Zulässigkeit eines Webradiorekorders

Autor: RA, FA IT-Recht, FA Urheber- und Medienrecht Dr. Christian Wolff, Brock Müller Ziegenbein, Kiel
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 06/2012
Ein Onlinedienst, der es ermöglicht, automatisiert Webradioprogramme nach vom Nutzer vorgegebenen Titeln zu durchsuchen, und ihm diese Titel dann als mp3-Dateien zur Verfügung stellt, verletzt nicht die Leistungsschutzrechte der davon betroffenen Tonträgerhersteller und Künstler.

KG, Urt. v. 28.3.2012 - 24 U 20/11 (rkr.)

Vorinstanz: LG Berlin, Urt. v. 11.1.2011 - 16 O 494/09

UrhG §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16, 53, 77 Abs. 2, 85 Abs. 1

Das Problem:

Ein Diensteanbieter hält einen Onlineservice bereit, mit dem Nutzer nach ihrer Wahl mp3-Dateien von Musiktiteln erhalten, die im Internet von Webradiosendern gespielt wurden. Der Dienst durchsucht die Streams der Webradiosender und fertigt bei Treffern entsprechende mp3-Dateien von den Titeln. Die Dateien werden dann unmittelbar auf der Festplatte des beauftragenden Nutzers abgespeichert. Ein Tonträgerhersteller nimmt den Diensteanbieter wegen Verstoßes gegen sein Leistungsschutzrecht auf Unterlassung in Anspruch.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das KG bestätigte die Vorinstanz und wies die Klage mangels einer Vervielfältigung durch den Diensteanbieter ab.

Technische Betrachtung: Nicht der Diensteanbieter, sondern der Nutzer sei Hersteller der Vervielfältigungsstücke, d.h. der mp3-Dateien. Der Diensteanbieter liefere lediglich das technische Hilfsmittel zur Herstellung der Endnutzerkopie. Nach dem BGH sei eine technische Betrachtung vorzunehmen, wonach Hersteller derjenige sei, der die körperliche Festlegung bewerkstellige (BGH v. 22.4.2009 – I ZR 216/06 – Internet-Videorecorder, CR 2009, 598 = ITRB 2009, 245). Es komme darauf an, wer die Sachherrschaft und Organisationshoheit über die Vervielfältigungen habe. Dies liege im zu entscheidenden Fall beim Nutzer, der durch seine Vorgaben allein über die Vervielfältigungen entscheide. Die vielfältigen Einstell- und Vorauswahlmöglichkeiten der Software seien lediglich ein Leistungsmerkmal, vermittelten aber nicht dem Hersteller die Herrschaft über den Kopiervorgang.

Kein ausufernder Privatgebrauch: Der Diensteanbieter stelle nur die Software zur Verfügung, deren Einsatz die Anfertigung zulässiger Privatkopien gem. § 53 Abs. 1 UrhG ermögliche. Soweit die Arbeitsweise der Software, die lediglich technisch nicht geschützte Deep-Links auf die Webradiostreams eröffne, schon nicht das Recht der öffentlichen Wiedergabe berühre (unter Verweis auf u.a. BGH, Urt. v. 17.7.2003 – I ZR 259/00 – Paperboy, CR 2003, 920 = ITRB 2004, 26; Urt. v. 22.4.2009 – I ZR 216/06 – Internet-Videorecorder, CR 2009, 598 = ITRB 2009, 245), verbiete sich auch eine abweichende Betrachtung im Hinblick auf eine Vervielfältigungshandlung des Diensteanbieters.

Keine untragbare Schutzlücke: Der Gesetzgeber habe schließlich bewusst die digitale Vervielfältigung von Musik für den Privatgebrauch im Hinblick auf die bekannte Möglichkeit, Webradioprogramme mitzuschneiden, nicht verboten. Die Software des Diensteanbieters erweitere zwar Umgehungsmöglichkeiten der Erstverwertungsrechte des Tonträgerherstellers; dies genüge jedoch nicht, um richterlich eine gesetzgeberische Grundentscheidung zu revidieren.


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