2010 – I ZR 139/08 – Kinderhochstühle im Internet – Rz. 30, CR 2011, 259 = ITRB 2011, 26).

Störerhaftung: Indem es der Anschlussinhaber anderen Teilnehmern des RetroShare-Netzwerks ermögliche, seinen Anschluss zur Weiterleitung des streitgegenständlichen Titels zu benutzen, habe er für die angegriffene Verletzung einen adäquat-kausalen Tatbeitrag geleistet. Die für die Störerhaftung erforderliche Prüfungspflichtverletzung ergebe sich entsprechend aus den höchstrichterlichen Grundsätzen zur Haftung für WLAN-Router, wonach der Betreiber eines WLAN-Netzes für Urheberrechtsverletzungen, die von Dritten unter unerlaubter Nutzung dieses Netzes begangen würden, als Störer hafte, wenn er insoweit keine hinreichenden Schutzvorkehrungen getroffen habe (BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens – Rz. 32, CR 2010, 458 = ITRB 2010, 151). Gemessen daran sei dem Anschlussinhaber eine Prüfpflichtverletzung vorzuwerfen, denn er habe bewusst eine Software eingesetzt, die es anderen Teilnehmern des RetroShare-Netzwerkes ermögliche, rechtswidrig Dateien über seinen Anschluss öffentlich zugänglich zu machen, ohne dass er dies in irgendeiner Weise habe kontrollieren können.


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