Wegfall der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 2a ErbStG a. F.

22.01.2008, Autor: Herr Heinrich Hübner / Lesedauer ca. 6 Min. (3552 mal gelesen)
Wegfall der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 2a ErbStG a. F. bei Veräußerung von Betriebsvermögen oder Betriebsaufgabe unabhängig von deren Grund
ErbStG a. F. § 13 Abs. 2a Satz 3
Der Wegfall der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 2a Satz 3 ErbStG a. F. tritt unabhängig davon ein, aus welchen Gründen das begünstigt erworbene Betriebsvermögen veräußert oder der Betrieb aufgegeben wurde; eine teleologische Reduktion des Nachversteuerungstatbestands kommt insoweit nicht in Betracht.
BFH, Urteil vom 16. 2. 2005 - II R 39/03

Sachverhalt:

Der Kläger und Revisionskläger (Kl.) ist zu 1/2 Miterbe nach der 1994 verstorbenen E. Zum Nachlass gehörte u. a. ein Anteil an einer KG. 1998 stellte diese ihre Produktion ein, entließ sämtliche Arbeitnehmer und veräußerte ihr Vermögen einschließlich des Betriebsgrundstücks an verschiedene Erwerber. Ertragsteuerrechtlich wurde dieser Vorgang als Betriebsaufgabe behandelt. Der Kl. war zu diesem Zeitpunkt mit 30,2 % an der KG beteiligt; nach § 4 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags war für eine Auflösung der Gesellschaft eine Mehrheit von 3/4 aller Stimmen erforderlich.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) versagte den Abzug des Freibetrags unter Berufung auf die Betriebsaufgabe. Im Einspruchs- und Klageverfahren behauptete der Kl., für die Beschlussfassung über den Verkauf des Betriebsgrundstücks und des Anlagevermögens habe eine einfache Mehrheit in der Gesellschafterversammlung ausgereicht; er sei als Minderheitsgesellschafter nicht in der Lage gewesen, über diese Fragen zu entscheiden. Er habe aus dem Verkauf des Gesellschaftsvermögens nicht nur keine liquiden Mittel erlangt, sondern im Gegenteil der Gesellschaft anschließend noch erhebliche Mittel zugeführt, damit Verpflichtungen gegenüber den Banken erfüllt werden konnten. Die KG sei handelsrechtlich auch nach der Betriebsaufgabe nicht aufgelöst worden.
Das FG Münster wies die Klage ab (v. 26. 6. 2003, 3 K 1032/01 Erb, EFG 2003, 1486).


Gründe:

Die Revision ist unbegründet (…).

Voraussetzungen des Nachversteuerungstatbestands des § 13 Abs. 2a Satz 3 ErbStG a. F. …

Das FG hat zu Recht erkannt, dass die Voraussetzungen des Nachversteuerungstatbestands des § 13 Abs. 2a Satz 3 ErbStG a. F. im Streitfall erfüllt sind (dazu u. 1.) und eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift nicht in Betracht kommt (dazu u. 2.).
1. Nach § 13 Abs. 2a Satz 3 ErbStG a. F. fällt die Steuerbefreiung für Betriebsvermögen mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb ein Gewerbebetrieb, ein Teilbetrieb oder ein Anteil an einer Gesellschaft i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des EStG veräußert wird; als Veräußerung gilt auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs.

… auch bei Aufgabe eines Mitunternehmeranteils erfüllt

a) Dieser Nachversteuerungstatbestand erfasst auch die Aufgabe eines Mitunternehmeranteils. Zur näheren Begründung verweist der Senat auf seinen - zur Nachfolgevorschrift des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ergangenen - Beschluss vom 7. 7. 2004 (II B 32/04, BFHE 206, 370, BStBl II 2004, 747, ZEV 2004, 431).

Abweichung von ertragsteuerrechtlicher Beurteilung

Ertragsteuerrechtlich ist eine Fallgestaltung wie die vorliegende zwar als Aufgabe des (ganzen) Gewerbebetriebs einer Mitunternehmerschaft zu beurteilen. Gegenstand eines der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerbsvorgangs kann jedoch nie ein (ganzer) Gewerbebetrieb einer Mitunternehmerschaft, sondern immer nur ein Anteil an einer Mitunternehmerschaft sein. Die Nachversteuerungstatbestände sind auf weitgehende Korrespondenz mit den Erwerbstatbeständen angelegt, wie vor allem aus der Fassung der Nachfolgeregelung des § 13a Abs. 5 ErbStG deutlich wird. Dies rechtfertigt es, bereits bei der Auslegung des § 13 Abs. 2a Satz 3 ErbStG a. F. die Tatbestandsalternative „Aufgabe eines Anteils an einer Gesellschaft i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG“ abweichend von der ertragsteuerrechtlichen Behandlung auch auf Fälle zu erstrecken, in denen eine Aufgabe des (ganzen) Gewerbebetriebs gegeben ist.

Maßgeblichkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung

b) Auf das Vorbringen des Kl., er habe die Veräußerung des Betriebsvermögens gesellschaftsrechtlich nicht verhindern können, kommt es nicht an. Als Gesamthänder muss er sich das Handeln der Gesellschafterversammlung auch dann zurechnen lassen, wenn dieses auf der Ausübung eines Verwaltungs- und Verfügungsrechts beruht, das bereits einer Mehrheit von Gesellschaftern zusteht (vgl. - zur Zurechnung von Handlungen eines Konkursverwalters in Ausübung von dessen Verwaltungs- und Verfügungsrecht BFHE 206, 370, BStBl II 2004, 747, ZEV 2004, 431). Der Sachverhalt ist insoweit nicht mit den im Schreiben der obersten Finanzbehörden der Länder vom 29. 11. 1994 (BStBl I 1994, 905 Tz. 5.6, jetzt R 67 Abs. 2 ErbStR 2003) genannten Fällen vergleichbar. Ohnehin hat der Kl. keine Angaben über sein eigenes Abstimmungsverhalten gemacht; er hat insbesondere niemals behauptet, gegen die Veräußerung gestimmt zu haben.
Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob die Rechtsauffassung des Kl. zutrifft, auch die Veräußerung des gesamten Vermögens einer Personengesellschaft könne von den Gesellschaftern bereits mit einfacher Mehrheit beschlossen werden, oder ob sich in derartigen Fällen aus § 116 Abs. 2 HGB ein Einstimmigkeitserfordernis ergibt (vgl. zur Betriebsstilllegung und zur Veräußerung von Unternehmensteilen als unter § 116 Abs. 2 HGB fallende außergewöhnliche Geschäfte, Ulmer, in: Staub, HGB, 4. Aufl. 1999, § 116 Rn. 12 m. w. N.).

Keine Gewährung des Betriebsvermögensfreibetrags trotz Betriebsaufgabe …

2. Gründe, den Betriebsvermögensfreibetrag trotz Aufgabe des Gewerbebetriebs zu gewähren, liegen nicht vor.

… wegen verminderter Leistungsfähigkeit des Erwerbers von Betriebsvermögen

a) Eine verminderte Leistungsfähigkeit des Kl. als Erwerber von Betriebsvermögen rechtfertigt nicht die Weitergewährung des Freibetrags nach § 13 Abs. 2a ErbStG. Zwar hat das BVerfG aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitet, dass die verminderte Leistungsfähigkeit des Erwerbers von Betriebsvermögen, die sich u. a. aus der Sozialgebundenheit und mangelnden Fungibilität des Vermögens ergeben kann, bei der Erbschaftbesteuerung zu berücksichtigen ist (BVerfG v. 22. 6. 1995, 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, DStR 1995, 1348; vgl. auch BFH v. 22. 5. 2002, II R 61/99, BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598, ZEV 2002, 372 m. Anm. Heidemann/Ostertun). Dieser Vorgabe entspricht aber bereits die für den Streitfall maßgebliche Bewertung des Betriebsvermögens durch Ansatz der Steuerbilanzwerte (§ 12 Abs. 5 i. V. m. § 109 BewG). Die Bewertungsmethode stellt (ungeachtet ihrer sonstigen verfassungsrechtlichen Mängel) regelmäßig sicher, dass die erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Werte für das Betriebsvermögen deutlich unterhalb des gemeinen Werts bleiben (vgl. BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598, 600, ZEV 2002, 372: „45 v. H. des wirklichen Substanzwerts“) und die von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden, mit dem Betriebsvermögen verbundenen Risiken bereits wertmäßig erfasst sind. Denn derartige Belastungen und Risiken schlagen sich im Verkehrswert nieder. Wird dieser aber wegen der geltenden Bewertungsmethode regelmäßig nicht erreicht, besteht aus Verfassungsgründen kein Zwang, wegen derselben Belastungen trotz Aufgabe des Gewerbebetriebs zusätzlich einen Freibetrag zu gewähren.

Verfehlung des Förderungsziels bei Betriebsveräußerung oder -aufgabe …

b) Der Gesetzgeber hat die Gewährung des Freibetrags nach § 13 Abs. 2a ErbStG a. F. und die darin liegende Begünstigung des Betriebsvermögens gegenüber anderen Vermögensarten auch mit der Erleichterung der Betriebsfortführung u. a. zur Erhaltung von Arbeitsplätzen begründet (Begr. zum Entwurf des StandOG v. 4. 1. 1993, BR-Drs. 1/93, S. 49, und v. 20. 1. 1993, BT-Drs. 12/4158, S. 47; Begr. zum Entwurf des JStG 1997 v. 11. 6. 1996, BT-Drs. 13/4839, S. 64 ff.). Dieses Förderungsziel wird objektiv verfehlt, wenn der Betrieb innerhalb der vom Gesetzgeber festgelegten 5-Jahres-Frist veräußert oder aufgegeben wird. Der Gesetzgeber hat die Grenzen seines Typisierungsspielraums nicht überschritten, wenn er die individuellen Motive für die objektive Zielverfehlung unberücksichtigt lässt.

… auch bei Zwangslagen …

c) Eine teleologische Reduktion des § 13 Abs. 2a Satz 3 ErbStG a. F. ist weder nach seinem Wortlaut noch nach seiner Zielsetzung geboten. Die dafür in der Literatur umrissenen Anwendungsfälle (Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 267, 271, März 2004: „erzwungene Veräußerung“; Krumm, ZEV 2005, 46, 49: „existenzbedrohender Zustand“) rechtfertigen eine Einschränkung des § 13 Abs. 2a Satz 3 ErbStG a. F. nicht, da jede unternehmerische Entscheidung über die Betriebsveräußerung, -aufgabe oder -fortführung sich in einem Spannungsfeld zwischen der Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortlichkeit des selbstständig Tätigen einerseits und der Bindung an Marktmechanismen andererseits bewegt. Es wäre überdies - selbst unter Zuziehung betriebswirtschaftlicher Sachverständiger - nicht mit einer für die erforderliche Überzeugungsbildung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) hinreichenden Sicherheit möglich, unternehmerische Entscheidungen daraufhin zu überprüfen, ob sie „erzwungen“ worden sind.

… und Insolvenz

Darüber hinaus müsste in jedem Einzelfall sichergestellt werden, dass der begünstigte Erwerber weder in Zusammenhang mit dem Veräußerungs- oder Aufgabevorgang noch in der Zeit zwischen Erwerb und Verlust des Betriebsvermögens Vorteile aus dem Erwerb gezogen hat. Selbst in Insolvenzfällen ist nicht ausgeschlossen, dass der Erwerber dem Betrieb noch „rechtzeitig“ Vermögensgegenstände entzogen hat. Die damit erforderliche Prüfung sämtlicher Vermögenstransaktionen innerhalb eines längeren - sich unter Umständen über 5 Jahre erstreckenden - Zeitraums stünde der Vollziehbarkeit des Nachversteuerungstatbestands entgegen. Dies wird auch am Streitfall deutlich, in dem sich der Kl. auf Darlegungen zu den liquiden Mitteln, die er im Rahmen der Betriebsaufgabe erlangt bzw. nicht erlangt haben will, beschränkt, aber keinerlei Angaben zu seinen in den vier vorangehenden Jahren im Zusammenhang mit dem begünstigt erworbenen Betriebsvermögen erlangten Vermögensvorteilen macht.

Aufgabe bisheriger Rechtsprechung

Soweit der Senat in seinem Beschluss in BFHE 206, 370, BStBl II 2004, 747, ZEV 2004, 431 bei lediglich summarischer Prüfung eine teleologische Reduktion des Nachversteuerungstatbestands in Betracht gezogen hat, hält er daran nicht mehr fest.

Anmerkung:

Die für diese Entscheidung sowie die nachfolgende Entscheidung II R 11/02 maßgebliche Vorschrift des § 13 Abs. 2a ErbStG a. F. wurde mit Wirkung ab 1996 durch § 13a ErbStG ersetzt. Der Wegfall des Freibetrags bei Veräußerungs- oder Aufgabevorgängen ist nunmehr in § 13a Abs. 5 ErbStG geregelt. An der in der Entscheidung dargestellten Rechtslage hat sich durch diese Neuregelung nichts geändert.
Manfred Schmid, RiBFH, München
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Anm. d. Red.:
Vgl. zu der Entscheidung auch Hübner in: ZEV Heft 8 2005, auf S. 354.